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Wieder Ärger um "Hochschulstart.de"

Mehr als 50 Studienbewerber berichten, wichtige Daten seien aus ihrer Online-Bewerbung verschwunden – mit dem Ergebnis, dass sie keine Zulassung erhielten. Sind sie selbst schuld – oder hat die Software ihnen den Medizin-Studienplatz geklaut?

Screenshot von Hochschulstart.de

DIESMAL WÜRDE ES KLAPPEN. Maksymilian Włodarski, 21, hatte seine Online-Bewerbung um einen Medizinstudienplatz bei "Hochschulstart.de" abgeschickt und war guten Mutes. Ein Abischnitt von 1,4, dazu kein perfektes, aber ein sehr ordentliches Ergebnis im Medizinertest. An fünf Universitäten, so rechnete er sich aus, würde er reinkommen. Happy End im fünften Bewerbungssemester. Doch es kam anders. Und Maksymilian Włodarski ist überzeugt: Die Software hinter "Hochschulstart.de" hat ihm den Studienplatz geklaut.

 

Das Online-Portal wird von der Stiftung für Hochschulzulassung betrieben, die unter anderem für die Studienplatzvergabe in den Fächern mit bundesweit gültigem Numerus Clausus (Medizin und Pharmazie) zuständig ist. 2,2 Millionen Bewerbungen hat "Hochschulstart.de" für dieses Wintersemester gezählt.

 

Doch es hakt gewaltig. So war das Bewerbungsportal vor einigen Wochen plötzlich tagelang offline – und das ausgerechnet in der Phase, in der Bewerber und Hochschulen zueinander finden sollten. In der die Bewerber nach und nach ihre Zulassungsbescheide erhalten. Auch zwischendurch sperrt die Stiftung den Online-Zugang für Hochschulen und Bewerber immer wieder, wenn auch mit Vorankündigung, um dringende Wartungsarbeiten an der Software auszuführen. Schon im vergangenen Herbst hatte der stiftungseigene IT-Beirat dem System schonungslos bescheinigt, es entspreche "nicht mehr dem Stand der Technik". Die Software hinter dem sogenannten "Dialogorientierten Serviceverfahren" (DoSV) sei "fragil", "schwer wartbar" und "auf Dauer nicht ökonomisch betreibbar". 

 

Das Ergebnis des Medizinertests
war einfach nicht mehr da

 

Ende August, die letzten Bewerbungsdeadlines waren abgelaufen, bemerkte Włodarski beim Blick ins Online-Portal: Da stimmt etwas nicht. An den Universitäten, wo er hätte hineinkommen sollen, fand er sich irgendwo zwischen Platz 5000 und 8000 in den Bewerberlisten wieder. Meilenwert entfernt von jeder Chance auf einen Studienplatz. Fieberhaft überprüfte er seine online abgelegte Bewerbung und stellte fest: Das Ergebnis des Medizinertests fehlte. Es war einfach nicht mehr da. "Ich war total vor den Kopf gestoßen", sagt Włodarski. 

 

Über Online-Foren und eine rasch gegründete WhatsApp-Gruppe fand er heraus: Er war nicht der einige, dem es so ergangen war. Über 50 Studienbewerber berichten von denselben Erfahrungen: Für ihren Bewerbungserfolg relevante Angaben, in fast allen Fällen das Ergebnis des Medizinertests, waren im System nicht vorhanden – woraufhin sie keinen Studienplatz bekamen. Einige warten schon seit über sieben Jahren darauf, endlich Medizin studieren zu dürfen – und hätten es jetzt dank der neuen Bewerbungsregeln erstmals schaffen können. 

 

Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht der Politik aufgetragen, von diesem Jahr an die Medizin-Studienplatzvergabe neu zu regeln – mit massiven Folgen auch für "Hochschulstart.de", das neben den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen wie Medizin auch viele lokale NC-Fächer koordiniert. Die altersschwache Technik, die nie wirklich hatte überzeugen können, soll zwar endlich ersetzt werden. Die Stiftung selbst, die seit Jahren Pleiten und Pannen produziert hat, befindet sich ebenfalls nach jahrelangem Verschleppen durch die Politik endlich in einem überfälligen Reformprozess, auch der langjährige Geschäftsführer musste gehen. Doch das Tal der Tränen ist lang: Die neue Software wird erst in mehreren Jahren einsatzfähig sein, weshalb zunächst das bisherige System für das neue Vergabeverfahren ertüchtigt werden musste – das nicht nur neue Regeln hat, sondern auch mehr Bewerber produziert als je zuvor. 

 

Stiftung: Fehler lag in allen
Fällen bei den Bewerbern

 

Hat die klapprige Software also tatsächlich die Bewerbungen von Włodarski und seinen Leidensgenossen verbockt? Nein, sagt Oliver Herrmann, seit 2018 administrativer Geschäftsführer der Stiftung für Hochschulzulassung. Die Technik ruckele zwar, aber "technisch sind wir durch, alle schweren Hürden des laufenden Bewerbungsverfahrens liegen hinter uns." Und was die gut 50 Betroffenen angehe: "Wir haben das inzwischen mehrfach überprüft, und weil jeder einzelne Schritt der Online-Bewerbungen vom System lückenlos dokumentiert wird, wissen wir: In allen Fällen wurde am Ende nicht auf den Speicher-Button gedrückt."

