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"Aktiver Akzente setzen"

Der Wissenschaftsrat hat Wolfgang Wick heute zu seinem neuen Vorsitzenden gewählt. Im Gespräch mit seiner Vorgängerin Dorothea Wagner diskutiert der Neurologe über Rolle und Zukunft des wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremiums – und über seine ganz persönliche Motivation.

Fotos: Wissenschaftsrat |AnnaLogue, Universitätsklinikum Heidelberg | Philip Benjamin.

Frau Wagner, als ich Sie vor drei Jahren kurz nach Ihrem Amtsantritt interviewte, saßen wir einander gegenüber an einem Tisch in Berlin-Mitte. Damals sagten Sie: "Es wird in den nächsten Jahren verstärkt darum gehen, wie sich die Wissenschaft im Zeitalter der Digitalisierung verändert. Auf diesen Schwerpunkt möchte ich mich als Wissenschaftsratsvorsitzende konzentrieren." Am Ende Ihrer Amtszeit begegnen wir uns per Zoom-Call. Da hatten Sie Ihren Schwerpunkt wohl richtig gewählt, oder?

 

Wagner: Das Thema lag in der Luft. Nur dass damals keiner ahnen konnte, dass wenige Wochen später die Corona-Pandemie in voller Stärke losbrechen und unsere Art zu kommunizieren, auch in der Wissenschaft, grundsätzlich verändern würde. Mir ging es ja damals vor allem um Anderes. Um einen grundlegenden Wandel in den Wissenschaften. Ich bin sehr zufrieden, dass wir in den drei Jahren nicht nur unsere Empfehlung zur Digitalisierung in Studium und Lehre vorgelegt haben. Wir haben uns zum Open Access geäußert, zur datenintensiven Forschung und – in meinen Augen ebenfalls sehr wichtig – zur Digitalisierung und Datennutzung in der Gesundheitsforschung. Der nächste Schritt wird sein, dass wir die Wissenschaft und die Politik dabei begleiten, in die Umsetzung zu kommen.  

 

Herr Wick, der Wissenschaftsrat hat sie gerade zu Frau Wagners Nachfolger gewählt. Frau Wagner, eine hochdekorierte Informatikerin, sagte 2020 auf meine Frage nach ihrer Motivation, den Vorsitz zu übernehmen: "Die Arbeit als Forscherin und das Engagement in der Selbstverwaltung habe ich nie als Gegensätze empfunden. Beides dient der Wissenschaft." Was sagen Sie als ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg, der in seinem Fach zu den meistzitierten Wissenschaftlern international zählt? Noch mehr Gremienarbeit, noch weniger Zeit für Forschung?

 

Wick: Tatsächlich gehört es zu den Privilegien, je erfahrener man als Forscher wird, dass andere Menschen einen bei der Beantwortung der eigenen Forschungsfragen unterstützen. Deshalb mache ich mir im Moment um die fortgesetzte Bearbeitung der mir wichtigen Fragen wenig Sorgen. Das Zweite ist, dass ich die Arbeit des Wissenschaftsrats tatsächlich nicht für Gremienarbeit halte. Das ist für mich der persönliche Einsatz für Wissenschaft und Wissenschaftspolitik. Der in der gegenwärtigen Situation wichtiger ist denn je. Vor ein paar Jahren hätte ich daher vielleicht Nein gesagt zu einer solchen Aufgabe, aber ich sehe es derzeit verstärkt als Pflicht von uns Wissenschaftlern, die Gesellschaft und die Politik aufzurütteln. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die falschen Lehren aus den aktuellen Krisen gezogen werden. 


Wolfgang Wick, 52, Professor für Neurologie und ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg. Dem Wissenschaftsrat gehört er seit 2021 an. Dorothea Wagner, 65, ist Professorin für Algorithmen am Karlsruher Institut für Technologie und stand seit Februar 2020 an der Spitze des Wissenschaftsrates. Sie scheidet 

nach acht Jahren aus dem Gremium aus.Dieses Jahr wird sich das Gremium  unter anderem mit dem Promotionswesen an deutschen Hochschulen und der Lage der Gender Studies beschäftigen. Bereits am Freitag verabschiedete der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen zu einer Strukturreform der Forschungsfinanzierung an den Hochschulen.



Wie meinen Sie das?

