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Viele Schreiben, wenig Annäherung

Anja Karliczek und ihre Länderkollegen streiten sich weiter um die Studierenden-Nothilfe. Parallel zur GWK-Sitzung hat das BMBF mit einem weiteren Brief auf den gestrigen KMK-Vorstoß reagiert.

EIN BISSCHEN sieht es so aus, als würden Anja Karliczek und ihre Amtskollegen aus den Ländern derzeit mehr Zeit in die Briefe stecken, die sie sich gegenseitig schreiben, als in den direkten Austausch. 

 

Nicht einmal 24 Stunden nach dem von allen 16 Landeswissenschaftsministern getragenen dreiseitigen Appell an ihre Bundeskollegin, beim geplanten Studierenden-Nothilfedarlehen noch einmal umzusteuern, hat Karliczek diesen Vorstoß ebenfalls per dreiseitigem Brief abgelehnt, den ihre Kollegen offenbar erst im Anschluss an die Sitzung zugestellt bekamen. Die beiden merklich auf die Öffentlichkeit abzielenden konkurrierenden Schreiben stehen in einem seltsamen Kontrast zu der gerade mal anderthalb Stunden langen Telefonkonferenz der Minister heute Morgen. Eine Konferenz, die dem Vernehmen nach kaum Annäherung in Sachen Nothilfe gebracht haben soll.

 

Karliczeks Landeskollegen hatten gestern geschrieben: Für eine kurzfristige und unkomplizierte finanzielle Unterstützung seien "die Studierendenwerke und BAföG-Ämter die richtigen Ansprechpartner, die über die Expertise in der Abwicklung entsprechender Instrumente" verfügten. Und die 16 Minister forderten, dass neben dem Darlehen ein gleich großer Anteil als nicht rückzahlbarer Zuschuss an die Studierenden ausgezahlt werden müsse. 

 

Karliczek: Vorschlag der Länder
"nicht praktikabel und zielführend"

 

Karliczek hielt ihren Kollegen heute mit nur geringer diplomatischer Ausschmückung entgegen, dass ihr Vorstoß gestrig sei. "Zu meinem Bedauern hat sich Ihr Vorschlag, in der Umsetzung auf die Unterstützung der Studierendenwerke und BAföG-Ämter zu bauen, bereits als nicht praktikabel und zielführend herausgestellt", schrieb die Bundesministerin. "Ich sage es ganz offen: Ich hätte mir gewünscht, wir hätten im Sinne der betroffenen Studierenden schnell eine Lösung über die Studentenwerke anbieten können." Doch habe sich das Deutsche Studentenwerk "nach eigenem Bekunden" nicht in der Lage gesehen, eine "rasche, unbürokratische Soforthilfe als Träger für ein zinsloses Darlehen bundesweit zu administrieren." Eine harsche Kritik an den Studierendenwerken, die, siehe unten, jetzt entsprechend deutlich reagieren.

 

Auch die von den 16 vorgeschlagene Öffnung des BAföG bezeichnete Karliczek "bei genauerem Hinsehen als nicht zielführend", da das BAföG dadurch als "reiner Zuschuss" missverstanden werden könne. Es sei aber "seit vielen Jahren eine bewährte Kombination aus Darlehen und Zuschuss". Zudem würde eine Änderung des BAföG ein angesichts der Notsituation zu langes Gesetzgebungsverfahren nach sich ziehen, betont die Ministerin. Und schließlich seien die Kapazitäten der BAFöG-Ämter dafür gar nicht hoch genug.

 

In der Konsequenz beharrt Karliczek auf der von ihr angekündigten Lösung eines zinslosen Darlehens "als Überbrückungshilfe", sie sei zuversichtlich, dass dieses zeitnah in Kraft treten werde. Dem Vernehmen nach sollen die Verhandlungen des BMBF mit der KfW-Bankengruppe so weit fortgeschritten sein, dass Karliczek möglicherweise schon Anfang nächster Woche Vollzug vermelden könnte. 