 

So hat es die Stiftung den aufgeregten Bewerbern auch auf deren Beschwerdebriefen hin mitgeteilt, was bei denen für Kopfschütteln sorgt. "Ich wusste doch, was auf dem Spiel stand", sagt Maksymilian Włodarski. "Da gehe ich doch jeden Schritt dreimal durch, und vor allem überzeuge ich mich am Ende auch dreimal davon, dass alle Angaben abgespeichert und abgeschickt wurden."

 

So ähnlich haben auch die anderen gut 50 Bewerber gegenüber der Stiftung argumentiert, sie alle bekamen einen weitgehend gleichlautenden Antwortbrief. "Wir haben alle uns bekannten Datensätze einer nochmaligen Analyse unterzogen und konnten dabei keine Auffälligkeiten oder Fehler in der Datenverarbeitung feststellen", heißt es darin. 

 

Nach Angaben der Stiftung sei es so gewesen, dass die Eingabe der Mediziner-Test-Daten im Portal "auf der entsprechenden Eingabemaske vollzogen wurde und die Daten auf dieser Maske gespeichert wurden." Woraufhin das Portal den Status "korrekt" in grüner Schrift neben den eingegeben Daten ausweise. Damit aber eine Datenübertragung vom Portal in das sogenannte DoSV-Nutzerkonto erfolgen könne, müssten die Bewerber den "Eingabevorgang als solchen" ganz am Ende nach der Zusammenfassung aller Daten erneut bestätigen, abspeichern und sich erst dann aus dem Portal abmelden. "In allen uns bekannten Fällen, in denen keine TMS (Medizinertest)-Daten übertragen worden sein sollen, ist diese finale Speicherung nicht erfolgt, mit der Folge, dass eine Berücksichtigung der TMS-Ergebnisse für das laufende Wintersemesterverfahren 2020/2021 nicht erfolgen konnte." Man bedaure, keine anderslautende Nachricht geben zu können, heißt es abschließend in den Briefen an die Betroffenen.

 

Gibt es noch eine Lösung
für die Betroffenen?

 

Oliver Herrmann, der Geschäftsführer der Stiftung, sagt, es tue ihm Leid für die Bewerber. "Gut 50 Fälle ist deutlich zu viel, gut 50 Fälle bedeuten aber auch, dass viele tausend andere Bewerber es richtig hinbekommen haben." Rechtlich sei das Verfahren daher nicht zu beanstanden. 

 

Viele der Betroffenen sehen das anders, sie haben bereits Anwälte kontaktiert. Maksymilian Włodarski ist sich noch nicht sicher, ob er klagen soll. Als erstes hat er an die Studiendekane der fünf Universitäten geschrieben, ihnen seinen Fall geschildert und um Kulanz gebeten. "Ich will nichts unversucht lassen", sagt er. 

 

Kann die Stiftung nicht einfach kulant sein und die Ergebnisse nachtragen? Ausgeschlossen, sagt Oliver Herrmann. "Das Bewerbungsverfahren ist abgeschlossen, das können wir nicht neu aufrollen. Wenn wir jetzt die Daten ändern, würden die Betroffenen vielleicht nachrücken, dafür würden aber 50 andere wieder ihren bereits zugesagten Studienplatz verlieren." 

 

Also wird "Hochschulstart.de" gar nichts tun? Doch, sagt der Geschäftsführer. Er räume ja ein, dass das Bewerbungsportal auch optisch veraltet sei. "Wir werden sicherlich neue Warnhinweise hinzufügen und noch größer und auffälliger auf jedes einzelne Speicherfeld hinweisen."

 

Włodarski wird das nichts nützen. Ihm bleibt nur die Hoffnung, dass eine der Universitäten sich großzügig zeigt. "Von der Stiftung erwarte ich mir nichts mehr", sagt er.

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Kommentare: 6
  • #1

    wiese (Montag, 28 September 2020 10:11)

    Wieso schaffen das 60000 und 50 nicht?

  • #2

    wundermann (Montag, 28 September 2020 12:18)

    Wo ist da etwas schiefgelaufen. 60000 haben es richtig gemacht, 50 sind haben nicht richtig gelesen. Scheinbar waren diese Bewerber nicht in der Lage den Knopf an der richtigen Stelle zu drücken.

  • #3

    designzählt (Mittwoch, 30 September 2020 21:28)

    Ein trauriges Beispiel dafür, dass Software mit schlechtem Design echte Konsequenzen hat.

  • #4

    bewerber (Freitag, 13 August 2021)

    Habe ähnlich unprofessionelles bei Hochschulstart erlebt. Identisch ausgefüllte Unterlagen; bei einem werden sie als gültig anerkannt, bei einem anderen nicht.
    Dieser Verein ist absolut überflüssig! Klage ist in Arbeit.

  • #5

    abgelehnt (Samstag, 01 April 2023 10:59)

    Ich bin abgelehnt worden, weil die Post nach der Frist eingetroffen sei. Sie hätte 4 Wochen gebraucht! Glaube ich nicht.

  • #6

    Florian Tim Kadellka (Donnerstag, 31 August 2023 19:50)

    Ich hatte mein studienangebot angenommen und das System hat einfach nicht wirklich gespeichert. Mir wurde gratuliert, bis mir die Uni mitteilte, dass meine Frist vorbei sei...