 

Wick: In meinem Beruf als Arzt sind schnelle Ergebnisse gefragt. Etwas, was in der Arbeit des Wissenschaftsrats oft nicht so im Vordergrund steht. Man denkt langfristig. Es geht darum, einen belastbaren Ausgleich zwischen Politik und Wissenschaft herzustellen. Das ist wichtig und wird so bleiben. Doch ich denke, der Wissenschaftsrat kann auch im wissenschaftspolitischen Tagesgeschäft aktiver Akzente setzen. Zum Beispiel bei der Exzellenzstrategie, die jetzt in die zweite Runde geht und wo der Wissenschaftsrat für die Administration der Förderlinie Exzellenzuniversitäten zuständig ist. 

 

Wenn Sie sagen, Sie wollen aufrütteln und stärker Akzente setzen, steckt darin die Erkenntnis, dass der Wissenschaftsrat abseits der Fachkreise zu wenig wahrgenommen wird? Muss er mehr Gewicht in die Waagschale werfen beim politisch-öffentlichen Verteilungskampf um die knapper werdenden Steuergelder? 

 

Wagner: Für mich bleibt das Konzept des Wissenschaftsrates als Beratungsgremium für ein klar umrissenes Themenfeld, eben das Wissenschaftssystem, überzeugend. Ich halte ihn auch aufgrund seiner einzigartigen Zusammensetzung mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einerseits und der Politik aus Bund und Ländern andererseits für ein ausgesprochen schlagkräftiges Gremium. Denn im Vergleich zu sonstigen Formaten der Politikberatung haben wir, Herr Wick hat es gesagt, die Politik immer gleich mit am Tisch. Insofern bin ich optimistisch, dass sich der Wissenschaftsrat auch künftig seinen großen Einfluss bewahren wird. Und wenn ich mir die vergangenen Jahre anschaue, kann ich nur sagen, dass der Wissenschaftsrat auch finanzpolitisch eine sehr erfolgreiche Rolle gespielt hat. Ob die Aufstockung der Exzellenzstrategie, die Fortschreibung des Pakts für Forschung und Innovation oder jetzt auch die Dynamisierung des Zukunftsvertrags "Studium und Lehre stärken": Die verschiedenen Einrichtungen im Wissenschaftssystem können in den nächsten Jahren mit mehr Geld und verlässlichen Zuwächsen rechnen. Doch kommt es auch darauf an, dass dieses Geld klug, das heißt: möglichst effektiv, eingesetzt wird. Hier kann der Wissenschaftsrat gute Empfehlungen geben.

 

"Anstatt zu bedauern, dass wir uns als Wissenschaft nicht mit unseren finanziellen Maximalforderungen durchsetzen konnten, sollten wir uns darauf konzentrieren, Empfehlungen zu erreichen, die eine größere Chance auf ihre Umsetzung haben."

 

Die Empfehlung zur Forschungsfinanzierung, die schon vergangenes Jahr kommen sollte, ließ auf sich warten. Sie musste erneut beraten werden, wurde jetzt aber immerhin verabschiedet. Stößt die Konsensmaschine Wissenschaftsrat insgesamt öfter an ihre Grenzen?

 

Wick: Keineswegs. Dass bei dem Thema Finanzen immer eine Grundspannung zwischen Wissenschaft und Politik besteht, wird keiner bestreiten. Und das vor der Besonderheit, dass sich beide Seiten schon vor der Verabschiedung einer Empfehlung einigen müssen. Aber das gelingt uns auch, wie das aktuelle Beispiel zeigt, auch wenn wir dafür manchmal eine Extrarunde drehen müssen! Das Besondere am neuen Positionspapier ist, dass es nicht die Höhe der Mittel in den Fokus rückt, sondern den Ansatz hat, die Strukturen der Forschungsfinanzierung zu verbessern, um die vorhandenen Mittel möglichst effektiv und effizient einzusetzen. Auch strukturelle Veränderungen können jedoch für verschiedene Seiten schmerzhaft sein und müssen sorgfältig ausgehandelt werden. Ein anderes Beispiel für die Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsrats trotz der aktuellen politischen und finanziellen Lage stammt aus der Digitalisierung der Medizin. Den Investitionsbedarf haben wir als Wissenschaftsrat mit 3,6 Milliarden Euro beziffert, zuzüglich prozentualer Steigerungen für die nächsten Jahre. Die Kompromisslinie, die wir zwischen Wissenschaft und Politik dann gefunden haben: Wir brechen den Bedarf nicht auf die einzelne Hochschule runter. Weil wir sonst einzelne Hochschulen und Länder und damit Finanzminister an den Pranger gestellt hätten, die besonders weit zurück sind. Warum sollten wir das tun, wenn es reicht, den dringenden Bedarf insgesamt klarzumachen? Ähnliches wird auch bei unserem nächsten Papier zur Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe geschehen, das dieses Jahr auf der Agenda steht. Anstatt zu bedauern, dass wir uns als Wissenschaft nicht mit unseren finanziellen Maximalforderungen durchsetzen konnten, sollten wir uns darauf konzentrieren, Empfehlungen zu erreichen, die eine größere Chance auf ihre Umsetzung haben.

