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Wann kommt das Geld?

"Schnell und unbürokratisch" sollten die Studierenden eine Energie-Soforthilfe erhalten, versprach die Ampel Anfang September. Jetzt sieht es so aus, als könnte es Februar oder März werden bis zur Auszahlung der 200 Euro – während BMBF und Landeswissenschaftsministerien über die Umsetzung streiten.

ES WIRD IMMER UNWAHRSCHEINLICHER, dass die 3,5 Millionen Studierenden und Fachschüler die von der Bundesregierung beschlossene 200-Euro-Soforthilfe im Januar erhalten werden. So hatte es Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wiederholt angekündigt, Anfang November hatte sie sogar noch von Anfang Januar gesprochen. Mittlerweile ist aus dem Kreis der Landeswissenschaftsminister zu hören, eine Auszahlung sei irgendwann im ersten Quartal zu erwarten, "wenn es gut läuft". 

 

Genau das tut es in Sachen Energie-Pauschale nicht. Und zwar von Anfang an nicht, seit die Ampel-Koalition sie Anfang September vereinbart hatte. Der Bund werde "mit den Ländern beraten, wie die Auszahlung schnell und unbürokratisch vor Ort erfolgen kann", stand im Ergebnistext des Koalitionsausschusses. Seitdem gab es viele ungeklärte Fragen, Irritationen im Hintergrund und zuletzt eine offene Konfrontation zwischen Bund und Ländern: Am Freitag empfahl der Kulturausschuss des Bundesrates, das vom Bundestag bereits beschlossene Studierenden-Energiepauschalengesetz (EPPSG) abzulehnen und den Vermittlungsausschuss anzurufen.. Diesen Freitag fällt darüber die Entscheidung.

 

Was ist geschehen? Zunächst vergingen zwei Monate, bis Bund und Länder Anfang November in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) überhaupt vereinbarten, eine "zentrale Plattform" einzurichten, über die Studierende und Fachschüler ihren Anspruch melden konnten. Womit noch immer keinerlei Details zu Beantragung, Prüfung und Auszahlung feststanden – und auch noch keine Agentur zur technischen Umsetzung, Testung und für den Betrieb des Webportals beauftragt war. 

 

Hat der Bund die Länder nicht
genügend einbezogen?

 

Die Länder machten nach der GWK den Bund für die Verzögerungen verantwortlich. Er habe sie über zwei Monate lang nicht ausreichend einbezogen, um dann plötzlich mit Verweis auf die gängige Praxis der Bundesauftragsverwaltung zu betonen, dass die Behörden der Länder für die Ausführung von Bundesgesetzen zuständig seien.

 

Während Stark-Watzinger in der GWK-Pressekonferenz bekräftigte, eine Überweisung könne hoffentlich Anfang Januar erfolgen, mahnte Armin Willingmann, Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt und Koordinator der SPD-Wissenschaftspolitik in den Ländern: "Aufgrund der berechtigten Erwartungen der Studierenden muss nun rasch Klarheit über den Auszahlungsmodus geschaffen werden." Um die Kuh vom Eis zu holen, beschloss man endlich auch die Einsetzung einer gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe. 

 

Nur dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern danach, zumindest nach Darstellung der Länder, kaum besser wurde. Im Gegenteil: Äußerungen von Bundespolitikern sorgten für neuen Ärger in den Ländern. Die von Stark-Watzingers Parteifreundin Ria Schröder zum Beispiel. Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion sagte Ende November, der Bund zahle die Hilfen und trage auch die Kosten der Entwicklung der digitalen Antragsplattform. "Damit das Geld mit der Nebenkostenabrechnung Anfang 2023 auf dem Konto der jungen Menschen ankommt, müssen die Landesregierungen bereits jetzt die Vorkehrungen für eine schnelle und effiziente Auszahlung der Pauschale treffen."

 

Was der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) als "dreistes Foul" wertete: "Die Bundesregierung veranstaltet seit Monaten eine Hängepartie, nimmt die Unterstützung der Länder erst nicht an und beschließt dann ein Gesetz, nach dessen Verabschiedung weiterhin alles offen bleibt." Blume koordiniert die Wissenschaftspolitik der unionsregierten Länder. Fakt sei, fügte er hinzu: "Der Bund ist und bleibt in Verantwortung und kann jetzt nicht einfach nach Monaten des Nichtstuns den Ländern den schwarzen Peter zuschieben."

 

Deutlicher Brief der
KMK-Präsidentin 

 

Harte Worte, denen Karin Prien, CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und zurzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz, am 6. Dezember einen diplomatischeren, aber nicht weniger deutlichen Brief im Namen aller Länder folgen ließ, adressiert an Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger: Die Länder fühlten sich vom Bund in entscheidenden Teilen des Verfahrens nicht einbezogen und ungehört, schrieb Prien.

