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Was, wenn es so weitergeht?

Die erste Corona-Welle lief im Zeitraffer, gegenwärtig ähnelt die Pandemie-Entwicklung eher einer gemächlichen Bergpartie. Doch die kennt seit Wochen nur eine Richtung: aufwärts. Was folgt daraus?

1510 NEUE CORONAINFIZIERTE meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) für gestern. Am Dienstag in der vergangenen Woche hatte die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen noch bei 1226 gelegen. Was sagen diese Statistiken? Welche Dynamik hat die Pandemie zurzeit? Werden heute andere Menschen krank als im Frühjahr, und wenn ja, was folgt daraus? Und worauf müssen wir uns in den nächsten Tagen und Wochen einstellen? Eine Analyse.

 

Welches Tempo hat die Ausbreitung?

 

Seit Kalenderwoche 28 (ab 12. Juli) steigen die gemeldeten Infektionszahlen von Woche zu Woche durchgängig. Von damals wöchentlich 2406 Neuerkrankten sind sie bis zur vorigen Kalenderwoche (33) auf 7636 geklettert. Das Tempo der Zunahme lag dabei von Woche zu Woche ziemlich gleichmäßig bei 23 bis 28 Prozent, anders formuliert: Jede Woche ein Viertel zusätzlicher Fälle. 

 

Wie ich bereits vergangenen Mittwoch schrieb, ist die Dynamik der Ausbreitung damit eine ganz andere als während der ersten Welle. Damals wurden von einer Woche auf die andere bis zu 620 Prozent mehr Neuinfizierte registriert. In absoluten Zahlen: Der Anstieg von Kalenderwoche 11 (ab 09. März) zu Kalenderwoche 12 allein (+16021 Fälle) war rund dreimal so groß wie der gesamte bisherige Anstieg in den Kalenderwochen 28 bis 33. 

 

Fazit: Diesmal erleben wir keine sprunghafte Welle, sondern eine sanfte Steigung. Was ein großer Vorteil für Politik und Gesellschaft ist, denn anders als im März bleibt ihnen deutlich mehr Zeit zum Reagieren und zum besonnenen, aber entschiedenen Gegensteuern. Doch sollte man sich einer Illusion nicht hingeben: Das Mehr an Vorwarnzeit bedeutet, siehe nächster Abschnitt, in keiner Weise eine Entwarnung.

 

Was, wenn es ungebremst so weitergeht?

 

Das deutlich entschleunigte Wachstum der berichteten Infektionszahlen im Vergleich zur ersten Welle kann viele Gründe haben. Zentral ist sicherlich, dass ein großer Teil der Bevölkerung (welche Altersgruppen vor allem, dazu später) die erforderlichen Hygiene- und Abstandsregeln so tief verinnerlicht hat, dass sie sich bei allen Lockerungen der vergangenen Monate noch relativ diszipliniert verhält. Auch die Vielzahl an im Gegensatz zu März vorhandenen Sicherungsmaßnahmen (vor allem die Maskenpflicht) wirken sicherlich bremsend, möglicherweise gibt es auch einen saisonalen Einfluss.

 

Und doch: Setzt sich das Wachstum der fünf Kalenderwochen 28 bis 33 nur noch weitere fünf Wochen in etwa so fort, sind die Zahlen wieder da, wo sie im März waren. Bei weiterhin etwa 27 Prozent Anstieg der wöchentlich verzeichneten Corona-Infektionen würde bereits in Kalenderwoche 39 (ab 21. September) fast der bisherige Höchststand aus der Kalenderwoche 14 (ab 30. März) erreicht, in Woche 40 würde er mit mehr als 40.000 Fällen sogar deutlich überschritten. Tatsächlich zeigen Projektionen etwa am Forschungszentrum Jülich, dass sich die Ausbreitung des Virus bislang auf dem erreichten Niveau fortzusetzen scheint. 

 

Fazit: Auch wenn die Entwicklung zunächst gemächlich aussieht, lange darf sie so nicht mehr weitergehen. Zum Glück gibt es erste Anzeichen, dass sie das auch nicht tun wird, dazu siehe nächster Abschnitt.

 

Welche Demografie haben die Kranken?

