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Gewinner waren Gewinner, Verlierer blieben Verlierer

Der angebliche Wettbewerb führt sich zunehmend selbst
ad absurdum. Wie eine zukunftsorientierte Wissenschaftspolitik anstelle der "Exzellenzstrategie" aussehen würde:
ein Gastbeitrag von wissenschaftspolitischen Sprecher:innen
der Linken aus Bund und Ländern.

Statt weiterer Versäulung lieber Kooperationen fördern. Foto: Walter Frehner / Pixabay. 

THEORETISCH SOLLTEN die Exzellenzinitiative und auch die nachfolgende Exzellenzstrategie das Wissenschaftssystem insgesamt auf eine höhere Qualität und Leistungsfähigkeit bringen. Also auch diejenigen Hochschulen, die selbst im Wettbewerb nicht erfolgreich waren. Praktisch trat dieser Fahrstuhleffekt allerdings nicht ein, Gewinner waren Gewinner und Verlierer blieben Verlierer. Angesichts der Unterfinanzierung in der Breite kam diese Erkenntnis für uns nicht überraschend.

 

Wie schon zum Ende der ersten beiden Förderperioden fällt nun auch bei der "ExStra" auf, dass nur zusätzliches Geld auch zusätzliche Leistungen erzeugt. Und dass der angebliche Wettbewerb sich zunehmend selbst ad absurdum führt. Denn um ein Wettbewerb zu bleiben, müssten etablierte Standorte rausfallen und neue in die Förderung aufgenommen werden können. Aber kein:e Landesminister:in will den eigenen Universitäten erzählen, dass die Zeit der zusätzlichen Förderung nun leider abgelaufen sei. 

 

Zwischen Wettbewerb
und Besitzstandswahrung

 

Angesichts dieses Widerspruchs entspinnt sich die Debatte zwischen dem beinahe dogmatisch vorgetragenen Wettbewerbsargument als Kernidee der Exzellenzförderung auf der einen und der Besitzstandswahrung – oder schöner: der Nachhaltigkeit – auf der anderen Seite. 

 

Union und Grüne auf der einen und die SPD in den Ländern auf der anderen Seite fordern unisono mehr Geld. Die einen, um neue Cluster fördern und alte weiterbestehen lassen zu können. Die anderen, um die Förderung auf deutlich mehr Standorte zu verteilen und damit auch kleine Städte etwa im Osten zu erreichen. 

 

In der Vergangenheit waren auch die mangelnde Unterstützung der Lehre und die fehlende Einbindung der Fachhochschulen, sowie die tausenden befristeten Stellen ohne Perspektive Anlass, Korrekturen an der Exzellenzstrategie zu fordern. Genutzt hat all das nichts. Noch nicht einmal die Evaluationsergebnisse der Imboden-Kommission aus dem Jahr 2016, die die kontraproduktiven Auswirkungen der Exzellenzinitiative in den Blick nahmen, reichten für ein Umdenken aus. Das Motto war weitermachen – trotz offensichtlicher wettbewerbsimmanenter Fehlentwicklungen bei Lehre und Beschäftigungsbedingungen. Diese "Kollateralschäden" und Nebenwirkungen bleiben bis heute bestehen. 

 

Was nach all den Metamorphosen
von der Ursprungsidee übrig blieb

 

Wer die Metamorphosen der Exzellenzförderung seit der ersten Idee des SPD-Parteivorstandes in den "Weimarer Leitlinien Innovation" 2004 bis heute anschaut, der stellt fest, dass von all den strategischen Zielen über die Jahre vor allem eines geblieben ist: der Bund soll interdisziplinäre Forschungsprojekte fördern. 

 

Von den Exzellenzunis, also der zweiten Fördersäule, hingegen spricht kaum noch jemand, seit klar ist, dass auch nicht (mehr) geförderte Universitäten gleich schlecht, mittelmäßig oder gut sind wie die geförderten und dass ganz andere Kriterien – etwa die pure Größe – über internationale Sichtbarkeit entscheiden. Die "exzellente" Nachwuchsförderung in Graduiertenschulen wird derweil gerade still und leise in bereits etablierten Schools aufgehoben oder ganz abgewickelt.


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Wir als Linke haben die strategische Falle, in die die Hochschullandschaft mit der proklamierten Erst-, Zweit- und Drittklassigkeit gebracht wurde, von Anfang an kritisiert. Natürlich ist kein deutsches Harvard oder Oxford entstanden, dafür aber die Frage, welchen Status die Uni Göttingen, das KIT oder Münster und Braunschweig eigentlich haben. Von den Unis im Osten, die sich gar nicht erst bewerben konnten, wie auch den Fachhochschulen ganz zu schweigen. Wettbewerb ist der Wissenschaft inhärent, er muss nicht künstlich erzeugt werden. 

 

Deshalb braucht es ein Umdenken und wir schlagen folgende Schritte vor: 

 

1. Die Förderung interdisziplinärer Cluster sollte zukünftig in die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft integriert werden. Zudem sollten Fachhochschulen in die Clusterförderung einbezogen werden. Neben Universitäten und Forschungseinrichtungen sind sie wichtige Partner von Forschungsverbünden vor Ort.

 

2. Der Bund muss sich auf Dauer an der Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligen. Der Zukunftsvertrag Lehre und Studium muss zu diesem Zweck weiterentwickelt werden. Insbesondere sind Tarif- und Kostenaufwüchse sowie die unterschiedliche Kostenstruktur der verschiedenen Fächer(-gruppen) transparent in den Haushalten abzubilden. Auch müssen verbindliche Instrumente vereinbart werden, damit die mit der Bundesfinanzierung verkoppelten Ziele erreicht werden  – aktuell etwa die Einrichtung von entfristeter Beschäftigung im Mittelbau oder die Verbesserung der Betreuungsqualität.

