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"Ich bin kein Haudrauf"

Die SPD-Forschungspolitikerin Manja Schüle über die Agentur für Sprunginnovation, den Standort-Streit und ihre Rolle als Abgeordnete in der Gründungskommission.

Die promovierte Politikwissenschaftlerin Manja Schüle, seit 2017 im Bundestag, ist die einzige direkt gewählte SPD-Abgeordnete Ostdeutschlands und Mitglied im Bundestags-Forschungsausschuss. Foto: Karoline Wolf. 

Frau Schüle, Sie sind direkt gewählte Abgeordnete für Potsdam und haben sich in der Gründungskommission der neuen Agentur für Sprunginnovation für Potsdam als Standort eingesetzt. Sehen Sie da einen Interessenkonflikt?

 

Nein, den sehe ich nicht. Ich bin nicht als Wahlkreisabgeordnete in die Kommission gewählt worden, sondern als Forschungspolitikerin und als stellvertretende Fraktionssprecherin für das Thema. Und ich habe mich gern engagiert, weil ich die Agentur für eine der wichtigsten innovationspolitischen Initiativen der Bundesregierung überhaupt halte.

 

In der Gründungskommission saßen nur zwei Abgeordnete, Sie für die SPD und der Stuttgarter Stefan Kaufmann für die CDU. Sie beide haben jeweils öffentlich für Ihren eigenen Wahlkreis als Sitz für die Agentur plädiert. Zufall?

 

Ich habe mich in der Presse erst geäußert, nachdem die Kommission Mitte Juli ihre Empfehlung beschlossen hatte, und zwar einstimmig. Die lautete: Berlin-Brandenburg soll Sitz der Agentur werden. In der Kommission saßen insgesamt zwölf Mitglieder. Das Argument, ich hätte da irgendwas im Alleingang durchgesetzt, geht also daneben. 

 

"Ich bin von meiner Mutter gut erzogen worden,
deshalb verbietet sich eine Kommentierung"

 

Der FDP-Forschungspolitiker Thomas Sattelberger hat gestern von einer "Verrohung der Sitten" gesprochen und Ihre Ablösung aus dem inzwischen offenbar nominierten Aufsichtsrat der Agentur gefordert.

 

Ich bin von meiner Mutter gut erzogen worden, deshalb verbietet sich eine Kommentierung dieser Wortmeldung. Nochmal: Wir haben als Gründungskommission einstimmig für Berlin-Brandenburg votiert, das war keine One-Woman-Show von Manja Schüle. Dass ich aus Potsdam komme, war kein Geheimnis in der Kommission, in der wir die ganze Zeit über sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Es ging in keiner Sitzung um irgendwelche Partikularinteressen gleich von wem, sonst hätten wir auch nie das einstimmige Votum für Gründungsdirektor und Standort hinbekommen.

 

Aber Sie haben sich doch, wie Sie selbst einräumen, schon in den Sitzungen der Kommission für Potsdam stark gemacht, nicht erst danach.

 

Der Bundesregierung lag eine gemeinsame Bewerbung der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg vor, unterzeichnet von den Regierungschefs Müller und Woidke, die war sachlich und fachlich gut begründet. Und ja, ich habe die dazu gehörende positive Standortbewertung als Kommissionsmitglied von Anfang an unterstützt, weil ich sie plausibel und überzeugend fand. So, wie andere Kommissionsmitglieder auch. Etwas Anderes ist es, dass ich nun, nachdem die Kommission ein Votum abgegeben hat, als zuständige Wahlkreisabgeordnete darauf poche, dass dieses auch ernstgenommen wird.

 

"Ich werde mich dafür engagieren, dass die
Empfehlung nicht als Ratschlag disqualifiziert wird"

 

Womit Sie darauf anspielen, dass der designierte Gründungsdirektor der Agentur, Rafael Laguna de la Vera, in der Wirtschaftswoche betonte, die finale Standort-Entscheidung treffe er.

 

Ich bin kein Haudrauf, aber ich werde mich dafür engagieren, dass die einstimmige Empfehlung der Gründungskommission für die Metropolregion Berlin nicht als Ratschlag disqualifiziert wird. 

 

Die Gründungskommission hat aber auch beschlossen, die endgültige Standortauswahl "im Einvernehmen mit dem Gründungsdirektor getroffen werden". Heißt das nicht, das Laguna das letzte Wort hat?

 

Natürlich hat er mitzureden. Das ist eine Frage, die auf Augenhöhe besprochen werden muss. Ich habe Herrn Laguna als einen Mann schätzen gelernt, der nicht nur forschungspolitisch denkt, sondern auch den gesellschaftspolitischen Nutzen im Blick hat. Herr Laguna kann vernetzt denken, deshalb verbietet es sich, ihn zu übergehen bei der Standortentscheidung. Aber umgekehrt bin ich mir auch sicher, dass Herr Laguna das eindeutige Standortvotum der Kommission nicht einfach so übergehen wird.

 

Was bedeutet das konkret?

