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Mecklenburg-Vorpommern will Hochschulen von der Akkreditierungspflicht befreien

Die praktischen Folgen der Neuregelung dürften gering bleiben – aber der hochschulpolitische Rumms ist gewaltig.

SIE HABEN ES wirklich getan. Oder, genauer gesagt, sie sind kurz davor: Mecklenburg-Vorpommerns rot-schwarze Landesregierung will ihre Hochschulen von der Akkreditierungspflicht entbinden. So steht es im Entwurf einer Gesetzesnovelle, die sich derzeit in der Anhörung befindet. Den Hochschulen stehe es frei, "nach dem Reglement des bundesweit vereinbarten Studienakkreditierungsstaatsvertrages zu verfahren", heißt es in den Erläuterungen zu dem Entwurf, der das zuletzt 2010 angepasste Landeshochschulgesetz ändern soll. "Von der Pflicht zur Akkreditierung der Studiengänge werden sie jedoch befreit."

 

Landeswissenschaftsministerin Birgit Hesse (SPD) hat mit der Initiative die meisten ihrer Kollegen aus den anderen Bundesländern auf dem falschen Fuß erwischt. Offiziell hat sich bislang keiner geäußert, aber hinter vorgehaltener Hand ist von Unverständnis, ja Entgeisterung zu hören. Vor nicht einmal einem Jahr hat die Kultusministerkonferenz (KMK) den schmerzhaften Prozess einer Neuordnung des Akkreditierungssystems hinter sich gebracht, wie er ihr vom Bundesverfassungsgericht aufgetragen worden war.

 

Schmerzhaft war der Prozess vor allem deshalb, weil Hesses Vorgänger Mathias Brodkorb (ebenfalls SPD) mit aller Kraft versucht hatte, einen neuen Staatsvertrag zu verhindern. Nach der Landtagswahl 2016 war Brodkorb dann ins Finanzministerium gewechselt, und seine Nachfolgerin Hesse hatte den Weg zum Staatsvertrag per Enthaltung freigemacht. Auch die zum Staatsvertrag gehörende Musterrechtsverordnung hatte die Ministerin passieren lassen, indem sie nicht dagegen stimmte, sondern sich lediglich enthielt. Womöglich hatten die übrigen Wissenschaftsminister sich deshalb zu sicher gefühlt.

 

Dabei hatte Schweriner Koalition in ihrem Ende Oktober 2016 abgeschlossenen Vertrag die Marschrichtung bereits deutlich vorgegeben. Darin stand, ohne Frage von Brodkorb inspiriert, die neue Landesregierung werde "die Hochschulen von der Akkreditierungspflicht befreien und sich gleichzeitig dafür einsetzen, das System der Akkreditierung im Hochschulwesen neu aufzustellen". Es sei überaus bürokratisch, aufwändig und teuer, stattdessen sollten künftig die Hochschulen "unter besonderer Beteiligung der Studierenden wieder stärker die Verantwortung für die Qualität ihrer Studiengänge übernehmen können".

 

Das mit der Neuaufstellung, zumindest in dem von Brodkorb beabsichtigten Sinne, hat Mecklenburg-Vorpommern nicht geschafft, doch den Rest der Ankündigung – weg mit der Akkreditierungspflicht! – macht die Landesregierung nun wahr. Entsprechend weist Hesses Ministerium darauf hin, dass lediglich der Koalitionsvertrag von damals umgesetzt werde. Außerdem müssten die Hochschulen laut Gesetz auch weiterhin ihre Studiengänge "qualitätsgeleitet" gestalten und "Verfahren zur Qualitätssicherung durchführen". Hinzu kommt: Neben Mecklenburg-Vorpommern gibt es mit Sachsen bereits ein Bundesland, das 2008 die Akkreditierungspflicht aus dem Hochschulgesetz gestrichen hat. Also alles halb so wild, die Aufregung der anderen künstlich?

 

Nicht ganz. Zwar werden die praktischen Folgen der Novelle begrenzt bleiben, doch die hochschulpolitische Rumms ist dafür umso stärker. 

 

Zunächst zu den praktischen Folgen. Hesses Pressesprecher Henning Lipski verweist darauf, dass beide Landesuniversitäten – die in Rostock und die in Greifswald – inzwischen ohnehin systemakkreditiert seien. Das bedeutet, dass sie ein eigenes System der Qualitätssicherung haben, das von extern für gut befunden worden ist. In der Folge dürfen sie nun selbst Studiengänge akkreditieren, die Befreiung von der Akkreditierungspflicht auf Studiengangsebene wirkt sich also auf sie  gar nicht aus. 

