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Stark-Watzinger will repräsentatives Corona-Monitoring vorantreiben

Die Forschungsministerin sieht im Gegensatz zu Gesundheitsminister Lauterbach einen Mangel an Daten zur verlässlichen Pandemiebeobachtung – und lässt mögliche Studien explorieren.

DAS BUNDESGESUNDHEITSMINISTERIUM von Karl Lauterbach (SPD) sieht wie gestern berichtet auch künftig keine Notwendigkeit zu einem Corona-Panel, das regelmäßig bevölkerungsrepräsentative Daten über die Infektionslage liefern würde. Seine Antwort auf eine parlamentarische Frage aus der Linksfraktion hatte das Ministerium freilich so formuliert, als gelte diese Einschätzung für die gesamte Bundesregierung. Jetzt zeigt sich immer deutlicher: Das stimmt so nicht. 

 

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte gestern gesagt, sie sei davon überzeugt, dass zusätzlich zu den Meldungen von Krankenhäusern, Arztpraxen und Gesundheitsämtern Daten repräsentative Bevölkerungsstudien zu Corona nötig seien. "An der wissenschaftlichen Begleitung solcher Studien könnte sich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligen. Deshalb möchte ich darüber mit Wissenschaftlern ins Gespräch kommen."

 

Was genau aber soll das bedeuten? Aus dem BMBF heißt es dazu heute, man sei bereits dabei, das zu diesem Zweck am besten geeignete wissenschaftliche Format zu identifizieren. Es könne sich dabei um eine neu aufgelegte Untersuchung handeln oder aber um die Einbindung in bestehende Kohorten wie die NAKO Gesundheitsstudie. Auf regionaler Ebene käme auch die sogenannte Rheinland-Studie in Frage. 

 

Die NAKO Gesundheitsstudie, ehemals "Nationale Kohorte" genannt, startete 2014 und umfasst rund 200.000 Menschen zwischen 20 und 69, die regelmäßig medizinisch untersucht, zu ihren Lebensumständen und zu ihrer Krankheitsgeschichte befragt werden. Die Rheinland-Studie erforscht bei bis zu 30.000 Teilnehmern über Jahrzehnte hinweg das Zusammenspiel von Erbfaktoren, Lebenswandel und Umwelteinflüssen auf die Gesundheit. Beide Studien werden zu großen Teilen durch Stark-Watzingers Ministerium finanziert.

 

Vorbild ist das britische
"Covid-19 Infection Survey"

 

Ideen, die NAKO nach dem Vorbild des britischen "COVID-19 Infection Survey" zu nutzen, sind nicht neu. Die Vorteile bestünden vor allem in der Größe und Langfristigkeit der Stichprobe und der eingespielten medizinischen Infrastruktur. Im Gegensatz zum nur jährlich stattfindenden "Leben in Deutschland – Corona-Monitoring" mit bis zu 28.000 Teilnehmern, das auf dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) aufsetzt, aber weder aktuelle Infektionsdaten liefern noch dieselbe Auswertungstiefe nach erreichen kann.

 

Doch berichteten Anfang 2021 etwa Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen, dass sie mit ihrem Vorstoß in Richtung NAKO nicht erfolgreich gewesen seien. "Unser Konzept fand sogar Zustimmung des Robert-Koch-Instituts (RKI)", sagte damals die BIPS-Direktorin Iris Pigeot. 

 

Warum trotzdem nichts aus der Intiative wurde, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Egoismen auf Seiten einiger NAKO-Forscher seien verantwortlich gewesen, sagen die einen. "Die saßen auf ihrer Studie und wollten nicht teilen." Andere sagen, das BMBF habe ein solches Panel nicht finanzieren wollen, dort habe man die Bedeutung des Vorhabens nicht erkannt.

 

Bundesforschungsministerium und Bundesgesundheitsministerium teilten damals auf Anfrage und gleichlautend mit, als Panel zum allgemeinen Monitoring des Infektionsgeschehens in Deutschland sei die NAKO "wenig geeignet – u.a. aufgrund ihrer Komplexität und ihres Stichproben- und Studiendesigns, die spezifisch auf das zugrunde gelegte wissenschaftliche Konzept zugeschnitten sind." 

 

Zumindest im BMBF könnte sich diese Einschätzung unter neuer Führung jetzt gewandelt haben. Wobei viele Fragen bleiben: Zum Beispiel fehlen bei der NAKO die Kinder und Jugendlichen unter 20 – deren Betrachtung aber besonders wichtig wäre.

 

Bis zum Herbst, heißt es jedenfalls aus Stark-Watzingers Haus, wolle man auf jeden Fall eine bessere Datenlage in der Corona-Pandemie erreicht haben. Die es, siehe oben, laut Gesundheitsminister Lauterbach ja gar nicht braucht. 




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