Direkt zum Inhalt

Ob die Lehrgemeinschaft kommt, entscheidet sich jetzt

Warum der Bund die neue Organisation durchsetzen sollte – und auch Länder und Hochschulen eigentlich nur dafür sein können.

Bild
Artikelbild: Ob die Lehrgemeinschaft kommt, entscheidet sich jetzt

HORST HIPPLERS ARGUMENTATION war so simpel wie wirksam. Die Hochschulen ächzen unter ihrer mangelnden Grundfinanzierung. Da könne man doch jetzt nicht mit Projektförderung und Dauer-Wettbewerb kommen. Die Schlussfolgerung: Eine DFG für die Lehre? Auf keinen Fall! "Wir brauchen jetzt und auch nach 2020 keine neuen Institutionen, sondern vor allem eine klar konzipierte, verlässliche Hochschulfinanzierung in gemeinsamer Verantwortung von Ländern und Bund", sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und wusste die meisten Unichefs hinter sich. Und, was viel wichtiger ist: auch die meisten Landeswissenschaftsminister.

Das war vor genau einem Jahr, und das Absurde war, dass dieselben Minister, die Hippler hinter verschlossenen Türen oder ganz offiziell applaudierten, eben jene Empfehlung, eine "bundesweite eigenständigen Organisation" zur Förderung innovativer Lehrkonzepte "zu prüfen", Tage zuvor im Wissenschaftsrat mitgetragen hatten. Noch absurder ist, dass Hipplers Argumentation, so logisch sie klang, die Idee Lehrgemeinschaft komplett missverstanden hat.

Erstens: Ja, die Hochschulen sind krass unterfinanziert. Doch genau deshalb haben Bund und Länder schon Ende 2016 informell vereinbart, dass die Bundesmilliarden, die bislang befristet über den Hochschulpakt (HSP) Studienplätze finanzieren, nach 2020 dauerhaft kommen sollen. Inzwischen steht das so offiziell im GroKo-Koalitionsvertrag, und obgleich die genauen Summen und Vergabemechanismen noch offen sind, klar ist: Es werden eher mehr als die bislang rund 1,8 Milliarden pro Jahr, und ihr ganz großer Teil wird so fließen, dass die Hochschulen mehr Dauerstellen schaffen können. >>


"ES GEHT UM SEHR VIEL GELD": MARTINA BROCKMEIER ÜBER DIE VORSCHLÄGE DES WISSENSCHAFTSRATES ZUR HOCHSCHULPAKT-ZUKUNFT


>> Zweitens: Ja, der Wettbewerbswahn regiert. Aber nur in der Forschung. Gerade mal 200 Millionen Euro pro Jahr sind seit 2011 über den "Qualitätspakt Lehre" in Lehrprojekte geflossen, und nur um Verstetigung geht es dem Wissenschaftsrat bei der Lehrgemeinschaft (wobei er selbst diese Bezeichnung tunlichst meidet, um keine Vorfestlegungen zu machen). Zum Vergleich: Das Forschungs-Projektförderung der DFG liegt bei über drei Milliarden Euro im Jahr. Womöglich sollte man da mal ran.

Ein Jahr nach Hipplers "Njet" gehen die Verhandlungen um die künftige Hochschulfinanzierung in die heiße Phase, gerade hat der Wissenschaftsrat sein Positionspapier zur Hochschulpakt-Nachfolge vorgelegt und darin auch die Forderung nach der eigenständigen Lehr-Organisation wiederholt. Jetzt entscheidet sich in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz: Bleibt der Bund hart und gibt den Ländern das eine (HSP) nur im Gegenzug für das andere (Lehrgemeinschaft)? Den Hebel hätte er, und richtig wäre es auch.

Dass Wissenschaftler bislang vor allem über die Forschung Karriere machen und nicht über die Lehre, liegt auch an der Möglichkeit, sich persönlich über den Erwerb von Drittmitteln auszuzeichnen. Wer die Lehre spürbar aufwerten will, braucht daher auch die Lehrgemeinschaft. Und so wie die DFG-Gutachter Kriterien für die Qualität von Forschungsanträgen haben, bräuchten auch die Gutachter einer DLG welche für die Lehre. Doch die fehlen bislang, was die Debatte über Lehre schwammig macht und ihre Bedeutung gegenüber der pseudogenauen Definition "guter" Forschung weiter abschwächt. Eine Lehrgemeinschaft könnte und müsste an solchen Kriterien arbeiten.

Der Reflex der Rektoren und Landeminister, möglichst viel Bundesgeld gegen möglichst geringe Auflagen zu fordern, ist verständlich. Doch so unpopulär das angesichts der überdrehten Drittmittelspirale in der Forschung zurzeit auch sein mag: Ein bisschen Wettbewerb belebt das Geschäft. Und die Lehre auch.

Mut macht, dass Hipplers gerade gewählter Nachfolger Peter-André Alt zuletzt andere Töne anschlug. Er wolle nicht dogmatisch sein, sagte er. "Vielleicht ist die Deutsche Lehrgemeinschaft ja eine gute Idee, und mir hat sie nur noch keiner so richtig vermitteln können." Es klingt wie eine Einladung zum Gespräch.

Dieser Beitrag erschien zuerst leicht gekürzt in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


Kupferdach59: "Georg Wickop-Hörsaal an der TU Darmstadt.jpg", CC BY-SA 4.0

Kommentare

#1 -

Klaus Diepold | Mo., 07.05.2018 - 13:08
Ich finde die Lehrgemeinschaft eine gute, wenn nicht sogar eine sehr gute Idee. Ich bin auch gerne bereit nach Berlin zu fahren und mit Herrn Kollegen Alt über diesen Vorschlag zu sprechen. Vielleicht kann ich ihn überzeugen ... ?

#3 -

Thomas Hoffmeister | Mo., 07.05.2018 - 23:12
Wenn die Deutsche Lehrgemeinschaft kommt, wird eine wichtige Frage sein, wer kann dort Mittel wie einwerben. Der Q-Pakt Lehre hat den Unis geholfen, sich in der Lehre zu profilieren. Würde das eine auf Einzelantragsbasis basierende DLG?

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Die Rektoren und das Kreuz

Wie gehen Bayerns Hochschulen mit Söders umstrittener Kruzifix-Verordnung um? Sie betrifft sie nicht direkt, aber...


  • Wir können nur dort etwas machen, wo die Not am größten ist

Wir können nur dort etwas machen, wo die Not am größten ist

Warum kämpfen Deutschlands Hochschulen mit einem 35-Milliarden-Sanierungsstau? Gabriele Willems ist Chefin über den NRW-Landesbetrieb, der die Gebäude eigentlich in Ordnung halten sollte. Sie sagt, woran die Modernisierung scheitert – und appelliert an die Politik. Ein Interview aus der Praxis.


  • Es geht um sehr viel Geld

Es geht um sehr viel Geld

Es sagt sich so leicht: Ein neuer Hochschulpakt soll Qualität und Quantität in der Lehre versöhnen. Wie das praktisch gehen könnte, dazu hat sich der Wissenschaftsrat Gedanken gemacht – und sie in ein brisantes Positionspapier gefasst. Ein Interview mit der Vorsitzenden Martina Brockmeier.