 

Daran habe auch die im November eingesetzte gemeinsame Arbeitsgruppe nichts geändert. Die in der AG durch die Länder vorgebrachten Vorschläge und Probleme, vor allem auch zum Datenschutz, hätten keinen Eingang in das vom Bundestag beschlossene Studierenden-Energiepauschalengesetz (EPPSG) gefunden. "Vielmehr sehen sich nun die Länder mit der Umsetzung dieses gut gemeinten, aber nicht hinreichend vorbereiteten Gesetzentwurfs konfrontiert", der wesentliche Umsetzungsfragen zur Bewilligung und Auszahlung offen lasse. "Dies auch noch verbunden mit ei­ner vom Bund in die Öffentlichkeit transportierten Erwartungshaltung, dass die Länder die Auszahlungen bereits im Januar 2023 vornehmen."  Auch sei "momentan noch völlig offen", wann die Plattform technisch so weit sei, dass sie zur Verfügung stehe.

 

Die Botschaft der Länder, und zwar parteiübergreifend, war deutlich: Ihr im BMBF verstolpert im Alleingang die Umsetzung, und dann wollt ihr uns Länder in der Öffentlichkeit dafür verantwortlich machen, wenn das Geld an die Studierenden nicht zeitnah fließt. 

 

Die in Priens Schreiben aufgelisteten Knackstellen waren genau dieselben, die die Länder bereits bei der GWK im November genannt hatten: Es brauche einheitliche datenschutzrechtliche Regeln für den Umgang mit den Daten von Studierenden und Fachschülern auf der Antragsplattform, auch müsse der Austausch der Daten zwischen den Ländern ermöglich werden, um eine mehrfache Beantragung zu verhindern. Andernfalls müsste nach Fertigstellung der Plattform erst eine Bund-Länder-Vereinbarung geschlossen werden, deren Abschluss unter Einbeziehung aller Länderparlamente bis Januar 2023 ausgeschlossen erscheine, denn hierfür sei mit "mehreren Monaten" zu rechnen.

 

Muss die Soforthilfe jetzt sogar
in den Vermittlungsausschuss?

 

Ferner, fügte Prien hinzu, müsste dann jedes Land eigene Vorkehrungen zum Datenschutz treffen, jeweils unter Einbezug der 16 Landesdatenschutzbeauftragten und vermutlich wiederum der Länderparlamente. Auch müsse dann jedes Land per Verordnung die zuständigen Stellen festlegen – was überhaupt erst angestoßen werden könne, wenn Klarheit über die IT-technische Umsetzung der Plattform bestehe. Und wenn die Auszahlung über die 16 Landeskassen anstatt über die Bundeskasse laufe, müssten 16 Daten-Schnittstellen an die Plattform programmiert werden.

 

Prien beendete ihren sechsseitigen Brief mit der Hoffnung, zwei Tage später bei Stark-Watzingers Besuch in der Kultusministerkonferenz am 8. Dezember "die Gelegenheit zum persönlichen Austausch" für die Klärung offener Fragen zu nutzen.

 

Das Ergebnis des Spitzengesprächs scheint zumindest aus Sicht der Länder nicht wie erhofft gelaufen zu sein. Nicht nur berichten Anwesende von einer äußerst angespannten Stimmung. Am Tag darauf beschloss der Kulturausschuss des Bundesrates die Empfehlung, wegen des 200-Euro-Soforthilfegesetzes den Vermittlungsausschuss anzurufen. Was, wenn das Plenum am Freitag folgen würde, einen erheblichen Aufschub bedeuten würde. Unter anderem müsste dann geklärt werden, ob es sich beim EPPSG überhaupt um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt. Damit wäre es dann offiziell: Mit einer Auszahlung im Januar wird das nichts mehr, und mit dem Februar vermutlich auch nicht. 

 

Wobei es in den Ländern unterschiedliche Auffassungen zu diesem Schritt gibt. Etliche Wissenschaftsminister fürchten, dann hätte der Bund eine neue Ausrede und die Gelegenheit, die Verzögerung allein auf die Ablehnung im Bundesrat zu schieben. "Den Leuten ist am Ende egal, warum die Umsetzung scheitert. Wenn sie scheitert, schadet das der Politik insgesamt", sagt ein Landesminister. 

 

Umgekehrt setzt die Empfehlung auch Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger unter noch größeren Druck. Mit Erfolg? Vor dem Wochenende hieß es aus dem BMBF, das Bundesbildungsministerium habe den Ländern "bereits zugesagt, sie bei der Umsetzung noch stärker zu unterstützen". Die Einmalzahlung für die rund 3,5 Millionen Studierenden und Fachschüler dürfe sich nicht weiter verzögern. "Deshalb ist der Bund auch weiterhin gesprächsbereit, um die letzten Hürden bei Datenschutz und Auszahlungsstelle gemeinsam aus dem Weg zu räumen."


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