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Eine Million Teilnehmer

Die größte Studierendenbefragung aller Zeiten ist heute fast unbemerkt angelaufen. Der offizielle Startschuss folgt erst morgen. Was steckt hinter dem Projekt mit dem Claim "Eine für alle"?

ES IST EIN EMPIRISCHER MEILENSTEIN, den Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) morgen offiziell bekanntgeben wird. Die größte Studierendenbefragung aller Zeiten startet – mit rund einer Million Befragten an 250 Hochschulen und einer Online-Stichprobe, die damit rund ein Drittel aller Studierenden in Deutschland umfassen wird.

Wie das BMBF mir vorab exklusiv mitteilte, soll die Millionen-Befragung von jetzt an alle vier Jahre stattfinden und bisher separate Studien zusammenführen: die 1951 gestartete "Sozialerhebung" des Deutschen Studentenwerks und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das seit 1982 von der AG Hochschulforschung der Universität Konstanz verantwortete "Studierendensurvey" und die 2012 erstmals durchgeführte Befragung "beeinträchtigt studieren" (best). Auch der deutsche Teil des seit 1997 laufenden EUROSTUDENT-Projekts wird künftig über die neue Rekord-Stichprobe abgedeckt. Über EUROSTUDENT werden die Lebenssituationen europäischer Studierender miteinander verglichen.

"Eine für alle", lautet denn auch der Claim, mit dem "die Studierenden­befragung in Deutschland", so ihr offizieller Titel, an den Start geht. Tatsächlich sind bereits heute die ersten Studierenden per E-Mail zur Teilnahme an der Online-Befragung eingeladen worden – nach dem Zufallsprinzip von der eigenen Hochschule ausgewählt. Das BMBF leistet die Finanzierung – wie schon vorher bei den jetzt zusammengeführten Studien.

Die Ergebnisse soll es 2022 geben

Bis Ende August sollen alle eine Million Online-Fragebögen im Kasten sein, die Ergebnisse werden "nach einer intensiven Phase der Datenaufbereitung" nächstes Jahr erwartet. Sie sollen Auskunft geben über die finanzielle Lage Befragten, ihre Wohnbedingungen, den Studienalltag gerade auch im rein digitalen Lehrbetrieb, über die psychosoziale Situation der Studierenden, ihre politischen Einstellungen, ihre bisherigen Bildungskarrieren und vieles mehr.

Was die Studierendenbefragung angesichts der Pandemie und ihren tiefgreifenden Folgen für die Studierenden noch mehr zu einer grundlegenden Bestandsaufnahme macht, die die bildungs- und hochschulpolitische Debatte absehbar und auf Jahre hinaus prägen wird.

Spannend wird vor allem auch, wie tief die Coronakrise die Studierenden tatsächlich getroffen hat, ob die umstrittene BMBF-Überbrückungshilfe genügend Betroffenen helfen konnte – und ob Karliczeks These zutrifft, dass die geringe Zahl an BAföG-Beziehern Ausdruck der überwiegend guten wirtschaftlichen Lage der meisten Studierenden sei. Was Hochschulrektorenkonferenz, Studentenwerke, Gewerkschaften und Bundestagsopposition bestreiten – und deshalb eine umfassende Reform der Studienfinanzierung fordern.

Sie bitte alle Studierenden, die zur Befragung eingeladen wurden, "ganz herzlich: Machen Sie mit!", sagte Ministerin Karliczek. "Wir wollen wissen, wie Sie Ihr Studium meistern."

Der Hochschulforscher Thomas Hinz von der Universität Konstanz betonte, die neue Befragung liefere Daten in einer Breite, die der Hochschulforschung völlig neue Möglichkeiten biete. "Wir werden belastbare Ergebnisse in einer großen Tiefenschärfe erhalten."

Tatsächlich führt die hohe Zahl der Befragten dazu, dass sich auch kleinere Teilgruppen der Studierenden repräsentativ abbilden lassen: etwas Studierende mit Kindern, internationale Studierende, Studierende ohne Abitur oder in berufsbegleitenden Studiengängen. Die Befragung sei auch sensibel für Fragen der Diversität, sozialer Ungleichheit und der Geschlechtsidentität, betonen ihre Macher.

Fällt es so wieder leichter, die Studierenden zu erreichen?

Die Zusammenlegung der bislang getrennten Studien dürfte den Beteiligten trotzdem nicht nur leicht gefallen zu sein. Gerade die "Sozialerhebung", aber auch das "Studierendensurvey" hatten sich zu festen Bezugspunkten in der Hochschulforschung entwickelt – und brachten ihren Machern große Aufmerksamkeits- und Reputationsgewinne. Man denke nur an den "Bildungstrichter" in der Sozialerhebung und die regelmäßigen Debatten darüber.

Doch ist die neue, alles umfassende Millionen-Befragung offenbar auch Konsequenz der immer größeren Schwierigkeiten der Forscher, die Hochschulen zur Unterstützung bei der Rekrutierung der Studierenden zu motivieren – und diese selbst zum Mitmachen. Weshalb die wissenschaftliche Geschäftsführerin des DZHW, Monika Jungbauer-Gans, unterstrich: "Dadurch, dass wir mehrere bisher isoliert durchgeführte Befragungen zu einer einzigen vereinigen, entlasten wir die Hochschulen."

30 bis 35 Minuten werde aus Ausfüllen des Online-Fragebogens dauern, rechnete Rolf-Dieter Postlep, der Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW) vor. Auch er bat die zur Befragung eingeladenen Studierenden, diese Zeit zu investieren. "Sie leisten einen aktiven Beitrag, die Studienbedingungen und die sozialen Rahmenbedingungen des Studierens zu verbessern."

Die Website mit allen Informationen für Hochschulen, Studierenden und die interessierte Öffentlichkeit ist bereits freigeschaltet.

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