 

Vor den statistisch genauen Angaben eine allgemeine Trendaussage: Je nach Bundesland sollen derzeit bis zu 50 Prozent der Neuerkrankten Reiserückkehrer sein. Das wiederum wäre ein erstaunlich hoher Wert, in dem eine Chance und eine Gefahr liegt. Die Chance: Wenn es gelingt, die infizierten Reiserückkehrer  zum überwiegenden Teil rechtzeitig zu isolieren, würden sie nur vorübergehend zum Anstieg der Gesamtzahlen beitragen – denn irgendwann sind auch im letzten Bundesland die Sommerferien vorbei. Die Gefahr: Wenn das nicht gelingt (wonach es aufgrund der zu späten Pflichttests und den Verspätungen bei ihrer Übermittlung leider eher aussieht), erhöhen die Reiserückkehrer dauerhaft die Infektionsdynamik in Deutschland – die Zahlen stiegen ihretwegen also auch weiter, wenn die Reisezeit vorbei ist.

 

Nun zur gesicherten Statistik. Die Weltgesundheitsorganisation WHO weist daraufhin, dass die Pandemie weltweit inzwischen von jungen Erwachsenen getrieben werde. Genau das gilt auch für Deutschland. Insgesamt stiegen die registrierten Corona-Fälle zwischen den Kalenderwochen 28 und 33 um 217,4 Prozent. Aber: Bei der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen sogar um satte 319,1 Prozent. Noch krasser fiel der Anstieg bei den 10- bis 19-Jährigen aus: 397,2 Prozent. Immerhin war bei den Jugendlichen das Wachstum zuletzt gebremst. Von Woche 32 zu Woche 33 war bei ihnen "nur" noch ein Plus von 36 Prozent zu verbuchen, bei den 20- bis 29-Jährigen dagegen immer noch 44 Prozent (gegenüber 27,6 Prozent insgesamt in Deutschland). 

 

Etwa im Durchschnitt der Pandemie-Dynamik entwickelten sich seit Beginn des Anstiegs ab Woche 28 die Gruppe der 40-bis 49-Jährigen (+215,8 Prozent) und die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen (+180,7 Prozent). Etwas weniger stark war das Wachstum bei den 50-59-Jährigen (+164,1 Prozent) und deutlich geringer bei den Kindern zwischen 0 und 9 (+155,4 Prozent). Zu den Kindern und Jugendlichen später noch etwas mehr.

 

Richtig spannend wird es bei den Älteren: Bei den 60- bis 69-Jährigen und den 70-79-Jährigen deutet sich nämlich eine mögliche Trendwende an. Zwar war zwischen Kalenderwoche 28 und 33 insgesamt auch bei ihnen eine Zunahme an registrierten Infektionsfällen zu verzeichnen, wenn auch mit +51 Prozent bei den 70- bis 79-Jährigen und +87,1 Prozent bei den  60- bis 69-Jährigen stark unterdurchschnittlich. Doch geht die Zahl der Neuinfektionen bei den 70- bis 79-Jährigen jetzt schon seit zwei Wochen entgegen dem Trend zurück, um zwei Prozent in der vergangenen Woche. Bei den 60-69-Jährigen sank die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle von Kalenderwoche 32 zu Kalenderwoche 33 sogar um 8,8 Prozent.

 

Fazit: Genau hier zeigt sich ein Hoffnungszeichen. Die Warnungen von Wissenschaftlern und Politikern vor der beunruhigenden Pandemie-Entwicklung in den vergangenen Wochen sind nicht völlig verhallt, sondern sie sind zumindest bei jenen Altersgruppen angekommen, die durch das Virus aufgrund ihres Alters zunehmend gefährdet sind. Sie verändern ihr Sozialverhalten offenbar bereits – und werden damit zum Vorbild für die Jüngeren. 

Besorgniserregender ist allerdings, dass ausgerechnet bei den ganz Alten (über 80) die Zahl der festgestellten Infektionen weiter zunimmt: Zwischen Kalenderwoche 28 und 33 um 120,8 Prozent, und zwischen Kalenderwoche 32 und 33 um 13,6 Prozent. Das ist weit weniger als der gesellschaftliche Durchschnitt, doch mehr als bei den jüngeren Älteren. Offenbar gelingt es einerseits deutlich besser als im März, die anfälligste Altersgruppe zu schützen, denn damals machten die über 80-Jährigen den größten Anteil unter den Erkrankten aus. Doch sind sie dem Virus andererseits stärker ausgeliefert als die 60- bis 79-Jährigen, die noch jung (und gesund?) genug sind, um sich selbst aktiv zu schützen.

 

Welche Folgen hat die Demografie?

