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Beredtes Schweigen im BMBF

Die mit Getöse angekündigte Agentur für Sprunginnovationen sollte schon im Dezember gegründet werden, dann hieß es, sie kommt im Januar. Passiert ist bis heute nichts. Was läuft da schief?

ES GIBT DA DIESEN berühmten Satz des Philosophen Paul Watzlawick: "Man kann nicht nicht kommunzieren." Was er praktisch bedeutet, kann man derzeit an der Pressearbeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beobachten. Man muss nur nach dem Thema Agentur für Sprunginnovationen fragen.

 

Es war an einem Spätsommertag Ende August, als BMBF-Chefin Anja Karliczek (CDU) zusammen mit ihrem Kollegen Peter Altmaier (ebenfalls CDU) aus dem Bundeswirtschaftsministerium vor dem Kanzleramt stand und verkündete: "Es ist ein guter Tag für Deutschland." Das Kabinett habe soeben beschlossen, "eine Agentur der Denker und Macher" zu gründen. "Wir wollen neue Produkte, neue Geschäftsmodelle und vor allem neue hochwertige Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Wir wollen der Welt zeigen: Zukunft wird in Deutschland gemacht." Die Agentur werde "mit einem kräftigen Rückenwind auf Mission geschickt." Sie solle, so teilten BMBF und Wirtschaftsministerium mit,  noch 2018 gegründet werden, um dann Anfang 2019 starten zu können.

 

Ein halbes Jahr später bekommt man kein Statement der Ministerin, wenn man sich offiziell nach dem Stand der Agentur erkundigt. Stattdessen schickt die Pressestelle auf einen Katalog von Fragen eine dürre Erklärung, die auf diese nicht direkt eingeht und noch dazu mit einem skurrilen Satz beginnt. "In der Tat soll eine Agentur für Sprunginnovationen errichtet werden." Es geht so ähnlich weiter: Die Vorbereitungen und "die Entwicklung der von Ihnen angesprochenen Details" seien im vollen Gange, dauerten jedoch an. Weshalb man zu diesem Zeitpunkt leider keine weiteren Informationen geben könne, wofür man um Verständnis bitte. "Wir informieren aber auf den Internetseiten des BMBF, sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind."

 

Der Rückenwind für die
"Mission Sprunginnovation" ist weg

 

Im Sinne von Watzlawick könnte man auch sagen: Deutlicher kann das BMBF nicht eingestehen, dass die Mission Sprunginnovationen den von Karliczek beschworenen Rückenwind offenbar komplett eingebüßt hat. Schlimmer noch: Offenbar steht die Umsetzung des Agentur-Projekts vor so großen Schwierigkeiten, dass jede Detail-Auskunft zu diesem Zeitpunkt nur Peinlichkeiten an die Öffentlichkeit befördern würde.

 

So ließ das BMBF nicht nur meine Frage nach dem derzeit angestrebten Gründungstermin unbeantwortet. Der war zunächst von Dezember auf Januar verschoben worden. Das Ministerium will sich auch nicht zu den Gründen äußern, warum man noch im November der Meinung war, zumindest zu Jahresbeginn gründen zu können, wie aus der Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage der Grünen hervorgeht, und was in der Zwischenzeit schiefgegangen ist. Ebenfalls keine Antwort auf die Frage, ob es bei der im Sommer von Karliczek noch sehr konkret beschriebenen Struktur bleibt – mit "zwei Geschäftsführer an der Spitze und dann Innovationsmanager, die sich um die konkreten Projekte kümmern".

 

Solange das Ministerium und die Ministerin so beredt schweigen, kann man freilich über die Hintergründe nur spekulieren. Man kann vermuten, dass die von Karliczek im Sommer vorgenommene Umstrukturierung des Ministeriums erhebliche Bremsspuren erzeugt hat, weil unmittelbar nach dem Kabinettsbeschluss auch die Zuständigkeiten für die Agenturgründung in völlig neue Hände kamen.

 

Wenig hilfreich war sicherlich zudem, dass der zuständige neue BMBF-Staatssekretär Christian Luft erst Anfang Oktober startete, weil Karliczek seine Vorgängerin Cornelia Quennet-Thielen über den Sommer entlassen hatte.

 

Haben BMBF und Wirtschaftsministerium
den nötigen Kraftakt unterschätzt?