 

Man gibt sich also mit Mittelmaß zufrieden?

 

Wick: Das sage ich nicht. Wir verbessern zum einen die Strukturen – das ist nachhaltiger als reine finanzielle Forderungen – und werden zum anderen als Wissenschaft die Diskussion über die nötigen Finanzbedarfe trotzdem immer führen. Auch über die von der Politik reflexartig vorgebrachten Finanzierungsvorbehalte. Was wir nicht zulassen dürfen: dass diese Vorbehalte uns im Wissenschaftsrat dazu bewegen, unsere Empfehlungen inhaltlich zu stark abzuschwächen. Bislang, so mein Eindruck, haben wir das erfolgreich vermieden. 

 

Wo ist denn die schnelle Umsetzbarkeit, die Sie beide in den Vordergrund stellen, beim Masterplan Medizin 2020? Der hängt seit vielen Jahren in den Auseinandersetzungen zwischen Wissenschafts- und Gesundheitspolitik, zwischen Bund und Ländern, fest. Weil man sich über die Finanzierung nicht einig wird.

 

Wick: Da drückt sich nicht so sehr ein finanzpolitischer wie ein föderaler Konflikt aus. Es geht um die Frage, was in die Zuständigkeit der Länder fällt und was in die Zuständigkeit des Bundes. Als Wissenschaftsrat haben wir beiden Seiten klare Empfehlungen gegeben, wie sich diese Fragen lösen lassen. Und damit bin ich wieder bei dem, was Frau Wagner vorhin sagte: Wir reden oft sehr schnell über aktive Summen – Geld, das neu ins System kommen soll. Wir sollten aber verstärkt über das Geld reden, das schon da ist. Wie können wir es im Sinne aller besser einsetzen? Dabei müssen wir, Stichwort Akademisierung von Gesundheitsfachberufen, auch fragen: Sind wir als Ärzte eigentlich bereit, den neuen Fachkräften den nötigen Bewegungsspielraum im Alltag zu geben? Auch darüber müssen wir diskutieren, sonst bringt jede noch so sinnvolle Veränderung wenig.

 

Wagner: Oft wird übersehen, dass neben dem BMBF noch vier weitere Bundesministerien im Wissenschaftsrat für den Bund mitreden dürfen. Als Wissenschaftliche Kommission können wir deshalb viel dazu beitragen, dass die inhaltliche Abstimmung nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch zwischen den verschiedenen Bundesministerien gelingt. Dass die unterschiedlichen Ressorts gemeinsam Verantwortung für unsere wissenschaftspolitischen Anliegen übernehmen, das ist für mich ein ganz zentraler Punkt. 

 

"Die Methode des Wissenschaftsrates ist die 

der kleinen Schritte, die Präsentation von Einzellösungen, die am Ende ein Ganzes ergeben."

 

Kann der Wissenschaftsrat bei all der Abstimmerei und dem notwendigen Interessenausgleich auch den großen Wurf, den Deutschlands Modernisierungskrise so dringend bräuchte? 

 

Wagner: Den kann er nicht. Den muss er aber auch nicht können. Seine Methode ist die der kleinen Schritte, die Präsentation von Einzellösungen, die am Ende ein Ganzes ergeben. Allerdings beschränkt auf das Wissenschaftssystem. Das heißt: Der Wissenschaftsrat kann nichts gegen die zu geringe Zahl an Startups tun, nichts gegen den Rückstand der Digitalisierung in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Aber er kann auf seinem Gebiet doch einen wichtigen Beitrag leisten, um die Innovationsschwäche, in der wir als Gesellschaft unbestritten stecken, zu bewältigen.