 

Ich setze darauf, dass Potsdam ihn überzeugen wird. Nächste Woche kommt Herr Laguna in die Stadt, und ich bin optimistisch, dass wir ihm dann erfolgreich all die Stärken und Vorzüge präsentieren werden, die Potsdam zu bieten hat. Genau die Vorzüge, die auch die Gründungskommission als Ganzes überzeugt haben.

 

Und wenn Laguna sich am Ende trotzdem gegen Potsdam und zum Beispiel für Leipzig entscheidet, werden Sie das akzeptieren?

 

Dann wird man sich nochmal zusammensetzen müssen, das heißt: Herr Laguna und die beiden zuständigen Ministerien. Wenn zwölf Kommissionsmitglieder sich einstimmig anhand objektiver Kriterien für Berlin-Brandenburg aussprechen, zwölf gestandene Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, dann hat das einen Wert.

 

"Ich persönlich sehe mich
als Ermöglichungspolitikerin"

 

Es klingt nicht so, als hätte Herr Laguna Ihres Erachtens den Freiraum, den er selbst bei der Entscheidung sieht. Welche Rolle sollte die Politik eigentlich insgesamt bei der Agentur für Sprunginnovationen spielen?

 

Einen zurückhaltenden, das sehen Sie doch auch schon an der Tatsache, dass wie gesagt nur zwei von zwölf Mitgliedern der Gründungskommission Parlamentarier waren. Ich persönlich sehe mich als Ermöglichungspolitikerin; mein Ziel besteht darin, der Agentur Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wer sich mit dem Thema Sprunginnovationen beschäftigt hat, weiß, dass die meisten der geförderten Projekte zwangsläufig scheitern werden, scheitern müssen – weil Erfolge sich nicht erzwingen lassen, sondern nur hin und wieder passieren. Genau darum ist es so wichtig, dass die Agentur auch weiterhin uns Forschungspolitiker hinter sich weiß, die sie im Zweifel schützen können, wenn Kritik kommt. 

 

Passt der gerade offen ausgetragene Standort-Streit zu dieser zurückhaltenden Gangart?

 

Ich habe diesen Streit nicht provoziert. Denn Sie haben Recht: Was die Agentur gerade am allerwenigsten braucht, ist ein Konflikt. Sie braucht die größtmögliche Unterstützung von allen Seiten, um ein Erfolg zu werden. Ich werde immer an der Seite der Agentur und des Gründungsdirektors stehen. Aber eines muss ich doch auch sagen: In die Agentur werden beträchtliche Steuermittel fließen, da ist es angemessen und richtig, dass die Politik, dass die gewählten Volksvertreter mit am Tisch sitzen. 

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Kommentare: 4
  • #1

    Klaus Diepold (Dienstag, 20 August 2019 10:44)

    Es zeichnet sich trotz gegenteiliger Behauptungen ab, dass der gute Herr Laguna sich noch über weitere Diskussionen über alles Mögliche mit der Politik freuen darf.

    Was ich nicht verstehe ist, welchen Einfluß der Standort auf die Arbeit der Agentur haben soll. Da geht es doch eher um Prestige, also den Nutzen für den Standort, als umgekehrt.

    Übrigens bin ich der Meinung, dass die Standortfrage per Los entschieden werden sollte.

  • #2

    Key Pousttchi (Dienstag, 20 August 2019 19:08)

    Man kann ja sowohl über das Konzept SprinD als auch über politische Entscheidungsprozesse, Regionalproporze usw. verschiedene Meinungen haben.

    Aber wenn man denn so ein Konzept will und dafür viel Steuergeld in die Hand nimmt, muß es a) eine Erfolgschance, b) internationale Augenhöhe und c) maximale Vernetzung haben. So gut auch andere Standorte prinzipiell sein mögen und so "ungerecht" das erscheinen mag: Damit ist ein Standort fernab von Berlin eben auszuschließen.

    Wenn man dort nicht in die Stadtmitte will, wo man neben einer Vielzahl von Einrichtungen untergehen (und vielleicht auch etwas zu nah an Lobby und Politik sein) könnte, drängt sich aus verschiedensten Gründen Potsdam geradezu auf.

    Ich finde den Einsatz von Frau Schüle - und auch die Art ihrer Kommunikation - aller Ehren wert.

  • #3

    David J. Green (Mittwoch, 21 August 2019 09:12)

    In ihrem Zusammenhang eingebettet ist die Aussage "[D]ie meisten der geförderten Projekte [müssen] zwangsläufig scheitern, […] weil Erfolge […] nur hin und wieder passieren. Genau darum ist es so wichtig, dass die Agentur auch weiterhin uns Forschungspolitiker hinter sich weiß, die sie im Zweifel schützen können, wenn Kritik kommt" ziemlich starker Tobak.

  • #4

    Klaus Diepold (Mittwoch, 21 August 2019 11:39)

    ... was in mir die Frage triggert, anhand welcher Aspekte der Erfolg bzw. der Misserfolg der Agentur bemessen werden soll. Es kann ja kaum einen Freibrief für Misserfolg geben.

    Irgendwo muss es bei dieser Aktion "Skin-in-the-Game" geben. Würde z.B. Frau Schüle ihre politische Karriere für die Agentur aufs Spiel setzen ... ? Welche Risiken ist Herr Laguna bereit für die Agentur auf sich zu nehmen?