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Es werde DATI

Seit gestern kursieren die BMBF-Eckpunkte zur neuen Transferagentur. Verwirrend ist die Art, wie sie an die Öffentlichkeit kamen. Das Konzept selbst ist vom Ansatz her faszinierend, aber viele Fragen sind noch offen. Eine Analyse.

DAS GING SCHNELL: Kaum hatte das Bundesforschungsministerium das bislang unveröffentlichte Eckpunktepapier zur Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) an die ersten Bundestagsabgeordneten gegeben, schon landete es bei der Presse. Heute berichteten bereits das Handelsblatt und der Tagesspiegel Background über die als "Grobkonzept" überschriebenen sechs Seiten. Das Interesse in der Szene wundert nicht, schließlich handelt es sich um das erste innovationspolitische Großprojekt aus dem Haus der neuen BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP). 

 

Verantwortet wird es vor allem durch ihren parlamentarischen Staatssekretär Thomas Sattelberger (FDP), der in den vergangenen Wochen im Hintergrund an dem Papier gefeilt hatte. Angekündigt hatte Sattelberger die Eckpunkte für Ende März, der Zeitpunkt passte also – sonst aber stellten sich angesichts des "Grobkonzepts" reichlich Fragen. Die wichtigste: Warum Stark-Watzinger und Sattelberger das Konzept, wenn es schon veröffentlicht werden sollte, dann nicht selbst vorgestellt und kommentiert haben. Die Gelegenheit wäre da gewesen: Die Ministerin redete gestern vor dem Bundestag – und sagte zur DATI kein Wort.

 

Stattdessen und skurrilerweise wurden die Eckpunkte gestern wenig später per Mail und inklusive Pressestatement ("Mit der DATI wird heute der Innovationsturbo der Zukunft gezündet!") vom innovationspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Mario Brandenburg, an die Presse verschickt. Kurz nachdem das sogenannte "Berichterstatter"-Gespräch zu dem Konzept stattgefunden hatte – das ist der Moment, in dem die für das Thema Innovation zuständigen Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen vom BMBF informiert werden.

 

Auf Anfrage bestätigte Sattelberger heute Vormittag auffällig wortkarg, dass es sich bei dem verschickten Papier tatsächlich um die offiziellen, von der Ministerin unterzeichneten Eckpunkte "für die weiteren Gespräche im parlamentarischen Raum, aber auch mit den weiteren Stakeholdern" handle. Warum es dann von Mario Brandenburg und nicht vom BMBF verschickt wurde, dazu wollte der Staatssekretär nicht sagen. Offenbar weil es sich, die Vermutung liegt nahe, um ein Missverständnis, man könnte auch sagen: Tolpatschigkeit Brandenburgs, gehandelt hat. 

 

Führte eine Tolpatschigkeit
zur Vorab-Veröffentlichung?

 

Der übrigens gestern auch gleich noch die beim Berichterstatter-Termin präsentierten Powerpoint-Folien aus dem Ministerium mitversandte. Auf denen zu lesen war, dass dies "interne Vorabüberlegungen des BMBF" seien, noch nicht mit dem Finanzministerium abgestimmt.

 

Insgesamt ist das, was auf dem Tisch liegt, aber bereits ein faszinierendes Konzept, das Innovationsförderung einmal ganz anders denkt, als man es aus Ministerien bislang kannte. Dass es noch größere Lücken enthält, begründet Sattelberger heute Morgen auf Nachfrage so: Man habe sich bewusst auf die "Non-Negotiables" beschränken wollen, auf die Leitplanken, um auf der Grundlage jetzt zeitnah den versprochenen Stakeholder-Dialog zu beginnen.

 

Was die sechs Seiten bereits festlegen: Die DATI soll eine schlanke und agile Organisation haben, ihre Gremienstruktur soll "auf das Wesentliche reduziert" sein. Sie soll die "erforderlichen rechtlichen Freiheitsgrade" erhalten, um ihre Aufgaben "effektiv umsetzen zu können", mit einer auf "das notwendige Minimum" beschränkten politischen Steuerung. 