 

Und auch wenn Karliczek und Altmaier, deren Ministerien das Projekt gemeinsam verantworten, im Sommer demonstrativ "mehr Mut, mehr Zuversicht" beschworen "und den festen Willen, neue Wege zu gehen", so haben sie praktisch wohl doch unterschätzt, welchen Kraftakt es bedeutet, die Agentur gegenüber einer ans Herkömmliche gewöhnten Finanzverwaltung (bis hin zum Bundesrechnungshof) durchzusetzen. Haben dort wirklich schon alle verstanden, was disruptive oder – politisch korrekter – was Sprunginnovationen sind und warum Deutschland auf sie angewiesen ist?

 

Im Sommer hatte ich die Grundidee der Agentur, wie sie der Kabinettsbeschluss skizzierte, beschrieben. Für staatliche Verhältnisse, berichtete ich, sollte die neue Einrichtung bislang ungekannte Freiheiten genießen. Die Tarifregeln des öffentlichen Dienstes sollten für sie nicht gelten, ihre Mitarbeiter keine Karrierebeamten oder Verwaltungsfachleute sein, sondern hochqualifizierte Freigeister, die auf maximal fünf oder sechs Jahre befristet eingestellt werden und dafür Spitzengehälter beziehen sollten.

 

Diese "Innovationsmanager" sollten den Plänen zufolge wie die Agentur enorme Gestaltungsspielräume erhalten, dem sie aus ihrer Sicht passende "Spitzenprojekte“"anschieben und die aus ihrer Sicht am besten geeigneten Projektteams aus Hochschulen, Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen aussuchen. Die Innovationsmanager sollten entscheiden, wer wieviel Geld bekommt, sie kontrollieren, ob Projekte fortgeführt oder beendet werden.

 

Damals folgerte ich: "Die Idee der Innovationsmanager steht symbolhaft für die Fragen, an denen sich der Erfolg der Agentur erweisen wird: Schaffen es Forschungs- und Wirtschaftsministerium wirklich, die Agentur und die Manager so frei arbeiten zu lassen, wie sie es jetzt versprechen? Schafft die Agentur es, attraktiv genug für solche Leute zu sein? Dürfen sie ihre Budgets so frei vergeben, wie es nötig ist, ohne dass Rechnungshof und Finanzministerium ihnen aufs Dach steigen?"

 

Staatssekretär Meister nennt dann doch
ein neues Gründungsdatum

 

Die Fragen haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, erschreckend wenig. Klar ist: Das BMBF und Wirtschaftsministerium können sich nicht mehr lange wegducken. Nicht bei einem Vorhaben, das Anja Karliczek bis in den Herbst hinein als eines ihrer Leuchtturmprojekte für 2019 und darüber hinaus verkaufte. Jetzt droht es zu einem weiteren Beleg zu werden, dass Karliczek knapp einem Jahr nach ihrem Amtsantritt immer noch nicht Tritt gefasst hat.

 

Noch größer wird der Druck dadurch, dass das Zwillingsprojekt, die Gründung einer Agentur für Cybersecurity, die in derselben Kabinettssitzung beschlossen wurde, deutlich weiter ist. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatten Ende Januar mitgeteilt, dass die neue Einrichtung in der Region Halle-Leipzig angesiedelt werden soll. Die Presseresonanz war enorm.

 

Immerhin, gestern Abend, ausgerechnet im Rahmen einer von der FDP-Bundestagsfraktion organisierten Diskussionsveranstaltung*, gab es dann noch ein paar Antworten. Michael Meister (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, hatte seine Teilnahme schon vor längerer Zeit zugesagt, Thema: "Agentur für Sprunginnovationen – zahnloser Tiger oder radikale Neuerung?" Und so stand Meister vor dem 200-köpfigen Publikum und teilte mit: Die Gründung der Agentur sei jetzt erst für "Mitte des Jahres" geplant, Ziel sei, dass sie bis Ende 2019 handlungsfähig sei. Doch vorher müsse man noch eine Leitung finden. Und unter anderem um diese zu finden, solle wiederum vorher eine politikferne Gründungskommission eingerichtet werden. Die dann später als Beirat der Agentur fungieren soll. 

