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Was machen wir hier?

Die Reformdebatte in der KMK geht weiter: Ein Kulturminister regt eine eigene Kulturministerkonferenz an, und einige Wissenschaftspolitiker fragen, wieviel ihnen die Sitzungen eigentlich bringen.

Der Bonner Sitz der KMK im ehemaligen Straßenbahndepot
Der Bonner Sitz der KMK im ehemaligen Straßenbahndepot

DIESE NACHRICHT IST angesichts der demonstrativen Aufbruchstimmung in der Kultusministerkonferenz (KMK) fast untergegangen: Während die Schulminister vor dem Wochenende eine selten erlebte Einigkeit und Entschlossenheit beschworen, hat der rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf (SPD) eine eigene Kulturministerkonferenz vorgeschlagen. Eine solches Gremium würde die Kultur aufwerten und die Kulturpolitik der Länder sichtbarer machen, sagte Wolf im Deutschlandfunk. Sein Pressesprecher verwies laut dpa darauf, dass viele von Wolfs Kulturministerkollegen seinen Vorschlag unterstützten.

 

Heißt das, die Kultur will raus aus der KMK, während die sich gerade in Richtung neuer Staatsvertrag berappelt? Nein, das heiße es nicht zwangsläufig, sagt Wolf im Interview hier im Blog: "Ich möchte eine Aufwertung der Kultur. Das kann auch innerhalb der KMK geschehen." Ihm gehe es um das Ergebnis, nicht um die Emotionalisierung der Debatte. "Aber in jeden Fall brauchen wir das Label Kulturministerkonferenz mit eigenen Zuständigkeiten."

 

Wie aber passt das zusammen, dass die Schulminister den Neustart der Kultusministerkonferenz planen und ein Kulturminister gleichzeitig ganz neue Gremien ins Gespräch bringt? Ziemlich gut: Die KMK befindet sich am Scheideweg, die nächsten Monate gehören ohnehin den Grundsatzdebatten. So haben denn auch einige Wissenschaftspolitiker in der KMK-Sitzung am Donnerstag ihre Unzufriedenheit mit dem Status-Quo geäußert. Wie ihre Kulturkollegen haben sie das Gefühl, die Sitzungen brächten ihnen nicht genug (siehe hierzu auch den Gastbeitrag von Steffen Krach). 

 

Konrad Wolf, der zugleich Wissenschaftsminister ist, hat nachgezählt. In nur noch drei Bundesländern gebe es den klassischen Ressortzuschnitt "Wissenschaft, Bildung und Kultur", sagt er. In lediglich vier Bundesländern sei die Kultur mit der Bildung im selben Ministerium angesiedelt, in immerhin sieben wie in Rheinland-Pfalz mit der Wissenschaft. 

 

Noch dringenderen Handlungsbedarf sieht Wolf, seit der GroKo-Koalitionsvertrag steht. "Die neue Bundesregierung betont den kooperativen Kulturföderalismus", sagt er. Dass der Bund sich nun schon seit Jahren immer stärker in der Kulturförderung engagiere, sei zu begrüßen – führe aber auch zu einem gesteigerten Abstimmungs- und Koordinierungsbedarf bei denjenigen kulturpolitischen Fragen, die damit sowohl Bund als auch Länder mit zum Teil unterschiedlichen Programmen bearbeiteten. Bei der Digitalisierung zum Beispiel, beim Erhalt des Kulturgutes oder bei der kulturellen Teilhabe und Bildung. Daher sei es an der Zeit, "der Kulturpolitik eine eigene politische Koordinierungsebene der Länder zu geben." >>



>> Seit längerem ist spürbar, wie in der KMK die drei Sphären Bildung, Hochschule/Wissenschaft und Kultur auseinanderdriften. Weil, siehe oben, die zugehörigen Ressortzuständigkeiten in den Ländern es tun. Doch die Kultus- (=Bildungs)minister als diejenigen, die dem Gremium überhaupt seinen Namen gegeben haben, dominieren weiter die KMK. Laut Wolf machen Bildungsthemen regelmäßig mehr als die Hälfte und bis zu zwei Drittel der Tagesordnung aus. Auch die KMK-Präsidenten rekrutierten sich zuletzt wie selbstverständlich aus den Reihen der Bildungsminister. Der letzte Präsident, der neben Bildung auch für Wissenschaft und Kultur zuständig war, war 2011 Henry Tesch aus Mecklenburg-Vorpommern. Die letzte Präsidentin, die nicht auch das Ressort Bildung vertrat, sondern allein Wissenschaft, Forschung und Kultur, hieß 2005 Johanna Wanka, zu der Zeit Ministerin in Brandenburg.

