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Fehlt noch eine Kleinigkeit

Der FH-Nachwuchspakt steht im Prinzip. Doch Bund und Länder müssen sich dringend bei den Finanzierungsmodalitäten einig werden.

DER FH-NACHWUCHSPAKT geht auf die Zielgerade. Am 16. November wollen Bund und Länder das Programm (Arbeitstitel: "zur Förderung der Gewinnung und Entwicklung von professoralem Personal an Fachhochschulen") in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz beschließen, jetzt liegt ein erster Entwurf der dafür nötigen Bund-Länder-Vereinbarung vor.

 

Der Entwurf folgt eng den kurz vor der Bundestagwahl fertiggestellten Eckpunkten, die die GWK-Ministerrunde bereits im November 2017 für die Ausarbeitung zur detaillierten Vereinbarung freigegeben hatte. Das gemächliche Tempo seitdem erklärt sich mit der schwierigen Regierungsbildung im Bund, denn damit der Pakt Wirklichkeit wird, braucht es nicht nur ein Konzept, sondern auch eine handlungsfähige Bundesregierung und – vor allem – die nötige Finanzierung. 

 

Apropos gemächliches Tempo: Die Fachhochschulen sind seit Jahren frustriert, dass ihr Pendant zum universitären Tenure-Track-Programm von Bund und Ländern derart auf die lange Bank geschoben wurde. Das Tenure-Track-Programm passierte die GWK bereits im Juni 2016, im September 2017 wurden die ersten 468 Professuren vergeben. 

 

Beim FH-Programm hingegen hatte die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) von Anfang an auf Zeit gespielt. Wohl auch, weil in der vergangenen Legislaturperiode kein Geld mehr dafür da war. Wanka selbst hatte stets darauf verwiesen, zunächst die Empfehlungen des Wissenschaftsrats (WR) zur Personalgewinnung und -entwicklung abwarten zu wollen. Die kamen im Herbst 2016, und im Februar 2017 machte Wanka per Interview tatsächlich einen ersten Aufschlag. "Mein Angebot an die Länder lautet", sagte Wanka damals: "Lasst uns die WR-Empfehlungen nehmen und aus den vorgeschlagenen Maßnahmen einen Instrumentenkasten entwickeln. Also nicht das eine Modell für alle, sondern durchaus Vielfalt mit einer gewissen Offenheit für neue Ideen." 

 

Parallelen zum Digitalpakt

 

Schon da war klar: Vor der Bundestagswahl wird das nichts mehr. In dem Interview sprach Wanka auch von einem Zeitplan und einer Ausschreibung "im Frühjahr oder Sommer 2018." Jetzt wird es voraussichtlich Frühjahr oder Sommer 2019. Vorausgesetzt, die Finanzierung steht. Was bislang nicht absehbar ist. Doch dazu gleich mehr.

 

Insgesamt erinnert die Genese des FH-Pakts, obgleich eine Nummer kleiner, an das Hin und Her beim Digitalpakt für die Schule: ebenfalls lange von Wanka angekündigt, ebenfalls immer wieder verschoben. Immerhin, und das ist ein großes Plus, ging es beim FH-Pakt ohne böse Blut und gegenseitige Vorwürfe in aller Öffentlichkeit zwischen Bund und Ländern ab.   

 

Hinter den Kulissen allerdings wird sehr wohl gerungen. Und auch hier fallen gewisse Parallelen zum Digitalpakt auf. Natürlich geht es um Geld. Der Bund rückt weiter nicht mit der Sprache heraus, was ihm der FH-Pakt wert ist. Zum Vergleich: Für das Tenure-Track-Programm spendierte er eine Milliarde Euro. Die Länder verlangen für die Fachhochschulen eine ähnliche Größenordnung, das BMBF kontert: Beide Initiativen seien nicht vergleichbar. 

 

Und wie schon beim Digitalpakt wollen die Länder keine explizite Ko-Finanzierung leisten. Sie erbrächten ihren finanziellen Anteil in der Sicherung der Grundfinanzierung der Fachhochschulen, argumentieren die Landeswissenschaftsministerien bislang. Der Bund beharrt dagegen auf einer 50:50-Regelung und argumentiert, seit der Reform des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern hätten die Länder auch den dafür nötigen Spielraum. Beim Digitalpakt ist in Sachen Länderanteil inzwischen Bewegung drin – beim FH-Pakt geht das Hakeln weiter. 