 

Die zu einem großen Teil auch eine Innovationskrise unseres Wissenschaftssystems ist.

 

Wagner: Tatsächlich gibt es bei der Ertüchtigung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) Probleme, weil die bestehenden bürokratischen Regularien solche Hürden darstellen, dass sie die Effektivität der SPRIND behindern. Da muss die Politik nachsteuern. Bei der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI), die die Ampel angekündigt hat, ist die Politik auch ein gutes Jahr nach Regierungsbildung immer noch nicht zur Gründung gekommen. Doch das sind Dinge, zu denen sich der Wissenschaftsrat nur äußern könnte, wenn man ihn damit beauftragt. Was in beiden Fällen bislang nicht passiert ist. 

 

Ist das eine Aufforderung an die Politik?

 

Wagner: Fest steht, dass sich der Wissenschaftsrat in der Vergangenheit mehrfach dezidiert zu Fragen der Innovation geäußert hat – immer an den Stellen, wo die Wissenschaft eine Rolle spielt. So hat er schon vor mehr als zehn Jahren festgestellt, dass der Transfer von Forschungsergebnissen als Leistung der Wissenschaft anzusehen ist, die auf gleicher Ebene mit Forschung und Lehre steht. Und in unserem Papier zur anwendungsorientierten Forschung haben wir 2020 klare Empfehlungen formuliert, wie sich der Transfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft verbessern lässt, durch eine stärkere Bündelung von Förderprogrammen zum Beispiel. Was, wenn die DATI richtig aufgesetzt wird, hoffentlich so kommen wird. 

 

"Solange wir die Bedingungen und Perspektiven,
unter denen junge Forscherinnen und Forscher arbeiten, nicht nachhaltig verbessern, ist das ein echtes Innovationshemmnis!"

 

Wick: Mir ist wichtig, dass wir beim Reden über Innovationen nicht den wissenschaftlichen Nachwuchs vergessen, denn den halte ich in dem Zusammenhang für zentral. Solange wir die Bedingungen und Perspektiven, unter denen junge Forscherinnen und Forscher arbeiten, nicht nachhaltig verbessern, ist das ein echtes Innovationshemmnis! Übrigens glaube ich schon, dass der Wissenschaftsrat mehr tun kann, um Deutschland wieder innovativer zu machen.

 

Worauf wollen Sie hinaus?

 

Wick: Wir müssen die künftigen Entwicklungen stärker in den Blick nehmen und gegenüber der Politik thematisieren. Dazu gehört, dass wir Felder für wissenschaftliche Innovationen definieren, die eine besondere Unterstützung durch die Wissenschaftspolitik erfordern. Jetzt komme ich wieder mit meiner Medizinerprägung: Dass Infektionskrankheiten wieder an Bedeutung gewinnen würden, wussten wir seit 50 Jahren und haben doch viel zu spät reagiert und viele Möglichkeiten verpasst. Genauso glaube ich, dass wir heute wissen, welche Themen in 50 Jahren relevant sein werden für die Gesellschaft. Und zwar viel feinziselierter als nur zu sagen, dass Gesundheit, Energie, Klima oder Ernährung eine größere Rolle spielen werden. Wir können das schon heute sehr genau runterbrechen. Entsprechend müssen wir unsere Beratung als Wissenschaftsrat anpassen. 

 

Nur als Wissenschaftsrat insgesamt? Muss der Vorsitzende des Wissenschaftsrats nicht selbst viel stärker die Öffentlichkeit suchen und, ausgestattet mit der Autorität seines Amtes, der Wissenschaft auch in aktuellen Debatten eine Stimme geben? Selbst wenn es zu einem Thema noch keine Beschlusslage gibt?

 

Wick: Ich halte es für wichtig, die öffentliche Debatte und den Dialog zu suchen. Das macht mir Spaß, und ich hoffe, dass ich damit eine Wirkung erzielen kann. Ich werde das aber immer auf der Grundlage dessen machen, worüber wir uns als Gremium gemeinsam Gedanken gemacht haben, denn das ist unsere Stärke. Einzelmeinungen haben wir in unserer Gesellschaft genug. Wir aber haben einen Fundus an Beschlüssen, Stellungnahmen und Informationen, der einzigartig ist und sicher noch etwas aktiver transportiert werden kann. Was meiner Persönlichkeit durchaus entgegenkommt.  