 

Die Verjüngung des Virus hat eine augenfällige Konsequenz: Auch wenn es inzwischen mehr als dreimal so viele Neuinfektionen gibt wie noch vor fünf Wochen, ist die Zahl der ins Krankenhaus eingewiesenen Corona-Kranken nicht gestiegen. Sie machte zwischen Woche 28 und 29 zwar einen leichten Sprung von 244 auf 311, pendelte seitdem aber leicht auf und ab mit einem Maximalausschlag von 356. In Kalenderwoche 33 lag sie bei 322. Der Anteil der Hospitalisierten an allen Kranken sank sogar von neun auf zuletzt sechs Prozent – während er auf dem Höhepunkt der Märzwelle (Kalenderwoche 14) bei 19 Prozent lag.

 

Auch bei den Gestorbenen spiegelt sich die Verdreifachung der gemeldeten Coronafälle (noch) nicht wider. In Kalenderwoche 30 (ab 26. Juli) starben 25 Infizierte in Deutschland, in Kalenderwoche 31 15. Für die Wochen 32 und 33 werden bislang ebenfalls nur 15 bzw. vier Verstorbene gemeldet, doch sind diese Zahlen vorläufig und nicht belastbar. Fest steht: Der Anteil der Verstorbenen an allen Neuinfizierten sinkt seit Kalenderwoche 16 (13. April) fast durchgehend von damals sieben Prozent auf zuletzt 0,6 Prozent (Kalenderwoche 30) bzw. 0,1 Prozent (Kalenderwoche 31). Das hängt mit der Demografie zusammen, womöglich auch mit besseren Behandlungsmöglichkeiten, weil wir heute mehr über Covid-19 wissen. 

 

Noch ein Vergleich zur ersten Welle: In der Kalenderwoche 11 mit insgesamt 6427 und damit vergleichbar vielen gemeldeten Fällen wie in Kalenderwoche 33 wurden 520 Kranke stationär aufgenommen, in Kalenderwoche 12 (22.430 Neuinfizierte insgesamt) waren es 2194 – fast siebenmal so viele wie gegenwärtig. Und: Während zuletzt 15 Todesfälle pro Woche gemeldet wurden, waren es in Kalenderwoche 11 84 und in Kalenderwoche 12: 473.

 

Fazit: Beruhigende Statistiken, die der Politik deutlich mehr Spielraum geben als im Frühjahr, zumal die Intensiv- und Beatmungskapazitäten heute ganz andere sind als damals. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Zahlen sich ändern: Falls es nicht dauerhaft gelingt, die Älteren von der immer stärkeren Verbreitung des Virus unter den Jungen abzuschirmen. Was einmal mehr die Verantwortung jener zeigt, die selbst nicht so stark von schweren Krankheitsverläufen bedroht sind.

 

Welche Rolle spielen die vermehrten Corona-Tests?


Immer wieder wird von Skeptikern argumentiert, die aktuell stark steigenden Infektionszahlen seien vor allem auf eine höhere Testrate zurückzuführen, sie seien also vor allem ein statistisches Artefakt. Als Beleg dafür wird gelegentlich die weiter niedrige Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle herangezogen, die jedoch – siehe oben – vor allem in der anderen Demografie der Infizierten begründet liegen.

 

Was aber ist dran an der These? Die Antwort: ein bisschen schon, aber nicht allzu viel. Tatsächlich stieg die Zahl der Corona-Tests von Kalenderwoche 28 bis Kalenderwoche 32 (die aktuellsten beim RKI verfügbaren Zahlen, heute Abend gibt es neue) um über 160.000 auf 672.171, was einem Plus von 31,8 Prozent entspricht. Bei einer gleichbleibenden Positiv-Testrate von etwa einem Prozent könnte man also argumentieren, dass durch die vermehrten Tests etwa von Reiserückkehrern ein knappes Drittel der zusätzlichen Fälle zu erklären ist. Doch: Der Großteil der Pandemie-Dynamik der vergangenen Wochen lässt sich so nicht wegdiskutieren. Denn insgesamt stieg die Zahl der gemeldeten Neuinfizierten im selben Zeitraum um 148,8 Prozent. Einen besonders großen Sprung machten die Tests zwischen Kalenderwoche 31 (ab 27. Juli) und 32: um 95.000 auf zuletzt 672.171 pro Woche. Darin bilden sich nun ganz sicher vor allem die Reiserückkehrer-Tests ab. Doch auch diesem Plus von 16,5 Prozent bei den Tests steht im selben Zeitraum ein deutlich größeres Mehr an gemeldeten Infektionen insgesamt (+24,8 Prozent) gegenüber. 