 

All das könnte man so interpretieren, als wolle oder müsse das BMBF weiter auf Zeit spielen. Zumindest aber kann man fragen, weshalb man erst sechs Monate nach dem Kabinettsbeschluss daran geht, eine Gründungskommission einsetzen zu wollen. Doch Meister wurde dann auch noch inhaltlich konkreter: Die Agentur solle als privatrechtliche GmbH gegründet werden, was nicht neu ist. Neu ist aber, dass auch die einzelnen Innovationsmanager offenbar ihr Budget in eigenen kleinen GmbHs verwalten sollen.

 

Tatsächlich, so ist informell aus dem BMBF zu hören, laufen jetzt an allen Ecken und Enden Gespräche, es treffen sich Planungsrunden, um die Kuh möglichst bald vom Eis zu holen. Bis dahin jedoch, so kann man aus der Pressearbeit des Ministeriums schließen, hat man beschlossen, offiziell weiter auf Watzlawick zu machen. 


*Offenlegung: Ich habe besagte Podiumsdiskussion moderiert.

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Kommentare: 13
  • #1

    Zukunftsmusiker (Donnerstag, 14 Februar 2019 12:18)

    Warum die Ungeduld? Ein politikferner Beirat ist genau richtig. Lieber nimmt man sich etwas mehr Zeit und macht es richtig.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 14 Februar 2019 12:40)

    Nicht der Beirat ist das Problem und auch nicht, falls es aus guten Gründen länger dauern sollte. Das Problem ist, wenn man sich erst selbst einen offiziellen Zeitplan setzt und Erwartungen weckt, um dann nicht von selbst transparent zu machen, dass und weswegen der Zeitplan nicht hält.

  • #3

    Zukunftsmusiker (Donnerstag, 14 Februar 2019 13:19)

    Dieses Thema ist für das BMBF völlig neu. Und darüber hinaus für ganz Deutschland neu (mit Ausnahme von vielleicht einer Handvoll von Leuten, die sich damit wirklich auskennen). Deshalb ist verständlich, dass man im BMBF die Vorbereitungszeit anfangs unterschätzt hat. Es lauern viele Sprengfallen: Rechnungshof, Begehrlichkeiten von etablierten Spielern (die diese Art von Innovation aber nicht beherrschen; ich denke da an Fraunhofer, Helmholtz, usf.), falsche Auswahl der Geschäftsführer (mit dann absehbaren Folgeschäden bei weiteren Personalentscheidungen), etc. Lieber in Ruhe entschärfen.

    Ich stimme Ihnen aber zu, dass das BMBF besser daran getan hätte, die Verschiebung von sich aus transparent zu machen. Alles andere war eine Steilvorlage für tüchtige, investigativ arbeitende Wissenschaftsjournalisten. Davon gibt es in Deutschland zwar nicht so viele; aber Sie sind ein solcher.

  • #4

    Manfred Ronzheimer (Donnerstag, 14 Februar 2019 18:51)

    In den Feldern Technologietransfer und Wissenschaftskommunikation wollte Frau Karliczek neue Akzente setzen. Was der Verschiebebahnhof Sprungagentur für den Transfer, ist das Futurium neben dem BMBF für die Kommunikation. Die schon auf Fj 2019 verlegte Eröffnung ist nun auf den September verschoben worden.

  • #5

    tmg (Donnerstag, 14 Februar 2019 19:26)

    Schadet auch nichts, wenn das Projekt Sprunginnovation gar nicht erst ins Laufen kommt. Das ist alles purer Krampf. Man kann Forschungsergebnisse nicht herbeiorganisieren.

  • #6

    Klaus Diepold (Freitag, 15 Februar 2019 09:29)

    Wenn ich mir ansehe, wie stark das Konzept der Agentur für Sprunginnovation auf den überrangenden Kompetenzen von Individuen aufgebaut ist, dann kann ich mir gut vorstellen, dass alleine die Suche nach derartig qualifizierten Personen schwierig ist. Noch dazu, wenn diese Supermänner und Superfrauen dann eine Anstellung in einem staatlich geordneten und regulierten Unternehmen erhalten sollen. Da tut sich der Staat schon schwer konkurrenzfähig zu sein. Die Besoldung von Überflieger-Profs ist bereits heute ein Problem, wegen gesetzlich garantierter Obergrenzen für deren Bezahlung.