 

Alles bereits bekannte politische Ziele, bei denen allerdings vor allem die Umsetzung in der Governance brennend interessiert. Und da ist das Papier noch sehr ungefähr. Es soll ein "Leitungsgremium" geben mit weitreichenden strategischen Zuständigkeiten und unterstützt von einer ebenfalls als schlank bezeichneten Geschäftsstelle für administrative Aufgaben. 

 

Die Kontrollfunktion soll ein "fachkundig besetztes Aufsichtsgremium" ausüben in "handhabbarer Größe". Ein "Transfer- und Innovationsrat", bestehend aus "Vertreterinnen der"regionalen und nationalen Stakeholder, einschließlich zivilgesellschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern" fungiert als "Impulsgeber" und "Ideenlabor" für die Förderstrategien und Förderprogramme der DATI, außerdem berät der Rat die beiden anderen Gremien. 

 

Wie aber definiert sich das "Minimum" der notwendigen politischen Steuerung, was bedeutet das für die Kompetenzen und die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums? Was bedeutet eine "schlanke" Geschäftsstelle? Wer genau sind die Stakeholder im Rat? 

 

"Regionalcoaches" und
ein Servicecenter

 

Bereits konkreter werden die gewollten "Freiheitsgrade" bei den Rahmenbedingungen der DATI-Förderung beschrieben: "insbesondere marktübliche Vergütungen, überjährige Mittelverwendung, kurzer Weg von der Idee bis zur Ausreichung der Förderung ("time to grant")". Der rasche Abbruch von Projekten soll möglich sein, wenn die vorgesehenen "harten Meilensteine" nicht erreicht werden.

 

Auch was die "schlanke Organisation" der DATI auf operativer Ebene angeht, ist das Bild schon deutlicher. Es soll nur zwei Säulen geben: sogenannte "Regionalcoaches" vor Ort und das zentrale DATI-Servicecenter. 

 

Die Regionalcoaches sollen unabhängige und unparteiische Berater und zugleich kritische Begleiter und Ansprechpartner der einzelnen Förderregionen sein. Als ausgewiesene Innovationsexperten haben sie die Aufgabe, das DATI-Leitungsgremium bei der Entscheidung über Beginn, Fortführung und Abbruch der Förderung einer Region  zu beraten. Gleichzeitig sollen sie in den Regionen das "Community Building" stimulieren und bei der Entwicklung der regionalen Innovationsstrategie helfen, sie sollen die regionalen Partnerschaften in sogenannten Innovationswerkstätten coachen. Und zwar mit Blick auf die Durchführung und Priorisierung ihrer Projekte und Initativen, genauso auch beim Ausbau der erforderlichen Transferstrukturen.

 

Von der Rekrutierung und dem Kompetenzprofil dieser Experten, soviel ist klar, wird viel abhängen. Sie erinnern entfernt an die "Innovationsmanager" bei der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND). 

 

Das zentrale DATI-Servicecenter soll deutschlandweit agieren und den Regionalcoaches zur Seite stehen, zugleich soll es "One-Stop-Shop" für die geförderten Regionen sein: durch Beratung und Unterstützung vor und während der Förderung. Das Servicecenter soll vernetzen: DATI-Leitungsgremium, Regionalcoaches und Regionen, es soll Schulungen und Weiterbildungen zu Science Entrepreneurship anbieten, öffentliches Sprachrohr für die innovationspolitischen Belange der Regionen sein und "praxiserprobte Standards für den Wissens- und Technologietransfer" vorantreiben. Perspektivisch soll das Servicecenter auch Beteiligungs- und Startup-Konzepte entwickeln und die Finanzierung von Regionalprojekten durch Wagniskapital fördern. 

 

Und was ist jetzt
mit den großen Unis?

 

Apropos Förderung: Wie genau soll die eigentlich ablaufen? Das BMBF-Grobkonzept beschreibt ein zweistufiges Auswahlverfahren. Erste Stufe: Die Regionen bewerben sich mit ihren Konzepten in einem "digitalen niedrigschwelligen Verfahren", die Auswahlprozesse sollen innovativ sein in Form von etwa von Hackathons und Ideensprints. Aufgrund des breiten Ansatzes der DATI soll eine "Vielzahl überzeugender Konzepte" ausgewählt werden. Zweite Stufe: Die Auswahl der Einzelprojekte in der Region soll von den regionalen Akteuren in enger Zusammenarbeit mit ihrem Regionalcoach selbst gemacht werden, dabei können Bürger über partizipative Verfahren beteiligt werden.