 

Wie der Wettbewerb laufen soll

 

In jedem Fall sollen sich die Länder verpflichten, nicht kompensatorisch zu kürzen. Ein programmbegleitendes Monitoring soll die Einhaltung der Zusagen von Bund und Ländern sicherstellen, auch eine unabhängige Evaluation ist vorgesehen.

 

Differenzen gibt es auch noch bei der Frage, nach welchem Verfahren die Mittel an die Hochschulen vergeben werden sollen. Der Bund will einen reinen Wettbewerb, bei dem die Hochschulen ihren Antrag inklusive Stärken-Schwächen-Analyse und Konzept zur Personalgewinnung und der Nennung konkreter Maßnahmen einreichen und bundesweit um die Fördergelder konkurrieren. Anhand verschiedener Kriterien (unter anderem qualitativer Mehrwert, Einbettung in Profil und Leitbild der Hochschule, Nachhaltigkeit und Diversität) erfolgt dann die Bestenauswahl. All das wollen die Länder auch – aber mit einem Unterschied: Sie fordern einen festen Betrag pro Land und Bewilligungsrunde (es soll zwei geben), bemessen am sogenannten Königsteiner Schlüssel und dem Anteil des jeweiligen Bundeslandes an der Gesamtzahl der FH-Professoren.

 

Ansonsten, da sind sich Bund und Länder einig, bleibt es beim Prinzip "Instrumentenkasten", wie es zuerst der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen formuliert und die GWK in ihren Eckpunkten weiter ausbuchstabiert hatte. Die im Entwurf der Vereinbarung aufgezählten förderfähigen Instrumente  reichen von der Einrichtung sogenannter Schwerpunktprofessuren bis hin zu Kooperationsplattformen (siehe zu den Details meinen Artikel zu den Eckpunkten vom 31. August 2017). Weiter vorgesehen ist auch eine Art Joker, der die Offenheit des Programms abseits der erwähnten Instrumente verdeutlichen soll und der schon in den Eckpunkten unter der Bezeichnung "Experimentierfeld für innovative Maßnahmen" lief. 

 

Die Anträge sollen in einem "wissenschaftsgeleiteten Verfahren" von einem Auswahlgremium begutachtet werden, in dem mindestens 16 "ausgewiesene Expertinnen und Experten" sitzen sollen – aus der angewandten Wissenschaft, dem Hochschulmanagement und aus der Wirtschaft, benannt im Einvernehmen mit Hochschulrektorenkonferenz, Wissenschaftsrat, Stifterverband und Deutscher Forschungsgemeinschaft. Der Bund will der zwei Vertreter schicken, die Länder vier. 

 

Keine Förderung der "üblichen Coachings"

 

Ausgeschlossen werden von der Förderung sollen alle Maßnahmen, die keinen unmittelbaren Bezug zu den Programmzielen haben, darunter die "üblichen Fortbildungs- Trainings- und Coachingangebote insbesondere für Erstberufene", die Höherbewertung bestehender Professorenstellen und – eine deutliche Ansage – die Förderung von Stellen des akademischen Mittelbaus – "sofern diese nicht im Einzelfall nachweislich auf die fachliche Qualifizierung für eine Fachhochschulprofessur zielen". 

 

"Diskussionsbedarf" macht die GWK-Facharbeitsgruppe schließlich noch bei drei weiteren Weichenstellungen aus: Zum einen beharrt der Bund weiter darauf, dem Wettbewerb eine höchstens sechsmonatige "Strategiephase" vorschalten, die den Fachhochschulen Zeit für besagte Stärken-Schwächen-Analyse und die daraus folgende Entwicklung eines Konzepts "zur Gewinnung und Entwicklung professoralen Personals" geben soll. Diese Phase soll laut Bund möglichst vielen Hochschulen offen stehen, im Gegenzug könnten sie dafür ein, zwei Mitarbeiterstellen auf Zeit erhalten. Die Länder lehnen eine solche Vorphase jedoch ab – sie sehen ein Auf-Zeit-Spielen des Bundes und fürchten eine weitere Verzögerung bei der Umsetzung des Pakts. 