    Wenn ich mich in die Lage versetze von Sprunginnovations-Superman oder -Superfrau, dann stelle ich mir die Frage, warum ich meine Superkräfte nicht einfach in der freien Wirtschaft versilbere, statt mich in einen hochregulierten Apparat einzubetten, wo ich mich dann vor Bürokraten rechtfertigen muss.

    Ich gehe fast schon so weit zu sagen, dass ich skeptisch bin ob eine Person, die diesen Job übernehmen will, wirklich die Fähigkeiten dazu hat ... Und das kann das BMBF auch schlecht zugeben.

    Also, das wäre meine Theorie, warum sich die Umsetzung der Agentur möglicherweise noch eine Weile hinziehen kann.

    Cetero censeo ... die Idee eine Agentur für Sprunginnovationen einzurichten ist eine Schnapsidee ...

  • #7

    Zukunftsmusiker (Freitag, 15 Februar 2019 10:37)

    @ Klaus Diepold

    Grundsätzlich unmöglich ist so eine Einrichtung nicht, siehe DARPA oder auch private Pendants wie PARC/ Apple. Alle haben Sprunginnovationen hervorgebracht. Die privaten mit einer starken Designkomponente, was auch richtig ist weil dort nicht Vater Staat als einziger Kunde auftrat.

    Allerdings ist sehr die Frage, ob so etwas in Deutschland geht. So weit gebe ich Ihnen Recht. Die deutsche Kultur ist viel rigider, und die deutsche Wirtschaft beherrscht diese Art von Innovation eben nicht. Die Erfolgsaussichten liegen bei unter 50%. Aber nicht bei 0% … Die Agentur ist eben, für deutsche Verhältnisse, selbst eine Sprunginnovation.

  • #8

    Klaus Diepold (Freitag, 15 Februar 2019 19:59)

    @Zukunfstmusiker
    Ich bin nicht der Ansicht, dass die Kultur in Deutschland nicht geeignet ist Sprunginnovationen hervorzubringen. Dazu gehören allerdings viele Komponenten, die passen müssen.

    DARPA, PARC, oder vergleichbare Einrichtungen sind aber nicht damit angetreten, Spronginnovationen zu fördern, sondern habe an Innovationen gearbeitet bzw. Wettbewerbe/Challenges ausgeschrieben. Letzteres ist eine alte und bewährte Methode,die schon die Royal Society in England einsetzte, um die Suche nach Lösungen z.B. für das Längegradproblem zu ermutigen.

    Das Problem im vorliegenden Fall besteht aus meiner Sicht, dass irgendwelche Gurus frühzeitig Sprunginnovationen erkennen sollen und sie dann fördern. Sprunginnovationen haben eben genau die Eigenschaft, das man sie erst als solche erkennt, wenn sie praktisch schon da sind. Vorher sind das oft ganz unscheinbare Innovationen, die nicht mal Aufmerksamkeit erhaschen. Welche Sprunginnovationen wurden denn früh erkannt und dann durch Förderung zum Springen gebracht?

    Innovation ist z.T. eine Lotterie (sprich: ein Zufallsprozess). Die Gewinnchancen wachsen nur dadurch, dass man mehr Lose kauft und die Anzahl der Chancen vergrößert und nicht in dem man in die Kristallkugel guckt (sprich: Experten befragt) um zu sehen was als Nächstes groß rauskommt. Gigerenzer hat schon gezeigt, dass in dieser Dimension selbst die Experten auch nur raten und nicht besser Vorhersagen können als Nicht-Experten. Fooled by Randomness ...

  • #9

    Zukunftsmusiker (Samstag, 16 Februar 2019 13:08)

    @Klaus Diepold

    Ich lese gern Ihre Beiträge in diesem Blog; aber hier bin ich entschieden anderer Auffassung. Gestützt auf jahrelange eigene Erfahrung wie auf eine Auswertung der relevanten Innovationsforschung. Ich gehe etwas ausführlicher ein auf Ihren jüngsten Beitrag, weil ich ihn respektiere und er die Auseinandersetzung lohnt.

    "Innovation ist z.T. eine Lotterie (sprich: ein Zufallsprozess)."

    Stimmt, aber das "z.T." ist entscheidend.

    "Die Gewinnchancen wachsen nur dadurch, dass man mehr Lose kauft und die Anzahl der Chancen vergrößert"

    Stimmt nicht mehr, wegen des "nur". Mehr Lose zu kaufen ist eine Strategie, aber eben nicht die einzige. Eine andere, und um die geht es hier vor allem, ist Alan Kays "The best way to predict the future is to invent it". Das genaue Gegenteil, eben anti-stochastisch.