 

Ein wirklich innovatives Verfahren. Allerdings wiederum etwas wolkig bleibt das Konzept bei der Frage, welche Institutionen nun genau im Kern der Förderung stehen sollen. Mehrfach werden "HAWs" und "kleine und mittlere Unis" als Kerne der jeweiligen Innovationsnetzwerke genannt, wenn sie erfolgreich mit mindestens zwei weiteren Sektoren (Wirtschaft, Zivilgesellschaft, staatliche Stellen) kooperieren. Aber was genau macht eine Uni zu groß, um Kern zu sein? Und was ist, wenn große Unis in ihren Regionen genau das bieten, was als primäre Förderkriterien genannt werden: vorhandene Transfer- und Netzwerkstrukturen der regionalen Entwicklung zum Beispiel, die Eigenmotivation der Akteure und ihre Identifikation mit der Region, transferfreudige Professoren und Fakultäten – oder auch "die Bereitschaft, alle Synergien mit anderweitigen Fördermöglichkeiten auszuschöpfen"?

 

Im Interview hier im Blog hatte Staatssekretär Sattelberger gesagt: Die Ansage im Koalitionsvertrag, dass durch die DATI "insbesondere" HAWs sowie kleine und mittlere Universitäten gefördert werden sollten, sei "eigentlich nicht interpretationsfähig. Man kann sich höchstens darüber streiten, ob man es mit 85 oder 95 Prozent übersetzt."

 

Was sagt das Finanzministerium
von Christian Lindner?

 

Die "nächsten Schritte" liefert das BMBF-Grobkonzept übrigens auch gleich mit. Nach den Berichterstattergesprächen (die jetzt ja schon durch sind) soll es, falls ein Gesetz erforderlich ist, einen Referentenentwurf geben. Außerdem eine Analyse der Förderlandschaft. Und besagten "Stakeholder-Dialog" als "systematische Einbeziehung aller relevanten Stakeholder". Dabei wundert, dass die Analyse der Förderlandschaft erst noch erfolgen soll, obwohl die Eckpunkte bereits vorliegen. Schließlich muss noch eine Entscheidung darüber fallen, welche Rechtsform die DATI enthält. Und, wie es in den BMBF-Folien für die Berichterstatter heißt, soll schon für den Haushalt 2023 die "größtmögliche Flexibilisierung" angestrebt werden.

 

Dazu müssten dann erstmal die Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium gelaufen sein. Eigentlich dürfe es als FDP-Haus Stark-Watzinger positiv gesonnen sein, doch irritierte vergangene Woche, dass im Haushaltsentwurf für 2022 nur 19,6 Millionen  Euro für die DATI vorgesehen waren (statt der in den Koalitionsverhandlungen für dieses Jahr geplanten 50 Millionen) und dass von den 19,6 Millionen auch noch 15 Millionen gesperrt wurden – bis zur Vorlage eines "tragfähigen Konzepts". Das Handelsblatt zitiert heute das BMBF, dass von 2023 an jeweils "aufwachsende dreistellige Millionenbeträge" bereitstehen sollen. Auf seiner Website gibt das BMBF neuerdings sogar 414 Millionen Euro für die DATI und "mit ihr verbundenen Aktivitäten" schon im Haushalt 2022 an. Ohne zu sagen, wie es plötzlich auf diesen Betrag kommt – und ob darin über die 19,6 Millionen hinaus irgendwelches frisches Geld enthalten ist.

 

Die gestern bekannt gewordenen Eckpunkte schweigen sich zum Finanziellen wie gesagt aus (übrigens auch zur Zahl der zu fördernden Regionen). Laut Koalitionsvertrag sollen 2025 zusätzlich 685 Millionen Euro für die DATI fließen, im Interview hatte Sattelberger von "150, 200" Förderfällen gesprochen. Doch das war vor der Ukraine-Krise. 

