Direkt zum Inhalt

Nur wenige Prozent betroffen?

Wie viele Berliner Postdocs müssen wegen der Reform des Hochschulgesetzes tatsächlich entfristet werden? Und wie viele haben schon jetzt eine Dauerstelle? Eine Auskunft der Berliner Senatsverwaltung schafft nur teilweise Aufklärung.

BERLINS UNIVERSITÄTEN beschäftigen zurzeit 12.245 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen gut die Hälfte, 6.737, haushaltsfinanzierte Stellen haben. So hat es die (noch) für Wissenschaft und Forschung zuständige Berliner Senatskanzlei dem linken Abgeordneten Tobias Schulze auf seine parlamentarische Frage hin mitgeteilt.

2.003 der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben demzufolge unbefristete Arbeitsverträge, das entspricht einem Anteil von 29,7 Prozent an allen WiMi-Haushaltsstellen und von 16,4 Prozent an allen WiMi-Positionen insgesamt.

Allerdings fallen unter die angegebenen Haushaltsstellen auch tausende Doktoranden, die zurzeit in jedem Fall befristet beschäftigt sind. Von den berlinweit 5.009 Postdocs (promovierten WiMi) haben 3.354 (67,0 Prozent eine Haushaltsstelle). Wie viele von ihnen Dauerstellen haben, lässt sich aus der Antwort der Senatsverwaltung nicht ableiten. Ihre Quote muss aber zwangsläufig deutlich höher liegen.

Die von den Universitäten gelieferten Zahlen sind auch deshalb mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, weil die HU "aufgrund technischer Restriktionen" auch die Lehrkräfte für besondere Aufgaben und Lektoren mit angegeben hat. Weshalb, sagt Tobias Schulze, die HU-Entfristungszahlen höher seien.

Der Anteil der haushaltsfinanzierten wie auch der unbefristeten Stellen fällt je nach Universität unterschiedlich aus. So speisen sich an der Charité 3.688 (67,8 Prozent) aller 5.435 WiMi-Stellen aus dem Haushalt. An der HU sind es 1.154 (59,2 Prozent) von 1.949, an der Freien Universität (FU) 985 (43,9 Prozent) von 2.246, an der Technischen Universität 860 (33,9 Prozent) von 2.534. Die Universität der Künste beschäftigt 50 von 81 wissenschaftlichen Mitarbeitern (61,7 Prozent) auf Haushaltsstellen.

Wie viele Wissenschaftler der neue Paragraph 110 des Hochschulgesetzes betrifft

Dauerverträge haben – wiederum unter Einbeziehung auf jeden Fall befristeten Doktoranden – 22,2 Prozent aller angegebenen WiMis an der HU, 9,2 Prozent an der FU und 6,0 an der TU. Die Charité kommt ebenfalls auf 22,2 Prozent, die UdK auf 4,9 Prozent.

Interessant wird es auch bei der Frage, wie groß die Zahl der befristet beschäftigten Mitarbeiter an den einzelnen Universitäten insgesamt ist, die unter die neue in Paragraph 110 des Berliner Hochschulgesetzes formulierte Entfristungs-Regelung für Postdocs fallen, also das Qualifizierungsziel "Berufungsfähigkeit" (Habilitation oder ähnliches) haben – und bei wie vielen von ihnen die Arbeitsverträge 2021 oder 2022 auslaufen.

Hierzu konnte die TU wegen des großen Hackerangriffs, mit dem sie konfrontiert war, keine Angaben machen. Auch die Charité teilte mit, keine eindeutige Auskunft geben zu können, da in vielen Fällen weitere Qualifikationsziele angestrebt und erreicht würden – was auch immer das bedeuten soll. Und die UdK, berichtete die Senatsverwaltung in ihrer Antwort an Schulze, könne das Qualifiktionsziel nicht auswerten.

Womit nur HU und FU antworteten. An der Humboldt-Universität gibt es insgesamt 270 solche wissenschaftliche Mitarbeiter. Bei 20 endet der Vertrag noch dieses Jahr, bei weiteren 107 nächstes Jahr. Die Freie Universität beziffert die Zahl auf 167, vier sind bis Ende dieses Jahres befristet angestellt, weitere 48 bis irgendwann 2022.