 

Fazit: Die Tests haben einen Einfluss und erklären einen Teil des berichteten Fallwachstums, das sich deshalb noch schwerer mit den Zahlen im Frühjahr vergleichen lässt. An der besorgniserregenden Dynamik der vergangenen Wochen ändert das jedoch nichts.

 

Was ist mit den Kindern und Jugendlichen?

 

Grundsätzlich gilt zunächst: Die Politik von Bund und Ländern hat das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung und Teilhabe in den vergangenen Wochen zu einer Priorität in der Pandemie erklärt. Das Ziel, Kitas und Schulen auch bei steigenden Infektionszahlen möglichst offenzuhalten, unterscheidet die gesellschaftliche Debatte grundsätzlich von jener im März und April.

 

Unabhängig von den politischen Ansagen gibt es seit Beginn der Pandemie einen – leider nicht nur empirisch-wissenschaftlich geführten – Streit darüber, ob Kinder und Jugendliche sich weniger leicht mit dem Virus infizieren als Erwachsene und ob sie zudem weniger ansteckend sein könnten.

 

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten zunehmend darauf hin, dass dabei zwischen Kindern unter 10 einerseits und Jugendlichen andererseits unterschieden werden muss, wobei die Altersgrenze, ab der Jugendliche sich ähnlich leicht anstecken wie Erwachsene, nicht eindeutig zu sein scheint. Auch mussten südkoreanische Forscher zuletzt eine Studie relativieren, derzufolge Jugendliche das Virus möglicherweise sogar noch aktiver weiterverbreiten könnten als Erwachsene. 

 

Die in Deutschland gemeldeten Infektionszahlen verhielten sich in den vergangenen Wochen so, dass Kinder unter 10, siehe oben, die Dynamik der Ausbreitung eher bremsten, Jugendliche zwischen 10 und 19 sie dagegen wie andere junge Menschen beschleunigten. Wichtig ist festzuhalten, dass Kitas und Schulen seit Kalenderwoche 28 (12. Juli) teilweise und dann überwiegend geschlossen waren – die Zahlen also wenig bis nichts aussagen über die Rolle von Bildungseinrichtungen in der Pandemie, sehr wohl aber über die Auswirkungen der Urlaubssaison. 

 

Wer mit Blick auf die Neuinfektionszahlen bei den bis zu 10-Jährigen anmerkt, dass diese in der vergangenen Woche mit 664 so hoch lagen wie nie zuvor, sogar höher als auf dem Höhepunkt der ersten Welle, der hat mit dieser Aussage einerseits Recht. Andererseits sind die Schlussfolgerungen daraus möglicherweise irreführend. Das wahrhaft Bemerkenswerte war nämlich, wie niedrig der Anteil infizierter Kinder im Frühjahr blieb – was wiederum nur mit der völlig anderen Demografie der ersten Welle zu erklären ist. Im Verhältnis zu allen anderen aktiven und zum Teil deutlich größeren Altersgruppen unter 60 sind die Jüngsten dagegen auch heute noch (deutlich) weniger betroffen. Sie waren und sind nicht die Treiber der Pandemie.

 

Die beste Nachricht bei den Kindern und Jugendlichen ist, dass sie nur in äußerst selten Fällen schwer an Covid-19 erkranken. Und: Von den bis Mitte August insgesamt 9.221 einer Corona-Infektion zugeordneten Todesfällen in Deutschland entfielen nur drei auf die Unter-20-Jährigen.

 

Fazit: Kinder und Jugendliche leben nicht im Vakuum. Wenn die Gesellschaft insgesamt sich nicht diszipliniert verhält, erreicht das Virus auch die Jüngsten. Was kein Grund mehr sein darf, diese irgendwann wegzuschließen. Was aber umso mehr eine weitere Warnung an uns alle sein sollte.


Nachtrag am 20. August, 10.30 Uhr

Ein Fünftel mehr Tests als in der Vorwoche
– was bedeutet das für die Corona-Infektionsstatistik?

