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Wirkt sie oder wirkt sie nicht?

2016 wurde das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novelliert, auch um die Zahl der Kettenverträge einzudämmen. Hat das funktioniert? Vielleicht ein bisschen, besagt eine von der GEW in Auftrag gegebene Studie.

EINE STUDIE BESCHEINIGT der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) eine geringe Wirkung. Die Neufassung habe fast keinen Einfluss auf die hohe Befristungsquote beim wissenschaftlichen Personal gehabt, berichtet Freya Gassmann von der Universität des Saarlandes. Ihre Erhebung wurde von der Max-Traeger-Stiftung gefördert, die der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nahe steht.

 

Gassmann hatte unter anderem Daten des Statistischen Bundesamts ausgewertet. Bei den wissenschaftlichen Angestellten sei die Befristungsquote zwischen 2015 und 2018 lediglich von 82 auf 80 Prozent gesunken, heißt es in der Studie. Beim angestellten wissenschaftlichen Personal an Universitäten lag die Quote 2015 bei 90 Prozent, 2018 bei 89 Prozent. Die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes war im März 2016 in Kraft getreten und sollte den Wildwuchs bei den Arbeitsverträgen in der Wissenschaft eindämmen. Als Ursache dieses Wildwuchses wiederum sehen Kritiker die Einführung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes selbst, das seit 2007 gilt.

 

Die Laufzeiten der Arbeitsverträge
haben sich im Schnitt um vier Monate erhöht

 

Tatsächlich haben sich die Laufzeiten der befristeten Arbeitsverträge (Erstverträge ohne Verlängerungen) seit der Novelle um durchschnittlich vier Monate von 24 auf 28 Monate verlängert, hat Gassmann über eine nach ihren Angaben repräsentative Analyse von Stellenausschreibungen ermittelt, wobei die aktuellen Zahlen mit den von 2011 stammenden Ausgangswerten nur eingeschränkt möglich seien. Die GEW erkennt dennoch einen Effekt der Novelle an, bezeichnet diesen allerdings lediglich als "moderat". Der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Andreas Keller befand: "Die WissZeitVG-Novelle wirkt – ein bisschen... Ein bisschen ist aber nicht genug." Bundestag und Bundesrat müssten jetzt nachsteuern. Keller forderte eine Reform, "die die Befristung wirksam eindämmt", "Dauerstellen für Daueraufgaben" schaffe, "verbindliche Mindestvertragslaufzeiten sowie verlässliche Karrierewege".

 

Die offizielle, gesetzlich vorgeschrieben Evaluation der Gesetzesnovelle läuft zurzeit. Als diese vergangenes Jahr vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgeschrieben wurde, warnte das "Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft", in dem auch die GEW aktiv ist, jedoch vor einer "Gefälligkeitsevaluation". 

 

Personalverantwortliche finden auch
lobende Worte für die Novelle

 

Die heute vorgelegte Studie kommt allerdings auch zu aus Sicht der Wissenschaftspolitik zu positiven Ergebnissen. Zwar berichten die, an einem guten Dutzend Hochschulen befragten Personalverantwortlichen in nicht repräsentativen Leitfadeninterviews von einem erhöhten Arbeitsaufwand, da 

die Angemessenheit der Befristungsdauer festgehalten oder hinterfragt werden müsse und bei Drittmittelbefristungen ein Abgleich der Laufzeiten erfolge. Doch werde die Gesetzesnovelle trotz dieses Mehraufwandes als praktikabel bewertet. 

In einigen Gesprächen sei sogar explizit von einer "Kulturänderung" die Rede gewesen. Wörtlich heißt es im Bericht zur Studie: "Durch das Festhalten des Befristungsgrunds ist eine Auseinandersetzung mit eben diesem Grund aufseiten der Mittelbewirtschafterinnen und Mittelbewirtschafter nun unumgänglich geworden."

 

Umgekehrt bezeichneten einige der Befragten die Novelle als "Kosmetik" für eine schlechte Grundfinanzierung der Hochschulen, sie könne nicht zu einer Verringerung des Befristungsanteils beitragen.

 

Das BMBF teilte mit, die Studie bestätige der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes "einen nachweislich positiven Effekt auf die Vertragslaufzeiten des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen". Auch der festgestellte positive Kulturwandel an den Hochschulen gehe "in die richtige Richtung." Der Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" und die auf Dauer gestellte Exzellenzstrategie werde der immer noch zu hohen Befristungsquote weiter entgegenwirken. Das Ministerium verwies auf die von ihm beauftragte, laufende Evaluation, diese werde von einem unabhängigen Konsortium durchgeführt".

 

Die GEW teilte mit, sie werde die Ergebnisse heute auf einer Konferenz mit Vertretern von Regierung und Opposition diskutieren. 

 

Zwischen 2000 und 2018 sind die Stellenbefristungen an Universitäten für das angestellte wissenschaftliche Personal laut der heute vorgelegten Analyse von 75 auf 89 Prozent gestiegen, an den Fach- und Verwaltungshochschulen sogar von 30 auf 64 Prozent, was die Studienautorin auf die Einführung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zurückführt. "Es scheint, dass das Gesetz Befristungsmöglichkeiten ausgeweitet hat und die Hochschulen diesen Spielraum ausnutzen", schreibt Freya Gassmann. Allerdings hatte die Befristungsquote an den Universitäten auch schon zwischen 2000 und 2006, also vor Inkrafttreten des Wissenschaftszeitvertrags, stark auf 83 Prozent zugenommen. 


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