Nur sie, sagt Tobias Schulze, seien überhaupt von der Neuregelung betroffen. "Wir reden insgesamt je nach Uni über fünf bis acht Prozent der WiMi-Stellen. Von Verstopfung kann keine Rede sein."

Klar ist auf jeden Fall eines: Die Berliner Universitäten müssen dringend an der Qualität ihres Zahlenmaterials arbeiten.


Exzellente Krise

Die Berlin University Alliance stoppt Dutzende Stellenbesetzungen und macht dafür das umstrittene Hochschulgesetz verantwortlich. Der Konflikt um den Exzellenzverbund trifft die Wissenschaftsszene der Hauptstadt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. (20. Dezember 2021) >>>

Kommentare

#1 -

David J. Green | Mo., 20.12.2021 - 18:19
Nein, in Berlin sind die Doktorand*innen NICHT in jedem Fall befristet beschäftigt.

Begründung: In diesem Artikel wurde der Einfachheit halber dort „entfristet“ geschrieben, wo das Gesetz „befristet beschäftigt, aber mit Anschlusszusage“ sagen würde. Denn nach §110 Abs. 6 BerlHG KANN eine Anschlusszusage an jedem/jeder WiMi mit Qualifikationsstelle ausgesprochen werden, soweit (s. Gesetzesvorlage, Begründung) „seitens der Hochschule ein solcher Bedarf gesehen wird und entsprechende Möglichkeiten bestehen.“ Hier wird keine Promotion vorausgesetzt. Die späte, kontroverse Änderung der Gesetzesvorlage fügt lediglich hinzu, dass bei Postdocs mit Qualifikationsziel „Erlangen der Berufbarkeit“ eine Anschlusszusage auszusprechen IST.

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Vorherige Beiträge in dieser Kategorie


  • Ein Absturz sondergleichen! – Aber die Grundidee ist weiter eine großartige!

Ein Absturz sondergleichen! – Aber die Grundidee ist weiter eine großartige!

Einst förderte es über 40 Prozent aller Studierenden, heute noch elf Prozent: Das Bafög ist ein Schatten seiner selbst. Taugen die Ampel-Pläne, um es wieder erstklassig zu machen?


  • Hört auch auf die Leisen!

Hört auch auf die Leisen!

War es falsch, das Wintersemester in Präsenz zu starten? Nein – auch wenn viele Studierende jetzt doch in Distanz lernen müssen.


  • Artikelbild: Nicht mit Schlamm zurückwerfen, sondern mit Blümchen

Nicht mit Schlamm zurückwerfen, sondern mit Blümchen

Nach dem Streit um eine Kandidatenliste will der Hochschulrat der TU Chemnitz die anstehende Rektorwahl neu ausschreiben. Doch der Ärger scheint damit nicht vorbei zu sein. Mittendrin: Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer.


Nachfolgende Beiträge in dieser Kategorie


  • Exzellente Krise

Exzellente Krise

Die Berlin University Alliance stoppt Dutzende Stellenbesetzungen und macht dafür das umstrittene Hochschulgesetz verantwortlich. Der Konflikt um den Exzellenzverbund trifft die Wissenschaftsszene der Hauptstadt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.


  • allgemeines Artikelbild - Der Wiarda Blog

Ein neuer Ton

Die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zieht eine schonungslose Bafög-Bilanz und kündigt eine umfassende Reform an. Inhaltlich wenig überraschend. Doch die Klarheit und Entschlossenheit stimmen hoffnungsvoll.


  • Harter Realitätscheck für die Berliner Wissenschaft

Harter Realitätscheck für die Berliner Wissenschaft

Eben war Wissenschaftspolitik in der Hauptstadt noch Chefsache, jetzt ist eine Gesundheitsdezernentin aus Kassel Senatorin und eine Volljuristin ohne Wissenschaftsexpertise Staatssekretärin – mitten in der größten Universitätskrise seit Jahren. Und nun?