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Schütte wird offenbar neuer BMBF-Amtschef

Der erfahrene Staatssekretär soll auch die Zuständigkeit für Wissenschaft erhalten – und damit für die Verhandlungen um die Wissenschaftspakte. Die gehen ab morgen in die heiße Phase.

Georg Schütte. Foto: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.
Georg Schütte. Foto: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

GEORG SCHÜTTE SOLL offenbar neuer Amtschef im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) werden. Wie zahlreiche BMBF-Mitarbeiter bestätigen, soll der 55-Jährige die sogenannte Zentralabteilung übertragen bekommen, die sich bislang im Bereich seiner Mitte Juli in den einstweiligen Ruhestand versetzten Kollegin Cornelia Quennet-Thielen befand. Die Zuständigkeit für die Z-Abteilung gilt als Ausweis für den inoffiziellen Titel des Amtschefs. Auch soll Schütte die Verantwortung für die Abteilung "Wissenschaftssystem" erhalten und damit künftig auf Seiten des BMBF die Bund-Länder-Verhandlungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern koordinieren.  

 

Ende August hatte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) zunächst nur hausintern bekannt gegeben, dass sie Quennet-Thielens Staatssekretärsstelle mit Christian Luft, bislang Abteilungsleiter im Kanzleramt, besetzen will. Für viele innerhalb des Ministeriums und auch außerhalb eine Überraschung: Den Namen Luft hatte kaum einer auf dem Zettel gehabt. Gemeinhin war erwartet worden, dass Luft damit auch die Zuständigkeiten Quennet-Thielens inklusive der Z-Abteilung und das "Wissenschaftssystem" übernimmt. Allerdings hatte Karliczek sich an dieser Stelle zunächst bedeckt gehalten. Jetzt setzt die Ministerin angesichts der anlaufenden Verhandlungen um die Neuauflage von Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation & Co offenbar lieber auf den erfahrenen Schütte, der seit 2009 im Amt ist und von Karliczeks Vor-Vorgängerin Annette Schavan berufen wurde.

 

Der Amtsantritt von Christian Luft
lässt weiter auf sich warten

 

Offiziell hat das BMBF übrigens bislang weder die Berufung von Luft noch die künftige Aufgabenverteilung zwischen den Staatssekretären bestätigt, aus wahrscheinlich zwei Gründen: Erstens hat Luft seinen Job noch nicht angetreten. Anscheinend will das Kanzleramt ihn nicht so schnell freigeben, und bei der Frage, wann er es tut, zucken die meisten im BMBF mit den Schultern. Zweitens gehören Lufts Berufung und die Festlegung der künftigen Zuständigkeiten zu einer tiefgreifenderen Strukturreform im Ministerium, die Karliczek zunächst mit den Betroffenen bespricht. 

 

In ihrer Hausmitteilung anlässlich der Trennung von Quennet-Thielen schrieb die Ministerin vor zwei Monaten an die BMBF-Mitarbeiter, es gebiete sich, "die geplanten Änderungen in den kommenden Wochen im dafür vorgesehenen Beteiligungsverfahren weiter zu entwickeln. Erst dann werden die bisher entwickelten Ideen umsetzungsreif sein." Was eine schlaue Kommunikationsstrategie nach innen ist, nach außen indes seitdem immer mehr Entscheidungen vorab durchsickern lässt. So werden sich offenbar auch die Zuschnitte der Abteilungen ändern, Referate werden verschoben, Arbeitsgebiete neu definiert. Das Gesamtbild der Reform, das neue Organigramm des Ministeriums, hält die BMBF-Hausspitze noch unter Verschluss.  

 

Wie lange wollen sie sich im Bundesforschungsministerium eigentlich noch mit sich selbst beschäftigen?, fragen derweil die Chefs von Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen  immer drängender, und auch in vielen Landeswissenschaftsministerien zeigt man sich irritiert. Aus alldem folgt eine weitere spannende Frage: Schon morgen treffen sich die Staatssekretäre von Bund und Ländern das nächste Mal in der GWK. Wird Schütte dann schon mit am Tisch sitzen? 

 

Treffen sich die GWK-Staatssekretär
wieder ohne BMBF-Staatssekretär?

 

Die sogenannte Staatssekretärs-Arbeitsgruppe war schon immer ein sehr spezielles Gremium. Erstens, weil es sie offiziell gar nicht gibt. Zumindest ist sie in der GWK-Organisationsstruktur zwischen den Ministerrunden und dem Ausschuss der zuständigen Abteilungsleiter der Ministerien gar nicht vorgesehen. Doch hat sich die zweite Führungsebene über die Jahre eine Menge informelle Macht gesichert: In Form von "Bitten" erteilt sie dem Ausschuss Anweisungen, Papiere und Vereinbarungen auszuarbeiten, die erst dann an die Minister gehen, wenn die Staatssekretäre sie durchgewunken haben.  Zweitens macht die Staatssekretärs-AG skurril, dass in der GWK neben den Wissenschaftsministerien auch die Finanzministerien Mitglied sind, letztere sich aber bei den Staatssekretären  nie blicken lassen.

 

Zu diesen traditionellen Eigenartigkeiten kam seit Quennet-Thielens Entlassung Mitte Juli eine dritte hinzu: Der Staatssekretärsgruppe von Bund und Ländern war auf Bundesseite die Staatssekretärin abhanden gekommen. Noch beim AG-Treffen im Juni hatte Quennet-Thielen den Vorsitz geführt, bei der Sitzung im August musste ein Abteilungsleiter das BMBF vertreten, und keiner wusste: Was bedeutet das für den bevorstehenden heißen Herbst der Bund-Länder-Verhandlungen? In wenigen Monaten sollen die Nachfolger von Hochschulpakt, dem Qualitätspakt Lehre und des Pakts für Forschung und Innovation ausgehandelt sein. Aber durch wen eigentlich auf Bundesseite? Auf Länderseite befürchteten sie bereits spürbare Verzögerungen im eng gesteckten Zeitplan. Wobei sie womöglich gleichzeitig auch ganz froh sind über die aktuell mangelnde Strategiefähigkeit im BMBF. Denn die Länder selbst haben sich sogar innerhalb der politischen Lager bislang nicht auf gemeinsame Positionen einigen können, geschweige denn auf eine Gesamt-Länderposition.

