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Neuer Club im alten

Die Wissenschaftsminister erhalten ihre eigene Konferenz in der KMK. Wenn sie es geschickt anstellen, wird daraus mehr als bloß Symbolpolitik.

ES IST EINE dieser unsichtbaren Reformen im Bildungsföderalismus, die am Ende doch spürbare Auswirkungen haben könnten. Zum ersten Mal in der 74-jährigen Geschichte der Kultusministerkonferenz (KMK) treffen sich an diesem Freitag die Wissenschaftsminister offiziell in separater Runde. 

 

Damit passt sich die KMK ein Stück mehr den heutigen politischen Gegebenheiten an. Als sie gegründet wurde, waren Schule, Hochschule, Wissenschaft und Kultur meist noch in einem Ministerium vereint. Das hat sich komplett geändert: In der vergangenen zehn Jahren gab es deutschlandweit nie mehr als zwei oder drei klassische Kultusministerien gleichzeitig, in den übrigen Ländern gingen die Politikbereiche getrennte Ressortwege. 

 

Mit dem Ergebnis, dass die KMK mehr und mehr als Schulministerkonferenz auftrat, in der zwar auch noch Wissenschafts- und Kulturminister saßen, die aber nach eigener Wahrnehmung thematisch nur die zweite oder dritte Geige spielten. Die Schulminister hielten dem gern entgegen, dass die Kollegen genau das gleiche Recht hätten, ihre Anliegen auf die Tagesordnung zu setzen – es halt nur viel seltener täten. 

 

Fest steht jedenfalls: Eine/n Wissenschaftsminister/in als KMK-Präsident/in hat es, falls überhaupt schon mal, so lange nicht gegeben, dass sich selbst im KMK-Sekretariat keiner daran erinnern kann. Fest steht auch: Die nicht auch für Schule zuständigen Ressortchefs ließen sich bei den Ministertreffen kaum blicken, schickten häufig nur ihre Amtschefs, manchmal nicht einmal das. 

 

Zwischendurch drohte die KMK an dieser (empfundenen oder tatsächlichen) thematischen Schieflage fast zu zerbrechen. So forderte vor vier Jahren der damalige Berliner Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach (SPD), den Wissenschaftsbereich aus der Kultusministerkonferenz herauszulösen. Stattdessen könne die GWK als Wissenschaftsministerkonferenz "neu akzentuiert" werden. 

 

Der drohende Komplett-Austritt der Kulturpolitiker war wenige Monate später nur noch dadurch zu verhindern, dass die Schulminister sich im Juni 2018 auf die Gründung einer eigenständigen "Kulturministerkonferenz" innerhalb der KMK einließen.

 

Jetzt müssen sie aber auch kommen

 

Der Wissenschafts-Seite wiederum gestand eine eigens eingesetzte KMK-Strukturkommission im vergangenen Jahr zu, künftig im Präsidium gleichberechtigt vertreten zu sein. Dafür, dass die Wissenschaftsminister künftig zweimal im Jahr getrennt von den Schul-Kollegen tagen (und diese dann nur zum gemeinsamen Abendessen treffen), hat es übrigens nicht einmal eine Satzungsänderung gebraucht. Sondern nur die politische Absicht.

 

Manche mögen all das denn auch nur für Symbolik halten. Freilich haben die Wissenschaftsminister, die sich stets benachteiligt fühlten in der KMK, jetzt selbst in der Hand, dass es mehr wird als das. Zwei Dinge erscheinen dabei zentral.

 

Erstens: Sie müssen jetzt auch kommen. Im Hintergrund ist zu hören, dass für die erste Separat-Sitzung an diesem Freitag kaum mehr Wissenschaftsminister zugesagt haben als sonst. Das geht natürlich nicht. Dann kann man sich den Aufwand sparen.

 

Zweitens: Die Wissenschaftsminister sollten sich ein eigenes, langfristiges Arbeitsprogramm geben, das zugleich die wichtigsten Baustellen der Hochschul- und Wissenschaftspolitik strategisch umreißt. 

 

Im Unterschied zu Wissenschaftsrat oder Gemeinsamer Wissenschaftskonferenz kennt die KMK bislang als Ganzes keine überjährigen Arbeitsprogramme. Der oder die Präsidentin definiert für sich ein Jahresmotto, dazu gibt es dann ein paar Veranstaltungen, Aktionen und Papiere. Ansonsten arbeitet man die anstehenden Beschlüsse ab. 

 

Lebhafte Grundsatzdebatten über politische Konzepte, Ziele oder Instrumente gab es jahrelang kaum. Das hat die Bildungsminister selbst zunehmend gestört, weil sie das Gefühl hatten, ihre Konferenzen würden mehr und mehr von ihren Verwaltungen gesteuert. Weshalb sie schon vor Corona anfingen, sich Zeit zum Diskutieren abseits der Tagesordnung zu reservieren. Aber eben wieder vorrangig über Bildungsthemen und ohne langfristigen Plan. Immerhin, schwärmen viele Minister, gehe es inzwischen wieder spannender zu in der KMK. 

 

Die Themen liegen auf der Hand

 

Und demnächst auch strategischer? Zumindest die Kulturminister haben sich für ihre eigene Konferenz ein solches Arbeitsprogramm bereits gegeben. Und auch die Wissenschaftsminister hätten es künftig in der Hand. So wie die Themen auf der Hand liegen: Der Wissenschaftsrat hat zu moderner Hochschullehre und zum Hochschulbau vorgelegt, im Ampel-Koalitionsvertrag wird ein Digitalpakt Hochschule (wenn auch nicht unter diesem Namen) versprochen, zugleich will der Bund die Förderung von Forschung und Innovation reformieren, unter anderem, über neue Agenturen. Und was wollen die Länder?

 

Sich jeweils vor der nächsten GWK-Sitzung abzustimmen über eine gemeinsame Haltung zu bestehenden oder neuen Bund-Länder-Programmen, erschien da inhaltlich ein bisschen schmalspurig. 

 

Ein bisschen seltsam mutet auch an, dass der KMK-Plan nicht etwa vorsieht, dass sich getrennte und gemeinsame Sitzungen künftig automatisch abwechseln. So treffen sich Schul- und Wissenschaftsminister im September schon wieder separat, anschließend tagt man dann gleich zweimal nacheinander wieder in der großen Runde.

 

Umgekehrt können die Wissenschaftsminister dann wenigstens schnell ihre voraussichtlich schlechte Anwesenheitsquote beim ersten Treffen wettmachen. 



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