 

3. Bund und Länder sollten die Weichen auf Integration des Wissenschaftssystems insgesamt stellen. Die Versäulung der außeruniversitären Forschung und des Hochschulsystems ist bestenfalls historisch zu erklären, konnte aber auch durch die projektbasierte Verbundförderung im Rahmen der Exzellenzstrategie nicht überwunden werden. Anstatt weiterer Projekte sollten strukturelle und dauerhafte Kooperationen bis hin zu Fusionen wissenschaftspolitisch vorbereitet werden. Vorbilder existieren mit dem Karlsruher Institut für Technologie oder mit dem Berlin Institute of Health.

 

4. Die zweite Säule "Exzellenzuniversitäten" sollte auslaufen. Sie hat aus unserer Sicht und auch aus Sicht der Evaluation und vieler Hochschulforscher:innen keinen nachweislichen Nutzen für das Gesamtsystem erzeugt. Die Fördermittel für die zweite Säule bleiben im Vergleich zum Gesamtvolumen eher gering, stattdessen ging es um das Herausheben eines besonderen symbolischen Status, der wettbewerbsfördernd wirken sollte. Das wissenschaftspolitische Paradigma aus Beginn der 2000er Jahre, deutsche Universitäten an die Spitze globaler Rankings zu bringen, sollte zugunsten eines nachhaltigen Konzepts von Kooperation, Öffnung, Internationalität und Qualität in Breite und Spitze modernisiert werden. 

 

Angesichts absehbarer Verteilungskämpfe um knapper werdende Mittel plädieren wir grundsätzlich dafür, diese Bundesmittel auf die drängenden Mängel des Hochschulsystems zu konzentrieren. Der Paradigmenwechsel muss aus unserer Sicht darin bestehen, den Bund dauerhaft, strukturell und verlässlich in die Finanzierung des Hochschulsystems einzubinden. Das funktioniert nicht über befristete wettbewerbliche Programme, sondern über gemeinsame Strukturen und Verantwortung.

 

Dieser Beitrag wurde verfasst von Nicole Gohlke (MdB), Petra Sitte (MdB),
Tobias Schulze (MdA Berlin), Christian Schaft (MdL Thüringen), Isabelle Vandré (MdL Brandenburg), Anna Gorskih (MdL Sachsen), Stephanie Rose (MdHB Hamburg), Miriam Strunge (MdL Bremen), Hendrik Lange (MdL Sachsen-Anhalt).




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Kommentare: 2
  • #1

    Die üblichen Verdächtigen ... (Dienstag, 08 Juni 2021 09:02)

    Es ist erfreulich, dass das Thema "Hochschulfinanzierung" wieder stärker politisch diskutiert wird, vor allem, da sich ja immer mehr zeigt, dass die wissenschaftliche Selbstverwaltung nur begrenzt selbststeuerungsfähig ist. Die notwendigen Reformen werden von den Rektoraten und Präsidien (z.B. in Berlin) oft mit dem Verweis auf vermeintliche "Erfolge" in den letzten Jahren abgelehnt - die sich bei genauerem Hinweis als Potemkinsche Dörfer entpuppen, weil "Erfolg" mit "Drittmittel aus der Exzellenz-Initiative" gleichgesetzt wird.

    Aber nur über Hochschulfinanzierung zu sprechen, reicht nicht, man muss sich auch mit der Governance in der deutschen Wissenschaft allgemein befassen: Die Urteile des BVerfG zur paritätischen Gremienbesetzung stammen überwiegend aus der Zeit vor der Einführung der W-Vergütung. Wenn man jetzt ein Element wettbewerblicher Steuerung wieder aus dem System entfernt, die Governance aber vernachlässigt, könnte es sein, dass die erhofften Wirkungen (faire Beschäftigung im "Mittelbau", stärker uneigennützige Forschung, bessere Lehre) nicht erreicht werden, weil die zusätzlichen Mittel im System "verpuffen". Wenn die Stimmen der Studierenden z.B. nicht zusätzliches Gewicht erhalten, so dass sie ihr Interesse an guter und engagierter Lehre universitätsintern auch durchsetzen können, dann wird sich die Hochschullehrerschaft sich weiterhin vor allem in der prestigeträchtigen und leistungszulagenfähigen Drittmittelforschung engagieren.

  • #2

    McFischer (Dienstag, 08 Juni 2021 11:16)

    Die Forderung, die Säule der "Exzellenzuniversitäten" auslaufen zu lassen, ist sicherlich sinnvoll. Aber auch bei den Exzellenzclustern erscheint mir das Problem zu sein, dass es mehrere Jahre braucht, um alle Stellen in so einem Cluster überhaupt zu besetzen - und falls dann nicht verlängert wird (siehe Normative Ordnungen in Frankfurt/M.) steht 'man' plötzlich mit einer großen und guten Forschungseinrichtung da, die man rein finanziell betrachtet eigentlich abwickeln müsste.
    Die konstruktive Seite des Vorschlags der Linken-Abgeordnetenen mit 'Der Bund soll mehr Geld geben' finde ich allerdings auch wenig innovativ. Man muss schon sehr gut überlegen (hier folge ich meinem Vor-Kommentator) wie über dieses Geld dann entschieden wird.