    "und nicht in dem man in die Kristallkugel guckt (sprich: Experten befragt) um zu sehen was als Nächstes groß rauskommt"

    Man darf eben keine "Experten" befragen, sondern muss Erfinder oder unternehmerische Forscher befragen. Das ist ein Riesenunterschied: Erfinder/ Unternehmer beweisen regelmässig, dass nahezu sämtliche "Experten" in ihrer Domäne falsch gelegen haben. Fooled by experts! Solche Leute sind selten, aber es gibt sie. Diese Agentur wird dann und nur dann erfolgreich sein, wenn sie diese Leute, mit disziplinierter Phantasie und intrinsischer Motivation, findet und an sich bindet. Das sind keine "Gurus mit Kristallkugel" wie Sie sie despektierlich nennen, sondern Systemdenker, d.h. vom Denkstil her das genaue Gegenteil von Experten. Steve Jobs war ein solcher Systemdenker; and er hat für Apple diese Leute gezielt rekrutiert. Ein Erfolgsrezept von Apple war immer, dass dort "Experten" für Designer arbeitet anstatt umgekehrt. Ähnlich bei PARC et al., die natürlich auch gezielt an Sprunginnovationen gearbeitet haben (z.B. graphische Benutzeroberfläche). Ihre empirischen Thesen zu diesen Unternehmen sind nicht stichhaltig, wie jeder Blogleser schnell selbst z.B. in den relevanten Wikipedia-Artikeln nachlesen kann.

    "Vorher sind das oft ganz unscheinbare Innovationen, die nicht mal Aufmerksamkeit erhaschen. "

    Stimmt manchmal, aber eben nicht immer. Es gibt nicht "den" Mechanismus der zu Innovationen führt, sondern eben mehrere, die sogar konträr verlaufen!

    "Welche Sprunginnovationen wurden denn früh erkannt und dann durch Förderung zum Springen gebracht?"

    Das ist wieder die technologie-deterministische Denke. Es geht nicht ums "Erkennen" sondern ums "Selber Machen" bzw. ums gezielte Beauftragen, Gestalten, Anstoßen. Die Geschichte von DARPA, PARC, Apple etc. ist voll von Beispielen. Oder sehen Sie sich aktuell im Gesundheitsbereich an, wie manche "Business Development Companies" z.B. im Silicon Valley arbeiten.

    Die versteckte Prämisse in Ihrer Argumentation ist, was innovationsforscher "technologischen Determinismus" nennen. Dieser ist in Deutschland besonders verbreitet, aber empirisch widerlegt. In den USA ist man längst weiter! Innovation is viel komplexer. Lesen Sie mal "Pasteur's Quadrant", um nur ein Fachbuch zu nennen. Durchbrüche entstehen häufig dann, wenn Angewandte und sogar Grundlagenforschung "use-inspired" erfolgt. Also vom Menschen und seinen Bedürfnissen ausgeht, nicht von Technologie. Hasso Plattner hat das früh verstanden, anders als viele seiner deutschen Ingenieure bei SAP, und deshalb Designprogramme in Palo Alto und Potsdam gegründet (die ihre Schwächen haben, aber in die richtige Richtung gehen). Und hier wären wir wieder bei meiner kulturellen These, die Sie ablehnen aber für die Sie ohne das gewollt zu haben einen Beleg liefern. Es wäre viel leichter, diese Agentur zwar für Deutschland aber in den USA aufzubauen. Aus kulturellen Gründen wie aus politischen (dort wäre die Sache weniger leicht anzugreifen von deutschen Platzhirschen wie Fraunhofer etc.).

  • #10

    Klaus Diepold (Samstag, 16 Februar 2019 16:33)

    @Zukunftsmusiker

    Vielen Dank für die klugen Erwiderungen, denen ich kaum etwas hinzufügen kann. Lediglich, dass ich in fast allen Punkten mit Ihnen übereinstimme. Ich denke, dass ich es nicht geschafft habe, meine Skepsis gegenüber der Einrichtung einer Agentur klar zum Ausdruck zu bringen.

