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Studierenden-Nothilfe: Landeswissenschaftsminister schicken Karliczek gemeinsamen Forderungskatalog

Das vom BMBF geplante Darlehen sei der falsche Weg, warnen die Ressortchefs parteiübergreifend. Morgen wollen sie in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz mit der Bundesministerin reden.

Hier laufen morgen die Drähte zusammen: Das Büro der GWK in Bonn. Eckhard Henkel: "2014-07-24 Friedrich-Ebert-Allee 38, Bonn-Gronau IMG 2182.jpg", CC BY-SA 3.0.

NEIN, ES IST keine eilig anberaumte Krisensitzung, wenn sich die Minister der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern morgen früh um zehn zur gemeinsamen Telefonkonferenz einwählen. Dass die GWK am 17. April tagt, steht seit Monaten fest, der Termin für die morgige Ministerrunde wurde in der Jahresplanung bestimmt. Und doch ist es natürlich eine Sitzung in der Krise, was schon dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Minister sich nicht persönlich treffen, sondern wegen Corona aus der Distanz kommunizieren müssen. Weil vieles in der GWK normalerweise am Rande verhandelt wird, bei Kaminabenden, in Sitzungsunterbrechungen oder morgens vor der Sitzung im Hotel, wird dadurch eine wichtige Komponente praktischer Wissenschaftspolitik fehlen. Gerade dann, wenn sie vielleicht besonders wichtig wäre. 

 

Viele in den Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen schauen mit Spannung auf das Gremium, das als Geldverteilungsmaschine der deutschen Wissenschaftspolitik gilt. Wird es inmitten der Krise irgendwelche Verlautbarungen geben, und wenn ja, welche werden das sein? TOP 1 der Sitzung lautet jedenfalls etwas kryptisch: "Aussprache zur aktuellen Lage".

 

Dabei haben die GWK-Vorsitzenden, Bundesforschungsministern Anja Karliczek (CDU) und der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD), ihre gemeinsame "Wir stemmen die Krise und stehen zu der Wissenschaft – Pressemitteilung schon vor ein paar Wochen veröffentlicht. Mit einer Botschaft, die allerdings eher Fragen auslöste, als sie zu beantworten. Denkbar, dass man deshalb nochmal nachschieben wird. Denn in der Wissenschaft wächst durchaus die Sorge, dass die 160 Milliarden Euro schweren Wissenschaftspakte bis Ende der 20er Jahre unter Finanzdruck geraten könnten, wenn die Finanzminister in ein paar Monaten anfangen, Geld für die Finanzierung der Coronahilfen einzusammeln.

 

Währenddessen wirft die Opposition Karliczek vor, in der Förderung der COVID-19-Bekämpfung "viel zu zaghaft" zu handeln, wie etwa der grüne Fraktionssprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule, Kai Gehring, gestern kritisierte. "Mich erreichen täglich Zuschriften von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die um die Finanzierung ihrer Forschung bangen."

 

Das wichtigste Thema steht gar
nicht auf der offiziellen Tagesordnung 

 

Auch um das Projekt DEAL soll es mal wieder gehen, die sich seit Jahren hinziehenden Lizenz-Verhandlungen eines bundesweiten Wissenschaftskonsortiums mit den Wissenschaftsgroßverlagen. Vor allem das andauernde Gezerre mit dem größten Brocken Elsevier nervt die Wissenschaftspolitik zunehmend – vor allem auch deshalb, weil Elsevier mit immer mehr Nachbarstaaten längst handelseinig geworden ist. Gute DEAL-Nachrichten wären also wünschenswert.

 

Paradoxerweise steht das aus Sicht der Länder wichtigste Sitzungsthema dagegen bislang gar nicht auf der offiziellen Tagesordnung: die Hilfe für die hunderttausenden durch die Coronakrise in Schwierigkeiten geratenen Studierenden. Karliczek hatte am vergangenen Wochenende angesichts laufender Studierenden-Petitionen und zunehmender Kritik aus den Ländern die Flucht nach vorn angetreten und eine Nothilfe in Form eines zinslosen Darlehens angekündigt.

 

Doch das geht den Ländern nicht weit genug, wie sie in einem heute an die Ministerin verschickten Brief überdeutlich machen – und zwar alle 16 Wissenschaftsminister, parteiübergreifend.

