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Laptops für Lehrer, Kompetenzzentren und eine bundesweite Bildungsplattform

Was der GroKo-Koalitionsausschuss zur digitalen Bildung beschlossen hat

ERST WAREN es nur die Beschlüsse eines in der Verfassung nicht existierenden Gremiums, gestern Abend hat sich auch der GroKo-Koalitionsausschuss wesentliche Pläne des informellen Bildungsgipfels vom 14. August zueigen gemacht.

 

Am wichtigsten: Alle rund 800.000 Lehrkräfte in Deutschland sollen mit Endgeräten ausgestattet werden. Dafür sind wie auf dem informellen Bildungsgipfel verabredet 500 Millionen Euro vorgesehen – aus Mitteln des EU-Aufbaufonds. 

 

Unter welchen Bedingungen genau das Geld fließen soll, dazu wolle sich die Bundesregierung jetzt mit den Ländern und der EU-Kommission in Kontakt setzen, kündigte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Mittwochmittag an. Wie lange es dauern werde, bis die ersten Geräte angeschafft werden können, konnte sie noch nicht sagen. Karliczek sprach jedoch von "einem zeitnahen Verfahren", das "mit Hochdruck" geführt werde. 

 

Sie gehe davon aus, dass das Geld nicht ganz für die Versorgung aller 800.000 Lehrkräfte reichen werde, aber den größten Teil abdecken könne. Wie der Rest finanziert werden könne, werde sich in den Gesprächen mit den Ländern erweisen. Das viel größere Problem sei aber ihres Erachtens: "Wo kriegen wir so viele Geräte her?"

 

In den Gesprächen mit Ländern und EU gelte es, einen Weg zu finden, wie die Versorgung der von den Ländern angestellten Lehrer auf der Grundlage der Verfassung laufen könne. Es zeichne sich ab, dass die Geräte als Teil der Schulausstattung angeschafft und den Lehrern übergeben, aber im Besitz der Schulen bleiben würden.  

 

Wie genau werden die digitalen
Kompetenzzentren aussehen?

 

Wie ebenfalls beim informellen Bildungsgipfel verabredet beschloss der Koalitionsausschuss die Einrichtung digitaler Kompetenzzentren. Diese sollen Wissenschaftler, Didaktikexperten und Schulpraktiker besser vernetzen, bei der digitalen Lehrerbildung unterstützen und die Schulen bei Medienplanung, Unterrichts- und Personalentwicklung  beraten. Wie viele solche Zentren entstehen sollen, wieviel sie kosten und wie sie aufgebaut werden, dazu machte Karliczek auf Nachfrage noch keine Angaben. Nach dem informellen Bildungsgipfel hatten Gesprächsbeteiligte noch die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung als vergleichbare Strukturen genannt. Diesen Vergleich wollte Karliczek heute nicht ziehen, da es in der Wissenschaft gemeinsame Kompetenzen von Bund und Ländern gebe, in der Bildung aber nicht.

 

Womit auch nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses noch immer nicht viel mehr bekannt ist als das Ziel, eine bereits im Koalitionsvertrag vorhandene Idee umzusetzen. Einzelheiten, sagte Karliczek, sollten jetzt zwischen Bund und Ländern besprochen werden. 

 

Sogar noch unklarer ist das dritte Vorhaben, dass der Koalitionsausschuss beschlossen hat: den Aufbau einer bundesweiten Bildungsplattform, die "einen geschützten und qualitätsgesicherten Raum für hochwertige digitale Lehrinhalte, für die Durchführung von Unterricht und Konferenzen, für die Kommunikation sowie für Prüfungen und Prüfungsnachweise bilden soll". 

 

Klingt ein wenig nach der digitalen eierlegenden Wollmilchsau. Tatsächlich räumte auch Karliczek ein, dass es sich um "ein überaus ambitioniertes Ziel" handle, dessen Umsetzung sicher nicht "von heute auf morgen" geschehen könne. Aber um was genau geht es da eigentlich? Und wer braucht das?

 

Auch hier blieb Karliczek noch Details schuldig, betonte aber, es gehe darum, vorhandene Plattformen und Angebote wie den Deutschen Bildungsserver, Lernsysteme der Länder oder die geplante Nationale Weiterbildungsplattform miteinander zu verknüpfen und Schnittstellen zu definieren. All das, was bereits existiere, solle über einen einheitlichen Zugang genutzt werden können, sagte die Ministerin, "egal, wo ich mich im Bildungssystem befinde". Erster Schritt sei jetzt eine Übersicht, welche digitalen Bildungsangebote es in Bund und Ländern bereits gebe oder sich in Planung befänden – und dann die Definition besagter Schnittstellen.

 

CDU: Sehr gute Ergebnisse.
FDP: Lose Ankündigungen

 

Das könnte also ein spannendes digitales Großprojekt werden, wenn dann einmal klarer ist, welchen Nutzen und Dimensionen es bekommt. Oder aber eine große digitale Luftnummer. Hauptsache, die Bundesregierung holt sich für das Vorhaben schnell professionellen Rat.  