    Genau so wie Sie das beschreiben, sehe ich das auch - nicht Experten entscheiden über Innovationen im Rahmen einer Begutachtung (à la EU), sondern die Innovatoren, die an ihre Ideen glauben und die Kunden finden, die ihre Vorschläge lieben und aufnehmen. Steve Jobs ist ein gutes, wenn auch überstrapaziertes Beispiel.

    Innovation ist ein Zufallsprozess (Trial & Error, Prozesse vergleichbar zur Evolution) und Innovatoren können Wahrscheinlichkeiten beeinflussen, aber einen wie auch immer geformten Determinismus gibt es hier nicht. Wenn ich den Eindruck vermittelt habe, dass ich das glaube, dann ist das diametral zu dem wovon ich überzeugt bin.

    Bezüglich der Kultur gebe ich Ihnen insofern Recht, dass ich nicht an die Wirksamkeit einer Agentur glaube, eben weil die nicht zum Wesen der Innovation passt, auch wenn Sie der Kultur in Deutschland entspricht.

  • #11

    Zukunftsmusiker (Samstag, 16 Februar 2019 18:02)

    @ Klaus Diepold

    Es freut mich, daß wir nach zivilisierter & nuancierter Diskussion "common ground" gefunden haben. Das wünscht man sich immer, aber es gelingt zu selten!

  • #12

    Klaus Diepold (Sonntag, 17 Februar 2019 07:40)

    Never give up hope! :-)

  • #13

    0skar (Dienstag, 19 Februar 2019 19:32)

    Hm, üblicherweise gebe ich meinen Senf nur ungern bis gar nicht in Blogs zum Besten.
    Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle zunächst mal die angenehmen Umgangsformen hier loben.
    Es tut gut, in dieser Welt voll lauter, undifferenzierter, schlagzeilenreduzierter Kakophoniker auf kultivierte Oasen zu treffen!!! :-)
    Nun aber vielleicht noch ein paar inhaltliche Anmerkungen:
    Ich beschäftige mich schon aus Profession mit dem Thema "Innovationen". Hierbei ist mir aufgefallen, dass Benefit bringende Trial & Error-Ergebnisse leider noch keine Innovationen darstellen. Erfindungen ja, aber keine Innovationen. Eine Innovation, die sich über das Ergebnis von Trial & Error definiert ist zunächst lediglich eine Erfindung. Die Innovation ist erst dann umgesetzt, wenn der gesamte Innovationsprozess erfolgreich umgesetzt wurde. Dazu bedarf es auch kaufmännische Fähigkeiten. Diese sind in Ministerien oder Ämtern nur selten zugegen, was in der Natur der Sache liegt, also in den dort tätigen Personen mit ihren meist nicht auf Märkte fokussierten Kompetenzen.
    Daher wird versucht, diese Defizite über kompetente Köpfe aus Wirtschaft und Wissenschaft zu kompensieren. Die Schwierigkeit hierbei ist, Köpfe zu finden, welche hinreichen visionär sind, den innovativen Ansatz von Erfindungen zu identifizieren. Mir ist aufgefallen, dass das auch eine Frage der Übung ist. Und hier liegt das Problem. Viele von denen, welche als Gutachter und Berater eingekauft werden, hatten mal eine glückliche Hand, glauben an bestimmte Modelle und sind auf ihre Art erfolgreich, jedoch oft auf ihrer monokulturellen Schiene unterwegs.
    Ich hatte das (seltene!) Glück, Menschen sowohl mit Marktorientierter Denke als auch mit einem guten Riecher für innovative Ideen zu treffen. Das sind aber oft nicht die, die publikumswirksam im Rampenlicht stehen und somit auch nicht unbedingt ministeriellen, öffentlichkeitswirksamen Ansprüchen gerecht werden (Politik muss sich ja leider auch verkaufen...).
    Ergo fürchte ich mich vor einer ministeriellen "Höhle der Löwen" und hoffe auf nachhaltigere Ansätze, die sich nicht auf kurzlebige, auf die Legislaturperiode termierte cash cows fokussieren.
    Eine Grundlage dafür ist durch die Berufung des dafür zuständigen Referatsleiters bereits gemacht. Wenngleich langjähriger Mitarbeiter im BMBF, ist er einer von denen mit der o.a. visionären Übung. Ich hoffe, dass dieser die nötigen Freiräume und Mittel für seine Ideen bekommt.

    Viele Grüße,

    Ihr/Euer Oskar