 

Wagner: Das ist der Punkt. Man sollte sich als Vorsitzende des Wissenschaftsrats immer auf der Basis der Beschlusslage äußern. Aber sie mit der eigenen Meinung und Wahrnehmung der aktuellen Situation anzureichern und zu verbinden, kann sehr fruchtbar sein.

 

Die Coronakrise hat die öffentliche Debatte verändert. Es hat Verwerfungen gegeben: Wissenschaftler, die sich stark geäußert haben, wurden angegriffen und bedroht. Gleichzeitig verengte sich der Fokus oft auf wenige Positionen und Personen und auf medial personalisierte Konflikte. Was kann der Wissenschaftsrat tun, damit die Wissenschaftskommunikation gestärkt aus der Krise herauskommt?

 

 

"Unsere Hoffnung, dass in der Krise auch eine Chance liegt, hat sich bislang auch nicht erfüllt. Wir sehen, dass die Atmosphäre des Aufbruchs in der Wissenschaftskommunikation zu verfliegen droht." 

 

Wagner: Natürlich wäre es hilfreich gewesen, wenn wir uns als Wissenschaftsrat schon vor der Pandemie mit den verschiedenen Dimensionen von Wissenschaftskommunikation beschäftigt hätten. Andererseits hätten unsere Empfehlung, hätten wir sie nicht im Laufe der Corona-Debatte verabschiedet, dann vermutlich anders ausgesehen, denn natürlich sind jetzt die Beobachtungen und Erfahrungen der vergangenen Jahre eingeflossen. Insofern bin ich optimistisch, dass sich einige der von Ihnen angesprochenen Verwerfungen so nicht wiederholen werden. Unsere Hoffnung, dass in der Krise auch eine Chance liegt, hat sich allerdings bislang auch nicht erfüllt. Wir sehen, dass die Atmosphäre des Aufbruchs in der Wissenschaftskommunikation wieder zu verfliegen droht. Umso mehr hoffe ich, dass es der Wissenschaft gelingen wird, künftig, wie Herr Wick sagte, an den Stellen aufzurütteln, wo aus wissenschaftlicher Sicht Veränderungen notwendig sind.

 

Wick: An der Stelle fällt mir nochmal unsere Empfehlung zu Open Access ein, die das Spannungsfeld gut ausgeleuchtet hat: zwischen den absolut legitimen kommerziellen Interessen der Verlage, dem Wunsch der Wissenschaft, sich möglichst breit zu äußern und der Frage, wie wir die Qualität sichern. Die wissenschaftliche Antwort darauf ist der Peer-Review-Prozess. Was davon, könnte man jetzt fragen, lässt sich auf die Wissenschaftskommunikation übertragen? Auch dort gibt es eine Vielfalt an Stimmen und Stimmungen, die ich prinzipiell begrüße. Doch bin ich überzeugt, dass sich auch da Qualität und fundierte Meinungsäußerungen stärker durchsetzen müssen, damit sie aus all dem Hintergrundrauschen besser vernehmbar werden. Wie genau das gehen kann, das halte ich für eine spannende und wichtige wissenschaftspolitische Debatte. 

 

Herr Wick, Frau Wagner hatte mit der Digitalisierung ihr klares Schwerpunktthema schon zu Beginn ihrer Amtszeit. Haben Sie auch eines?

 

Wick: Erstmal glaube ich, dass dieses Schwerpunktthema Digitalisierung für den Wissenschaftsrat noch lange nicht vorbei ist. Weder bei der Hochschullehre noch bei der praktischen Nutzung von Forschungsdaten sind wir schon da, wo wir sein müssten. Was mich darüber hinaus umtreibt: Wie können wir als Wissenschaft besser und schneller auf Krisen reagieren und sie zielgenauer wissenschaftlich begleiten? Wenn wir ehrlich sind, haben wir seit vielen Jahren Krise, und es liegen weitere Jahre der Krise vor uns. Die Relevanz der Wissenschaft bei der Suche nach Lösungen stellt heute kaum einer in Frage. Aber sind wir so aufgestellt, dass wir den an uns gestellten Erwartungen begegnen können? Und wenn nicht, was hindert uns? Wissenschaft ist extrem systemrelevant im Moment. Das sollten wir nutzen. 


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