 

Der digitalpolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski, lobte "die sehr guten Ergebnisse zu diesem höchst relevanten Zukunftsthema".  Nach dem informellen Bildungsgipfel hatte er auf Twitter kritisiert: "Inoffizielle Hinterzimmertreffen werden kein Maßstab für Entscheidungen des Bundestages sein!" Jetzt sagte Schipanski, es sei gut, "dass dieses Thema nun endlich auch auf höchster Koalitionsebene diskutiert und entschieden wurde." Jetzt komme es darauf an, die geplanten Vorhaben sinnvoll, zügig und vor allem konsequent auszugestalten. "Eine Bildungsoffensive ist der richtige Einsatz von EU-Mitteln. Nach wie vor gilt, dass der Bund den Ländern seit Jahrzehnten die Hand reicht und die Initiative ergreift. Die Bundesländer müssen nun - endlich - Ihre Hausaufgaben machen." Der Bund könne die strukturellen Probleme der für die Schulen zuständigen Länder nicht lösen.

 

Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Katja Suding, sagte, ihre Partei habe bereits vor einem Jahr einen Digitalpakt 2.0 genau mit den jetzt geplanten Maßnahmen gefordert. "Enttäuschend ist, dass weiterhin völlig unklar bleibt, wann aus diesen losen Ankündigungen endlich handfeste Verbesserungen für die Lehrkräfte und Schüler werden." Wenn Anja Karliczek keine "Ankündigungsministerin" bleiben wolle, müsse sie jetzt liefern. "Dabei sollte sie auch endlich die bürokratischen Hürden im Digitalpakt abbauen und dafür sorgen, dass die Milliarden endlich bei den Schulen ankommen."

 

Ministerin Karliczek sagte heute, Bund und Länder würden bei der Umsetzung des Digitalpakts nachsteuern, "wo die Krise offengelegt hat, dass noch mehr Dringlichkeit geboten ist."


Nachtrag am 28. August:

 

Im Tagesspiegel Background macht SPD-Chefin Saskia Esken weitere Angaben zu den noch sehr allgemein klingenden Plänen einer bundesweiten Bildungsplattform. Teil der Plattform solle ein länderübergreifendes Identitätsmanagement für Schüler und Lehrkräfte sein. "Das wäre ein wichtiges Element, wenn wir ein ID-Management über die Länder hinweg bekämen", sagte Esken. Eine solche Identitätsverwaltung würde es Schülern erlauben, Plattformen und Apps mit einem pseudonymisierten Single-Sign-On zu nutzen, ohne persönliche oder Lerndaten zu hinterlassen.

 

Die politische Absicht, ein solches bundesweites ID-Management zu etablieren, besteht schon seit Beginn des Digitalpakts. Die jüngsten Beschlüsse könnten das Tempo einer Umsetzung jetzt deutlich erhöhen.

 

Die Plattform selbst solle "dafür sorgen, dass die Schulen digital arbeiten und sich mit anderen Schulen vernetzen können", sagte Esken weiter. Auf ihr sollten unter anderem hochwertige digitale Lerninhalte bereit gestellt werden – unter strikten Datenschutz-Bedingungen. Die Kultusminister der Länder seien eng in die Gespräche eingebunden.

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Kommentare: 2
  • #1

    Karla K. (Samstag, 29 August 2020 11:20)

    Um auch hier nachzufragen:

    Ergibt sich aus den obigen Schilderungen irgendein Argument für den Bildungsföderalismus?

  • #2

    Dr. med. Wurst (Dienstag, 01 September 2020 11:44)

    1.) Auf die Gefahr hin, besserwisserisch zu erscheinen:

    Sie schreiben

    >>ERST WAREN es nur die Beschlüsse eines in der Verfassung nicht existierenden Gremiums, gestern Abend hat sich auch der GroKo-Koalitionsausschuss wesentliche Pläne des informellen Bildungsgipfels vom 14. August zueigen gemacht. <<

    Wo genau im GG finden Sie den Koalitionsausschuss ? Man könnte meinen im Art. 9 , da ist die Koalitionsfreiheit geregelt, aber das ist etwas anderes … [Hiermit soll nicht gesagt werden dass der Koalitionsausschuss verfassungswidrig sei; die Verfassung kennt bzw. nennt ihn nur nicht].

    2. Auf die Gefahr hin, mit Offensichtlichem zu langweilen [denn auf das Folgende wurde bereits
    hingewiesen, nur wohl noch nicht deutlich genug]:

    Wer glaubt, die Ausgabe von Laptops oder sonstigen mobilen Endgeräten ermögliche das dauerhafte Arbeiten damit, ohne dazugehörige technische und personelle Infrastruktur wie Server mit Leitungen und Räumen , Virenscanner, Updates, Schulungen und Administratoren hierfür, der hat noch nie mit einem Rechner gearbeitet, sondern nur gespielt.
    Jedenfalls die TECHNISCHE Infrastruktur ist grds. Sache der Schulträger, meist Kommunen, und beides verursacht DAUERKosten bzw. -Aufwand unabhängig davon ob man Laptops für alle skeptisch oder enthusiastisch betrachtet.
    Mit DAUER -Kosten aber lässt sich schlecht Wahlkampf machen, egal ob im Bund, im Land oder in der Kommune.