 

Allerdings gibt es in MV unter anderem auch drei größere staatliche Fachhochschulen mit insgesamt rund 13.000 Studenten, und die könnten jetzt theoretisch ihre neuen Studiengänge ohne Akkreditierung einrichten. Täten sie es, würden sie allerdings die bundesweite Anerkennung ihrer Abschlüsse riskieren. Denn nur für die auf der Grundlage des Akkreditierungsstaatsvertrages akkreditierten Studiengänge haben sich die Länder gegenseitig die hochschulrechtliche Gleichwertigkeit garantiert. Auch die Auswirkungen auf Einstellungen und Eingruppierungen im öffentlichen Dienst wären potenziell dramatisch, weil nach der dort geltenden Entgeltordung ein Bachelor-Studiengang akkreditiert sein muss. Woraus folgt: Auch die Fachhochschulen werden sich dreimal überlegen, ob sie von ihrem Recht auf Nicht-Akkreditierung Gebrauch machen. Der Imageverlust wäre potentiell gewaltig, und die Studenten blieben wahrscheinlich weg, weil sie sich Sorgen um ihre Arbeitsmarktchancen machen würden. 

 

So gering also die praktischen Folgen für Hochschulen und Absolventen vermutlich sein werden, so krachend ist das bundespolitische Signal. Zwar stellt Mecklenburg-Vorpommern mit rund 40.000 nicht einmal zwei Prozent der bundesweit etwa 2,8 Millionen Studenten stellt, doch die zwischenzeitlich verstummten Akkreditierungsgegner dürften jetzt bundesweit wieder Auftrieb bekommen, vom Deutschen Hochschulverband (DHV) bis zu der Gruppe von Hochschullehrern, die vor zweieinhalb Jahren den damals heiß diskutierten "Heidelberger Aufruf" unterzeichnet hatten.

 

Besonders ärgerlich dürften sie darüber hinaus in der KMK sein, denn die Minister bemühen sich derzeit stark, echten Reformwillen zu demonstrieren. Nach dem Motto: Wir haben erkannt, dass die Öffentlichkeit mehr bundesweite Vergleichbarkeit, Transparenz und Abstimmung in der Bildungspolitik erwartet. Und nun das demonstrative Ausscheren Mecklenburg-Vorpommerns aus der Akkreditierung: einmal mehr richtig schlechte PR für den Bildungsföderalismus.

 

Jetzt haben erstmal Hochschulen, Gewerkschaften, Arbeitgeber und Verbände die Gelegenheit, ihre Rückmeldung zum Gesetzentwurf zu geben. Das könnte nochmal spannend werden. 

 

Das Wissenschaftsministerium von Birgit Hesse verkauft die geplanten Veränderungen am Hochschulgesetz derweil per Pressemitteilung als "die notwendigen Rahmenbedingungen, "um sich auch künftig in einem stärker werdenden nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten zu können". Ein mutiger Satz, wenn es demnächst doch schon mit der nationalen Anerkennung hapern könnte. 

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Kommentare: 3
  • #1

    insert your favourite name here (Dienstag, 16 Oktober 2018 20:31)

    Über die erratische Politik in Meckpomm kann man nur noch den Kopf schütteln. Erst vor wenigen Monaten haben sich die Staaten des europäischen Hochschulraums auf das Paris-Kommuniqué verständigt. Darin wurden drei „key commitments“ festgehalten, eines davon externe unabhängige Qualitätssicherung in Studium und Lehre. Bund und Länder haben dies mitgetragen.
    Meckpomm schert somit nicht nur aus deutschen, sondern auch aus europäischen Verständigungen aus. Dafür braucht man also gar keine AfD, wenn man meckpommsche Hochschulpolitik hat.

  • #2

    Herrmann (Mittwoch, 17 Oktober 2018 16:35)

    Faktisch werden auch die Fachhochschulen eine Akkreditierung durchlaufen müssen, um den Absolventinnen und Absolventen eine Chance auf den Einstieg in den Höheren Dienst und eine nationale wie internationale Anerkennung zu ermöglichen. Die Praxis wird sich also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ändern, aber der Sturm im Wasserglas wird - wieder einmal - unnötig entfacht.

  • #3

    McFischer (Montag, 22 Oktober 2018 08:52)

    Es bleibt mir auch rätselhaft, warum MeckPomm einen Kampf gegen Windmühlen führt. Die Akkreditierung ist mittlerweile fast flächendeckend implementiert und wird auch von den Hochschulen und Lehrenden weit überwiegend akzeptiert. Aus dieser letztlich europäischen Vorgabe auszuscheren, ist Kleinstaaterei im besten Sinne. Und zumindest in der Lehrerbildung ist Akkreditierung unabdingbar, sonst können Absolventen/-innen nicht in andere Bundesländer wechseln.