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Die DFG hat eine neue Generalsekretärin

Heide Ahrens tritt die Nachfolge von Dorothee Dzwonnek an.
Wer sie ist und was ihre Berufung für Deutschlands größte Forschungsförderorganisation bedeutet.

Heide Ahrens. Foto: Lorenz.
Heide Ahrens. Foto: Lorenz.

GUT ANDERTHALB JAHRE nach dem unfreiwilligen Rücktritt von Dorothee Dzwonnek hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine neue Generalsekretärin. Heide Ahrens, bislang Abteilungsleiterin in der Bremer Wissenschaftsbehörde, erhielt heute in einer virtuellen DFG-Mitgliederversammlung die nötige Bestätigung. Bereits vor einigen Tagen hatte sie der größtenteils mit Vertretern von Bund und Ländern besetzte Hauptausschuss der Forschungsförderorganisation berufen.

 

Ahrens, Jahrgang 1962, hat in ihrer Laufbahn das Wissenschaftssystem aus verschiedenen Perspektiven heraus kennengelernt. Sie war Referatsleiterin bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Programmmanagerin beim Stifterverband, Dezernentin für Akademische Angelegenheiten der Universität Bremen und Vizepräsidentin für Verwaltung und Finanzen der Universität Oldenburg, die sie zeitweise auch kommissarisch leitete. 2011 wechselte Ahrens in die Ministerialbürokratie, zunächst als Abteilungsleiterin "Wissenschaft" im Wissenschaftsministerium von Schleswig-Holstein. 2017 kehrte sie nach Bremen zurück, wurde Senatsdirektorin und Leiterin der Abteilung "Hochschulen und Forschung" in der Wissenschaftsbehörde. 

 

Ahrens komplettiert den Neuanfang
nach der Führungskrise 

 

Sowohl Hauptausschuss als auch Mitgliederversammlung votierten einstimmig für Ahrens. Sie tritt eine Position an, die im Vergleich zu den Zuständigkeiten ihrer Vorgängerin deutlich beschnitten ist. Die künftige Generalsekretärin leitet die DFG-Geschäftsstelle und ist unter anderem für den Vollzug des Wirtschaftsplanes verantwortlich. Anders als Dzwonnek ist Ahrens aber nicht auf Dauer berufen, sondern müsste spätestens nach acht Jahren im Amt bestätigt werden. Sie bildet zwar den zweiköpfigen DFG-Vorstand zusammen mit Präsidentin Katja Becker, doch hat diese jetzt die Richtlinienkompetenz. Eine solche eindeutige Bestimmung fehlte, als Dzwonnek Generalsekretärin und Peter Strohschneider Präsident war. Diese und weitere veränderte Regelungen in der vergangenes Jahr reformierten DFG-Satzung sind Konsequenzen der Ereignisse im November 2018.

 

Damals hatte DFG-Präsident Peter Strohschneider für die Wissenschaftsszene aus heiterem Himmel heraus in einem kurzen Pressestatement mitgeteilt, dass die langjährige Generalsekretärin Dzwonnek "auf Bitten des Hauptausschusses der DFG ihr Ausscheiden" erklärt habe und damit den Weg für eine geordnete Nachfolgeregelung freimache. Hinter den dürren Worten verbarg sich ein Machtkampf zwischen Strohschneider und Dzwonnek, dessen Einzelheiten bis heute der Öffentlichkeit nur in Teilen bekannt sind. Die mangelnde Transparenz führte zu einer monatelangen Debatte über den Grad an öffentlicher Berichterstattung, den eine mit Steuergeldern operierende, noch dazu die mit Abstand wichtigste deutsche Forschungsförderorganisation der Gesellschaft schuldig ist.

 

Einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt bis heute, dass durch die Kommunikation des Dzwonnek-Rücktritts, auch durch ihren Rivalen Strohschneider, der Eindruck entstand, es stünden Vorwürfe gegen sie im Raum. Doch tatsächlich sind bis heute keinerlei Vorwürfe in irgendeiner Weise öffentlich benannt worden. Trotzdem war der Ruf Dzwonnek nachhaltig beschädigt – in einem Rechtsstaat eigentlich ein Unding.