 

So stehen sich Bund und Länder auch nach der GWK-Sitzung und dem Schlagabtausch per Brief in Sachen Nothilfe unversöhnlich gegenüber. Doch ist auch die Front der Länder nicht so einheitlich, wie es womöglich wirkt. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass das gestern Abend von fünf schwarz-grünen Landeswissenschaftsministern an Karliczek geschickte Nothilfe-Konzept gar nicht als als rein schwarz-grüne Nummer geplant war. Initiiert hatten es die drei grünen Wissenschaftsministerinnen Dorn, Bauer und Fegebank – um dann allen ihren 13 Länderkollegen bis gestern, 18 Uhr, die Gelegenheit zum Mitunterzeichnen zu geben. Doch nur Bernd Sibler (CSU) aus Bayern und Björn Thümler (CDU) aus Niedersachsen taten dies auch. Inhaltlich ergeben sich aus dem schwarz-grünen Schreiben indes keinerlei Widersprüche zum Appell der 16, es konkretisiert die Forderungen lediglich weiter bis in Details hinein.

 

Belegt neuer Erlass an die BAföG-Ämter 
das Scheitern des Systems?

 

Interessant ist, dass das Bundesbildungsministerium heute parallel eine neue Vollzugsanweisung an die BAföG-Ämter geschickt hat. Darin stellt das BMBF klar. Wenn BAföG-Empfänger Notfallhilfen, wie sie mehrere Bundesländer oder Studierendenwerke zur Verfügung gestellt haben, in Anspruch nehmen, seien diese Darlehen oder Zuschüsse "nicht als Einkommen im Sinne des BAföG zu betrachten". Anders formuliert: Die Nothilfen kürzen die Ausbildungsförderung nicht.

 

Was viele für eine sinnvolle Regelung halten dürften, wird aus dem Kreis der Wissenschaftsminister massiv kritisiert. Sie sei "Ausdruck des völligen Versagens des BAföG-Systems des Bundes", belege der Erlass doch, dass der Bund selbst nicht glaube, dass die betroffenen Studierenden durch die Ausbildungsförderung ausreichend alimentiert würden, um keine Nothilfe in Anspruch nehmen zu müssen.

 

Unterdessen reagierte auch das von Karliczek in den vergangen Tagen nun schon mehrfach kritisierte Deutsche Studentenwerk. DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde sagt, die Sache sei etwas anders gelaufen, als das BMBF sie darstelle. "Abgesehen davon, dass wir für die Betroffenen Zuschüsse für geeigneter halten, wollte der Bund für das Darlehensmassengeschäft partout die Darlehenskassen, nicht die BAföG-Ämter der Studentenwerke." Letztere seien aber sehr wohl geeignet, "zumal sie über einen IT-gestützten Prozess von der Antragsstellung bis zum Forderungsmanagement verfügen. Dazu hätte sich der Bund jedoch mit den Ländern abstimmen oder das BAföG ändern müssen." Auch der Darstellung Karliczeks, die nötige Gesetzesänderung dauere zu lange, widerspricht Meyer auf der Heyde: "Dass parlamentarische Gesetzgebungsverfahren inklusive Bundesratszustimmung innerhalb einer Woche möglich sind, haben die ersten umfangreichen Hilfspakete gezeigt."

 

Ein Zugeständnis immerhin soll Karliczek ihren Kollegen dann heute doch gemacht haben: Es soll eine Abfrage in allen Ländern geben, ob die Studierendenwerke nicht doch in der Lage sein könnten, die Nothilfe zu administrieren. Die Antwort dazu sollte, siehe Meyer auf der Heyde, schon klar sein.



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Kommentare: 1
  • #1

    Überbrückungshilfe (Freitag, 17 April 2020 19:50)

    Das BMBF mauert nur, die Länderministerien fordern nur und die Hochschulen handeln: https://portal.uni-koeln.de/universitaet/aktuell/presseinformationen/detail/koelner-universitaetsstiftung-vergibt-ueberbrueckungshilfen-an-studierende