 

Heute meldet das RKI 1710 Neuinfektionen, den höchsten Tagesstand seit Ende April. Gestern Abend wurde zudem die aktuelle Test-Statistik veröffentlicht. Diese zeigt einen weiteren Sprung um ein Fünftel auf 875.524 Corona-Tests in Kalenderwoche 33. Ein Teil des Anstiegs dürfte auf vermehrte Testungen in Kitas und (vor allem) in den ins neue Schuljahr gestarteten Schulen zurückzuführen sein, was sich teilweise in der gewachsenen Zahl an Fällen unter jungen Kindern und Jugendlichen widerspiegelt. Allerdings habe ich hierzu beim RKI keine aktuellen Angaben finden können. Ein noch größerer Teil der 145.000 zusätzlichen Corona-Tests dürfte unter Reiserückkehrern gemacht worden sein. Wieviele genau, kann das RKI allerdings nicht sagen.

 

So oder so ergeben sich interessante Implikationen.

 

1. Insgesamt geht das Mehr an Tests mit einer leicht sinkenden Positiv-Rate einher: 0,96 Prozent im Vergleich zu 0,99 Prozent in der Vorwoche. Das heißt: Von 1000 Corona-Tests fielen nur noch 9,6 positiv aus. Das ist eine gute Nachricht, weil eine steigende Positiv-Testrate ein weiteres Warnsignal eines rasanter zunehmenden Infektionsgeschehens wäre.

 

2. Das RKI hat eine nicht repräsentative Teilauswertung unter den Reiserückkehrer-Tests durchgeführt und kommt bei ihnen auf eine deutlich höhere Positiv-Testrate von 1,56 Prozent. Daraus folgt im Umkehrschluss: Bei den übrigen Tests lag die Positivrate noch niedriger als der Durchschnittswert von 0,96 Prozent.

  

3. Insgesamt stieg die Zahl der gemeldeten Corona-Infektionen in Kalenderwoche 33 wie berichtet um etwa 29 Prozent zur Vorwoche. Da die Reiserückkehrer-Tests – wie ebenfalls erwähnt – für einen beträchtlichen Teil des Testanstiegs von 20 Prozent stehen dürften, könnten die zusätzlichen Tests sogar mehr als 20 Prozentpunkte der zusätzlich gemeldeten Infektionen ausmachen.  

 

4. Der aktuelle Anstieg ist also ernstzunehmen, erklärt sich aber in der vergangenen Woche tatsächlich zu einem guten Teil aus dem Mehr an Tests. Was wiederum bedeutet, dass man mit einem Vergleich der festgestellten Neuinfektionen pro Tag mit der Situation Ende April (nicht einmal halb so viele Tests und keine Reiserückkehrer) sehr vorsichtig sein sollte. Die Zahlen sind eben NICHT vergleichbar. 

 

5. Falls der gemeldete Anstieg bei den Neuinfektionen in den nächsten Tagen abflachen sollte, wäre das im Umkehrschluss keine Entwarnung. Die vermeintlich nachlassende Dynamik könnte dann nämlich damit zusammenhängen, dass die Tests nicht mehr so stark zulegen. Dann muss man zum Beispiel darauf schauen, ob die Positivrate wieder steigt, um abzuschätzen, wie stark der weitere Aufwärtstrend ist.

 

6. Die Reiserückkehrer-Tests sind, auch wenn sie viel zu spät gestartet sind, ein Segen. Das zeigt die hohe Positivrate. Sie geben die Chance, möglichst viele der Infizierten so rechtzeitig zu isolieren, um die dauerhafte Erhöhung des Infektionsgeschehens durch sie einzudämmen. Ob es gelingt? Wir werden sehen. Denn: Je mehr es werden, so schwerer wird ihre Nachverfolgung.


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Kommentare: 3
  • #1

    Raphael Wimmer (Mittwoch, 19 August 2020 14:12)

    Danke für den differenzierten Artikel.
    Ein bisschen Bauchweh habe ich damit "dass Kinder unter 10, siehe oben, die Dynamik der Ausbreitung eher bremsten".
    Der Begriff "bremsen" impliziert, dass infizierte Kinder irgendwie aktiv bei der Eindämmung der Epidemie helfen würden. Eine präzisere Formulierung wäre "dass Kinder wenig zur Ausbreitung beitragen", oder?

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Mittwoch, 19 August 2020 15:21)

    Kurze Antwort: Da haben Sie natürlich vollkommen Recht!

  • #3

    Waldvogel (Mittwoch, 19 August 2020 15:49)

    @Raphael Wimmer. Der Artikel ist wieder ausgewogen: gut recherchiert und mit klaren Aussagen. Neulich schrieb schon jemand, daß man sich derartige aktuelle Darstellungen vom RKI und anderen offiziellen Stellen wünschte. Trotzdem: Man darf die exponentielle Dynamik
    nicht unterschätzen.