 

Die Wissenschaftsminister wiederum haben mit der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ein eigenes Gremium, in dem sie mit dem Bund über Milliardenprogramme verhandeln und auch über die gemeinsam finanzierten Forschungseinrichtungen. Wofür sie im Vorfeld natürlich auch untereinander ihre Position als Länder abstimmen. Wenn Wissenschaftspolitiker darüber hinaus von einem Gremium schwärmen, ist es niemals die Kultusministerkonferenz, sondern immer der Wissenschaftsrat. Er gilt in der Szene als Forum echter Debatten, er ist wissenschafts- und hochschulpolitischer Thinktank. Welche Rolle kann und sollte da zwischen GWK (dem großen Geld) und Wissenschaftsrat (den großen intellektuellen Linien) noch die Kultusministerkonferenz spielen für die Wissenschaft? 

 

Es ist schon ironisch: Während die Kultusminister in der KMK endlich verstanden haben, dass sie handeln müssen, während sie die wirkliche und ernsthafte Reform ihres Clubs in Angriff nehmen, bröckelt an anderer Stelle das Fundament dieser 70 Jahre alten Institution, die von jeher Kultur, Wissenschaft und Bildung zusammengedacht hat. Am Ende, und die Chancen stehen seit Donnerstag gut dafür, könnte eine stärkere KMK stehen, schlagkräftiger, geeinter. Aber womöglich auch anders strukturiert als bislang?

 

Darüber gilt es in den nächsten Monaten weiter nachzudenken. Die Kultusminister wollen es auf ihren nächsten Sitzungen tun. 


Hamburgs Bildungssenator Rabe: Warum wir Sozialdemokraten vorsichtiger sind in Sachen Länderstaatsvertrag

Einen Entwurf für eine "weitergehende Vereinbarung der Länder zu grundsätzlichen Fragen der Bildungspolitik" wollen die Kultusminister ausarbeiten – und die Option für einen Staatsvertrag prüfen. So beschlossen sie am Donnerstag. Wie ist das eigentlich gemeint, fragten danach einige Beobachter: Die weitergehende Vereinbarung auf jeden Fall, den Staatsvertrag vielleicht?

 

Auffällig war der unterschiedliche Grad an Begeisterung in Sachen Staatsvertrag in den politischen Lagern. "Ich freue mich, dass die Kultusministerkonferenz heute beschlossen hat, sich auf den Weg zu einem Länderstaatsvertrag für die Bildung zu machen", kommentierte Baden-Württembergs CDU-Bildungsministerin Susanne Eisenmann nach der Sitzung. Und Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) ließ in einer Pressemitteilung betonen, dass die Kultusminister der Union bereits seit 2013 einen Bildungsstaatsvertrag gefordert hätten.

 

Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) hingegen äußert sich deutlich zurückhaltend. "Wir Sozialdemokraten sind, was den Staatsvertrag angeht, etwas vorsichtiger“, sagt Rabe, der die Bildungspolitik der SPD-geführten Kultusministerien koordiniert, hier im Blog. „Wir sollten die Entscheidung, ob er kommt, davon abhängig machen, ob wir mit seiner Hilfe wirklich mehr an Vergleichbarkeit und Qualität erreichen können." 

Die Sorge bei den Staatsvertrags-Skeptikern: Der mag plakativ sein und nach viel Entschlossenheit aussehen, tatsächlich jedoch erfordert er womöglich ein so hohes Maß an Bürokratie, dass am Ende wenig Visionäres übrigbleiben könnte. Der Grund: Ein Staatsvertrag müsste zuerst von allen 16 Landeskabinetten beschlossen werden, um dann anschließend auch die Zustimmung aller 16 Landesparlamente zu erreichen. Das könnte viele Monate oder sogar Jahre dauern. Der Vertrag hätte dann zwar, wie Spaenles Ministerium betont, "Bindungskraft wie ein Gesetz“, aber er wäre eben zuvor auch den möglichen Sonderwünschen aller Landesparlamentarier in Deutschland ausgesetzt. Eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern wäre hingegen nicht abhängig von der Zustimmung der Parlamente – die Kultusminister könnten also entschiedener und eigenständiger agieren.

 

Umgekehrt weiß auch Rabe um die Symbolkraft eines Länderstaatsvertrags. Und dass die Kultusministerkonferenz so ein Symbol jetzt gut gebrauchen könnte. "Die Sache ist wirklich offen", sagt er. "Ein Staatsvertrag ist ein starkes Signal. Aber nur, wenn er nicht fünf Jahre dauert und als kleinster gemeinsamer Nenner nur Allgemeinplätze beinhaltet. Wenn wir mit dem Staatsvertrag eine wirkliche Veränderung erreichen können, sind wir ohne Wenn und Aber dabei."


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