 

Seit Dzwonnek gehen musste, wurde die DFG-Geschäftsstelle kommissarisch von den vier Abteilungsleitern geführt. Dass die Berufung der neuen Generalsekretärin trotzdem erst ein Jahr nach der Wahl Beckers zur DFG-Präsidentin kommt, ist ein schlauer Schritt. Die Findungskommission wurde im Juli 2019 eingesetzt und habe "nach einem intensiven Findungsprozess" dem Präsidium Heide Ahrens als neue Generalsekretärin vorgeschlagen, was sich das Präsidium "zu eigen" gemacht habe, hieß es heute in der DFG-Mitteilung. Becker hatte also Einfluss bei der Personalie, was ein gutes Miteinander mit Ahrens wahrscheinlich macht. Ein gutes Miteinander, das die DFG dringend braucht.

 

Die DFG muss sich reformieren, die Pläne
sind schon da, gelingt jetzt die Umsetzung?

 

Alt-Präsident Strohschneider hat die Forschungsorganisation durch eine Phase starken Wachstums gelenkt, es aber nicht geschafft, ihre immer offensichtlichere Modernisierungskrise zu beenden. Auch nach dem Weggang Dzwonneks wirkte die DFG-Führung alles Andere als homogen und im Gezerre zwischen Bewahrern und Erneuerern gefangen. 

 

Auf Becker – und nun auch auf Ahrens – ruhen daher viele Hoffnungen. Schaffen sie es gemeinsam, die DFG mit sich selbst, mit ihren Mitgliedern und mit der Wissenschaft zu versöhnen? Um rund eine Milliarde Euro ist das Budget der Förderorganisation seit 2010 gewachsen. Die Politik gibt mehr Geld und verlangt dafür, oft sehr subtil, mehr Mitsprache. Das viele Geld muss über immer mehr Gutachter auf immer mehr Projekte verteilt werden, was die Gutachterauswahl an Grenzen stoßen lässt genau wie die sinnhafte Evaluation der Forschungsqualität. Bei all dem wirkte die DFG als Organisation schwerfällig, ihr Förderpolitik nutzte dem Mainstream oft mehr, als dass sie den Mut zur Innovation unterstützte. Weil ihren Förderinstrumenten selbst die Innovation fehlte.  

 

Katja Becker hat seit ihrem Amtsantritt Töne angeschlagen, die Hoffnung machen. Sie will mehr Diversität in die Wissenschaft bringen, den Fachhochschulen, die sich unter Strohschneider oft vernachlässigt fühlten, will sie mehr Aufmerksamkeit in der Forschungsförderung geben. Und sie will die Kommunikation stärken – innerhalb der Wissenschaft und zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft. Und sie muss die Auswahlverfahren erneuern und das Verhältnis zwischen DFG und Politik austarieren. 

 

Noch konnte Becker nur wenig ihrer Pläne in die Tat umsetzen, die Corona-Krise hat auch die DFG in Atem gehalten, Förderzeiträume mussten verlängert, neue Forschungsinitiativen aufgelegt werden.

 

Wenn sie jetzt Fahrt aufnehmen will, braucht Becker eine Generalsekretärin, die einen guten Draht in die Wissenschaftspolitik hinein hat, zugleich die Hochschulen kennt und versteht. Sie braucht eine Verwaltungsexpertin, die auch mit manchmal festgefahrenen bürokratischen Strukturen umzugehen und sie aufzubrechen weiß. In Heide Ahrens glauben die DFG-Gremien nun, diese Person gefunden zu haben. Präsidentin Becker selbst nannte die neue Generalsekretärin heute "eine überaus erfahrene Wissenschaftsmanagerin", die "profunde Kenntnisse aller Perspektiven und Akteure der Wissenschaftsverwaltung und Wissenschaftspolitik" habe. Und Becker fügte hinzu: "Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Arbeit im Vorstand."

 

Freude im zweiköpfigen DFG-Vorstand, das wäre in der Tat etwa Neues. Ahrens startet voraussichtlich am 1. Oktober.