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Bundesregierung: Hochschulen sind keine Schulen

Nach heftigen Protesten soll die Bundesnotbremse geändert werden und den Studienbetrieb anders behandeln als Schulunterricht.

DER PROTEST KAM spät, aber er zeigt offenbar Wirkung. Das Bundeskabinett hat am Montag eine sogenannte Formulierungshilfe für eine Änderung der erst kürzlich in Kraft getretenen Bundesnotbremse beschlossen. Heute Mittag schon sollte der daraus entstandene Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen in erster Lesung im Bundestag debattiert werden.

 

Damit reagiert die GroKo auf die Kritik von Hochschulen und Wissenschaftsministern, das reformierte Infektionsschutzgesetz setze unsinnigerweise das Studium mit dem Schulunterricht gleich und untersage wichtige Teile des Lehrbetriebs – inzidenzabhängig, aber ohne Berücksichtigung der an den Hochschulen anderen Verhältnisse.

 

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Michael Meister (CDU), teilte nun in einem Schreiben an den Grünen-Bildungspolitiker Kai Gehring mit, die vom Kabinett beschlossene Formulierungshilfe zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes begegne "Unsicherheiten in Umfang und Reichweite der bisherigen Regelung".

 

Insbesondere sollen Hochschulen von der Pflicht zum Wechselunterricht ausgenommen werden. Auch sollen laut Meister praktische Ausbildungsabschnitte an Hochschulen, "die nur in besonders ausgestatteten Räumlichkeiten oder Lernumgebungen (zum Beispiel in Laboren oder im Krankenhaus) durchgeführt werden können, unter Voraussetzung regelmäßiger Testungen möglich bleiben."

 

Grüne sprechen
von "Karliczek-Novelle"

 

Dem Anliegen der Wissenschaftsminister sei damit Rechnung getragen, befindet Meister in seiner Antwort an Gehring, der Sprecher für Wissenschaft und Forschung der grünen Bundestagsfraktion ist. Gehring hatte in einer schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung wissen wollen, welche Schlussfolgerung die Bundesregierung aus dem Protest der Wissenschaftsminister ziehe.

 

"Die weltfremde Annahme, Hochschulen sollten wie Schulen Wechselunterricht anbieten, muss nun korrigiert werden",  kommentierte Gehring die geplante neuerliche Gesetzesänderung in Rekordzeit nach gerade einmal drei Wochen. Für Bildungsministerin Anja Karliczek seien Hochschulen und Studierende fremde Welten geblieben. Das Infektionsschutzgesetz bekomme daher jetzt eine "Karliczek-Novelle". Zu Hochschulen passe kein Wechselunterricht, auch bei hohen Corona-Inzidenzen müsse Präsenz für das Lernen und Studium mit Praxisbezug möglich sein. 

 

Alle 16 Landeswissenschaftsminister hatten Karliczek und Bundesgesundheitsminister Spahn am Tag, nachdem Bundespräsident Steinmeier das neue Infektionsschutzgesetz unterzeichnet hatte, einen gemeinsamen Brandbrief geschrieben und Klarstellungen und Nachbesserungen gefordert.

 

Die Regelungen für den Hochschulbereich übertrügen "die für den Schulbereich konzipierten Regelungen, ohne die Unterschiede und Besonderheiten des Hochschulbereichs angemessen zu berücksichtigen", kritisierten die Ressortchefs. "Hochschulseitig erreichen uns daher nunmehr zahlreiche und dringende Auslegungsfragen."

 

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hatte bereits vor Verabschiedung des Gesetzes durch Bundestag und Bundesrat  ungewöhnlich heftig im Ton gegen den Wortlaut protestiert. Die "pauschale(n) und untaugliche(n) Regelungen für den Lehr- und Studienbetrieb an den Hochschulen" gefährdeten die bisherigen Leistungen der Hochschulen.

 

Vergangene Woche räumte HRK-Präsident Peter-André Alt ein, dass viele Hochschulen mit Unterstützung der Wissenschaftsminister eine Interpretation des Infektionsschutzgesetzes gewählt hätten, die im Kern darauf hinauslaufe, die Regelungen für die Hochschulen nicht zu beachten.

 

In einem Gastbeitrag hier im Blog kritisierte die Geschäftsführerin der Landespersonalrätekonferenz der wissenschaftlich Beschäftigten NRW, Bernadette Stolle, das Vorgehen der Hochschulen. Man könne die derzeit geltenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz für falsch halten. Doch was nicht gehe:  dass Hochschulen mit Unterstützung von Wissenschaftsministern anfingen, demokratisch beschlossene Gesetze zu missachten. 


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