 

Bleiben die privaten Hochschulen außen vor?

 

Zum anderen sind sich Bund und Länder zwar einig, dass sie den Begriff "Fachhochschule" bei der Antragsberechtigung nicht zu eng auslegen und zusätzlich all jene "Hochschulen und Akademien im tertiären Sektor" zulassen wollen, die – Stichwort Berufsakademien und duale Hochschulen – zwar keine FHs sind, aber einen signifikanten Anteil von Professoren mit den gleichen gesetzlichen Berufungsvoraussetzungen vorweisen können. Doch während der Bund auch staatlich anerkannte (sprich: private) Institutionen antragsberechtigt machen will, wollen die Länder die privaten – mit Ausnahme staatlich refinanzierter Hochschulen – außen vor halten.

 

Die Wissenschaftsministerien verweisen auf rechtliche Probleme und unterschiedliche Problemlagen. Die eigentliche Sorge der Länder dürfte jedoch eine andere sein: Sind zu viele private Hochschulen im Rennen, könnte der Kuchen für die staatlichen zu klein werden. Womit wir wieder beim Geld wären. Das übrigens wohl auch der Grund ist für den dritten verbliebenen Dissens: Die Länder wollen zwei Bewilligungsrunden von je sieben Jahren, der Bund will fünf Jahre pro Runde plus die Strategiephase.

 

Wie viele Hochschulen dabei insgesamt zum Zug kommen könnten, ist ebenfalls noch offen. Da aber sowohl Bund als auch die Länder ein breit angelegtes Programm wollen, halten Fachleute für beide Bewilligungsrunden zusammen eine Größenordnung von 50 bis 70 realistisch. In der möglichen Strategiephase könnten weitere Hochschulen dazu kommen.

 

Eigentlich, könnte man insgesamt denken, stehen Bund und Länder in den Monaten bis November vor lösbaren Aufgaben – nur müsste das BMBF dringend mal beim Finanzvolumen Klartext reden. Und die Landeswissenschaftsminister müssen sich zwei Fragen stellen lassen. Erstens: Glauben sie wirklich, mit null Prozent Kofinanzierung durchzukommen, und senden sie damit das richtige Signal in ihre eigenen Hochschulen hinein? Und zweitens: Warum trauen sie sich nicht etwas mehr Wettbewerb zu? Feste Länderkontingente machen die Ergebnisse des Programms dann doch etwas zu erwartbar. Und die Privaten auszunehmen, brächte den staatlichen zwar ein paar mehr Euro. Aber fair wäre die Lösung nicht – und der Ideenreichtum würde ebenfalls leiden. 

 

Sicher ist: Solange die Finanzierung nicht steht, nutzen die ausgefeiltesten Konzepte wenig. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Klaus Hekking (Sonntag, 01 Juli 2018 07:07)

    Toller Wettbewerb! Die Staatsmonopolisten aus den Ländern halten die privaten aussen vor! Man braucht sich nicht zu wundern, warum das deutsche Hochschulsystem im internationalen Vergleich in Mittelmässigkeit verharrt

  • #2

    Ruth Himmelreich (Montag, 02 Juli 2018 10:38)

    Private Hochschulen sollen privat finanziert werden, finde ich. Die Rosinenpickerei - staatliches Geld nehmen, aber die Regularien für staatliche Hochschulen nicht akzeptieren, angefangen bei Studiengebühren - kann's nicht sein.

    Beim Nachwuchspakt für die FH kann man sich im übrigen fragen, wo der Grundgedanke, dass FH-Professoren aus der Praxis kommen müssen, eigentlich bleibt. Wenn man anfängt, den Begriff "Praxis" so zu verwässern, dass er auf eine Art längeres Praktikum herausläuft, kann man es gleich bleiben lassen. Auch derzeit ist die Praxiserfahrung stellenweise recht dünn, wenn man sich die CVs von FH-Professoren so anschaut. Die Lehrerfahrung, mit der sie an die Hochschule kommen, meistens auch...