 

Die Länder rechnen erste
Hochschulpakt-Modelle durch

 

Am Freitag werden nun erstmals durchgerechnete Verteilungsschlüssel für die künftige Verteilung der Hochschulpaktmittel auf dem Tisch liegen. Es geht darum, welches Land bei Anwendung welcher Vergabekriterien wieviel gewinnt oder verliert. Die verschiedensten "Parameter" und Kombinationen kursieren. Häufig genannt werden derzeit die folgenden: Anteil der Studenten in der Regelstudienzeit (plus zwei Semester); Anteil der Absolventen eines Landes an allen bundesweit; Zahl der Studienanfänger (wobei dieses Kriterium dem Ziel entgegenstünde, künftig stärker Qualität statt Quantität zu belohnen); Anteil der Studierenden aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland. Das Kalkül der Länder ist klar: Keines will bei dem Poker um geschätzte zwei Milliarden Euro jährlich als Verlierer rausgehen. Und vor allem daran entscheidet sich, welche Formeln welche Wissenschaftsminister besonders gut finden.

 

Der Bund steht demgegenüber unter Druck, eine wirkliche Weiterentwicklung zu präsentieren, Bundestagsabgeordnete von Regierung und Opposition  im Bundestag äußerten sich zuletzt ungeduldig. So sagte der forschungs- und bildungspolitischer Sprecher der CDU-/CSU-Fraktion, Albert Rupprecht, Ende Juni, Bundesgeld für die Nachfolge des Hochschulpakts werde überhaupt nur fließen, "wenn dies mit zusätzlichen Mitteln der Länder gegenfinanziert und transparent nachgewiesen wird." 


Vergangene Woche hatte dann eine parlamentarische Anfrage der FDP ergeben, dass das BMBF keine Kenntnis darüber hat, wie die Bundesländer die bislang geflossenen Hochschulpaktmittel auf die unterschiedlichen Hochschultypen aufgeteilt haben. "Im Rahmen ihrer Zweckbindung" liege die Weitergabe an die Hochschulen im Ermessen der Bundesländer, betonte der parlamentarische Staatssekretär Michael Meister. Der FDP-Politiker Jens Brandenburg kommentierte daraufhin, der Bundesregierung sei es "offensichtlich völlig egal", ob die Milliarden des Hochschulpakts überhaupt bei den Studenten ankämen. "Das ist eine fahrlässige Politik der Ahnungslosigkeit." 

 

Der grüne Wissenschaftsexperte Kai Gehring forderte zuletzt zum wiederholten Male eine Gleichberechtigung für die Hochschulen. "Die Neuaufstellung der Wissenschaftspakte sollte genutzt werden, um mit dem Prinzip Außeruniversitäre First, Hochschulen Second zu brechen", sagt Gehring, der Sprecher seiner Fraktion für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung  ist. "Wenn die außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu Recht auch künftig Jahr für Jahr Aufwüchse bekommen, dann darf man den Hochschulen das nicht verwehren."

 

Das BMBF steht unter
immer größerem Druck

 

Der sogenannten Dynamisierung des Hochschulpaktes hatte Ministerin Karliczek jedoch eine klare Absage erteilt. In der Antwort auf die FDP-Anfrage teilte ihr Staatssekretär Meister nun mit, die Bundesregierung strebe an, die Bereitstellung von Bundesmitteln an die Länder künftig an "nachvollziehbare Selbstverpflichtungen der Länder zu knüpfen. Darin sollen an Kennzahlen geknüpfte Ziele, Schwerpunkte, Maßnahmen und Instrumente, festgelegt werden." Darüber hinaus plant der Bund offenbar, neben der Rahmenvereinbarung zum Hochschulpakt zielgenaue Unter-Vereinbarungen mit jedem einzelnen Land abzuschließen. 

 

Die Rechenoperationen in den Ländern zeigen indes, dass bei der Auswahl der Kriterien für sie eine – nicht gerade inhaltliche – Zielstellung im Vordergrund steht: dass sie möglichst viel Geld abbekommen. Und das möglichst verlässlich, also unabhängig von irgendwelchen Konditionen, die zu Schwankungen führen. Weswegen einige Wissenschaftsminister eine sogenannte Kappung ins Gespräch bringen wollen, soll heißen: Welche Formel zur Mittelvergabe auch immer gefunden wird am Ende, Verluste und Gewinne gegenüber dem Status Quo sollen erst allmählich, womöglich über sieben Jahre gestreckt, wirksam werden. Das wiederum lehnt der Bund bislang ab. 

 

Das Feld für die morgige GWK-Sitzung ist also bereitet. Das Gefeilsche beginnt. Und es dürfte hart werden. Kurzum: Das BMBF könnte die Anwesenheit eines Staatssekretärs wirklich gut brauchen. Und zwar dringend. 


NACHTRAG am 20. September nachmittags:

Das BMBF bestätigt nun auf Anfrage offiziell, dass Staatssekretär Schütte morgen an der GWK-Sitzung teilnehmen wird. Eine wichtige, eine gute Nachricht.

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Kommentare: 1
  • #1

    Chris (Freitag, 21 September 2018 18:12)

    Tja. Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht? Immerhin ist es eine Nachricht.