 

Nachtrag am 25. März, 20 Uhr:

Das BMBF hat auf meine Nachfrage bestätigt, dass die 414 Millionen Euro durch die Addition verschiedener Haushaltstitel zustande kamen, und die entsprechende Stelle auf der Website "zur Klarstellung" geändert. Sie lautet jetzt: "Für den Aufbau der DATI sind im Jahr 2022 bereits 15 Mio. Euro vorgesehen. Für laufende Transfer- und Vernetzungsmaßnahmen sind insgesamt weitere rd. 400 Mio. Euro in 2022 eingeplant."

 

Die zunächst unter "DATI und mit ihr verbundene Aktivitäten" zusammengerechneten Haushaltsposten waren: "DATI, Weiterentwicklung der Innovationsförderung und -kooperation" (147 Millionen), "Innovationsförderung in den neuen Ländern und regionaler Strukturwandel" (194 Millionen) sowie das Programm "Forschung an Fachhochschulen" ( 73 Millionen).

 

Auf meine Frage, ob die Addition zu den 414 Millionen bedeute, dass diese drei Haushaltstitel künftig der DATI-Governance unterstellt werden sollten, reagierte das BMBF nun mit der Klarstellung auf der Website. Doch lässt die ursprüngliche Formulierung die im BMBF laufenden Überlegungen durchscheinen.



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Kommentare: 3
  • #1

    Düsentrieb (Freitag, 25 März 2022 14:47)

    Als Oppositionsabgeordneter und Sprecher der FDP für Innovation hat Sattelberger mutig Mißstände thematisiert, mit einer für Deutschland ungewöhnlichen Offenheit. Das war verdienstvoll.

    Seit er freilich exekutive Verantwortung trägt im BMBF, macht er dieselben Fehler wie seine Vorgänger. Insbesondere schiebt er aktionistisch neue Projekte an, ohne vorher evaluiert zu haben, warum ähnliche Vorgängerprojekte des BMBF samt und sonders gescheitert sind. Wenn man aber nicht weiß, was funktioniert und was nicht, ist "Klotzen, nicht Kleckern" eine teure Devise.

    Sattelberger ist ein erprobter Personaler, der dort sichere Instinkte hat. Im viel komplexeren Innovationssektor freilich läßt er sich blenden von Leuten, die "quick fixes" versprechen. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Man muß hoffen, seine Parteifreunde im BMF treten heftig auf die Bremse.

  • #2

    EinsteinseinSohn (Freitag, 25 März 2022 17:39)

    Es erfordert halt auch für gestandene Persönlichkeiten wie Sattelberger auch im hohen Alter noch die Fähigkeit, ExpertInnen zuzuhören und nicht zu glauben man wüsste schon alles. Was ich im Moment erkenne ist jemand, der jahrelang aus der Opposition ein bestimmtes Narrativ befeuert hat und es jetzt ideologisch durchprügelt, egal ob sinnvoll oder nicht. Denn am Ende scheint auch DATI nur Projektförderung zu machen. Wo das dann besser werden soll als das was das BMBF heute schon kann wird hoffentlich die Zeit zeigen.

  • #3

    Klaus Diepold (Samstag, 26 März 2022 16:28)

    ich lerne jetzt, dass das BMBF und Herr Sattelberger bzgl. der Organisation und der Governance einer weiteren Bundesagentur neue Wege gehen will. Ob diese Wege als "innovativ" bezeichnet werden können, zeigt sich erst, wenn diese breite Akzeptanz und Wirkung zeigen. Vorher sind es bestenfalls "neue Ansätze".

    Ich vermisse ein kritische Auseinandersetzung mit alternativen Ansätzen, entweder aus der Vergangenheit oder aus anderen Ländern, anhand derer das Wissen gewonnen werden kann. was funktioniert und was eben nicht funktioniert. Über die Ziele der DATI-Innovationsförderung (genau wie auch im Text schon angesprochen, z.B. HAW vs. große Unis) und über die zum Einsatz kommenden Mechanismen bin ich mir noch immer nicht klar. Wenn es darauf hinausläuft, dass einige wenige "Supermänner" oder "Superfrauen" mit deren nahezu übermennschlichen Fähigkeiten die Sache am Ende wuppen, so lange sie nur nach marktübliuchen Preisen bezahlt werden, dann fehlt mir der Glaube, dass da mehr ein weitere Fall von Aktionismus vorliegt.