 

Während das BMBF für die Darlehenslösung dem Vernehmen nach mit der KfW-Bankengruppe aufgenommen hat, teilen ihre Landeskollegen ihr nun mit: Für eine kurzfristige und unkomplizierte finanzielle Unterstützung seien "die Studierendenwerke und BAföG-Ämter die richtigen Ansprechpartner, die über die Expertise in der Abwicklung entsprechender Instrumente". Die entsprechende Instrumente – die von Karliczek angestrebte "Darlehens-Lösung über dritte Anbieter" oder der Verweis auf Härtefall-Regelungen für Hartz-IV-Empfänger seien das jedenfalls nicht, betonen die Wissenschaftsminister und fordern, dass neben dem Darlehen ein gleich großer Anteil als nicht rückzahlbarer Zuschuss an die Studierenden ausgezahlt werden müsse. "So kann vermieden werden, dass die Inanspruchnahme nicht zu einer langfristigen finanziellen Belastung der Studierenden wird." Internationale Studierende müssten auf jeden Fall und "in besonderem Maße" von den Hilfen profitieren können.

 

Das zumindest will das BMBF auch, wie zu hören ist. Doch scheint genau das die Verhandlungen mit einer Bank wie der KfW besonders kompliziert zu machen. Dass Karliczek darüber hinaus nochmal ganz umschwenkt, weg von der KfW und hin zu den Studierendenwerken, ist äußerst fraglich. Am Wochenende erst hatte Karliczeks Ministerium mitgeteilt, das Deutsche Studentenwerk (DSW) habe sich zu einer Lösung "kurzfristig nicht in der Lage gesehen".  Inzwischen seien die Verhandlungen mit der KfW weit fortgeschritten, ist jetzt aus dem BMBF zu hören, eventuell schon Anfang nächster Woche könnten sie perfekt sein.

 

Das DSW hielt dem erst heute wieder auf Twitter entgegen, es sehe "Darlehen für notleidende Studis kritisch; viel besser wäre es, das BAföG jetzt zu öffnen, für die Zeit der Pandemie. Wäre alles machbar - wenn man nur will..."

 

Einen Zuschuss lehnt die
BMBF-Spitze weiter ab

 

Doch einen Zuschuss lehnt die BMBF-Spitze weiter kategorisch ab: Offenbar fürchtet man für diesen Fall öffentliche Kritik, Studierende würden gegenüber Hartz-IV-Beziehern ungerechtfertigt bevorteilt, weil für letztere auch nur eine Darlehensmöglichkeit zur Verfügung stehe. Dafür, verspricht das Ministerium, werde die Beantragung des zinslosen Darlehens unkompliziert und dadurch barrierearm sein, möglichst komplett online – für einen weiten Personenkreis, mit wenigen Voraussetzungen und möglichst einheitlichen Auszahlungsbeträgen.

 

Die Länder machen mit ihrem Schreiben trotzdem weiter Druck. Unterzeichnet haben stellvertretend für alle Minister die KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD), Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), der die Wissenschaftspolitik der Länder mit Unionsregierung koordiniert, sowie Konrad Wolf, der die gleiche Funktion auf SPD-Seite innehat. Die Länder fordern Karliczek zudem auf, das Sommersemester 2020 bei der BAföG-Höchstförderdauer nicht anzurechnen.

 

Doch das BMBF entgegnet: Es habe bereits am 23. März per Erlas klargestellt, dass pandemiebedingte Verzögerungen "einen schwerwiegenden Grund" darstellten, der ermögliche, die BAföG-Förderung "für eine angemessene Zeit" über die über die Regelstudienzeit hinaus zu verlängern.

 

Dass das Thema gar nicht auf der offiziellen Tagesordnung steht,  liegt übrigens offenbar an der Weigerung von Karliczeks Ministerium. Das BAföG gehöre gar nicht zum Politikbereich der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, so lautet das formal korrekte Argument. Natürlich, davon ist auszugehen, wird die Studierenden-Nothilfe trotzdem spätestens unter "Vermischtes" zur Sprache kommen. 



Der Zukunftsvertrag-Poker läuft noch

Noch mittendrin in den Verhandlungen stecken Bund und Länder bei der Ausgestaltung des Hochschulpakt-Nachfolgeprogramms "Zukunftsvertrag Lehre und Studium stärken". Jedes Land muss eine Verpflichtungserklärung vorlegen, in der es im Detail beschreibt, wie es die Bundesgelder entsprechend den Zielen der Bund-Länder-Vereinbarung einsetzen will. Hier gab es offenbar  

eine Reihe von Erklärungen, bei denen der Bund Nachbesserungen verlangt hat. Mehr als einen Zwischenstand werden die Minister heute allerdings nicht erörtern; die ausverhandelten Texte werden der GWK erst in ihrer Sommersitzung formal vorgelegt und sollen dann einvernehmlich beschlossen werden. Ob die Sommersitzung  dann trotz Corona schon wieder normaler verlaufen kann? Die Minister hoffen es.


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