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Posse Nummer 3

Zum dritten Mal rennt Rot-Rot-Grün in Bremen gegen Tierversuche an – und riskiert zum dritten Mal die Niederlage vor Gericht.

BEI DIESER NACHRICHT aus Bremen kann man sich eigentlich nur die Augen reiben. Am Donnerstag will die rot-rot-grüne Koalition eine Gesetzesänderung durch die Bremische Bürgerschaft bringen, die Tierversuche an den Hochschulen massiv einschränken würde und sich am Ende als verfassungswidrig herausstellen dürfte.

 

Die Augen reiben deshalb, weil es nicht das erste, auch nicht das zweite, sondern mindestens das dritte Mal wäre, dass eine Bremer Landesregierung mit einer sehr eigenwilligen Interpretation des Kampfes gegen Tierversuche Schiffbruch erleidet.

 

So war die linke Gesundheitssenatorin Claudia Bernhardt erst im Februar 2022 endgültig mit dem Versuch gescheitert, die seit Jahren laufende Versuche mit Affen am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen zu beenden, indem sie den Antrag auf ihre Verlängerung einfach nicht bearbeiten wollte. Bernhardt habe die Entscheidung "bewusst rechtswidrig verzögert" und nicht hinreichend dargelegt, warum sie die Versuche nicht genehmigt habe, entschied das Bremer Verwaltungsgericht.

 

Mit der fast identischen Nummer war die Bremer Gesundheitsbehörde schon 2014 in die Sackgasse gelaufen, damals vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der Darstellung von Rot-Rot-Grün, dass sich die EU-Rechtslage seitdem geändert habe, wollten die Richter 2022 nicht folgen. 

 

Symbolpolitik
par excellence

 

Sowohl 2014 als auch 2022 hatte die Universität Bremen unter ihrem damaligen Rektor Bernd Scholz-Reiter übrigens nicht erst vor Gericht auf die Wissenschaftsfreiheit gepocht, sondern die Politik schon vorher unermüdlich gewarnt: Lasst das, das ist offensichtlich rechtswidrig; alles, was ihr damit erreicht, sind die Behinderung der Wissenschaft und eine jahrelange Rechtsunsicherheit. Was den Senat nicht davon abhielt, es trotzdem zu machen. Symbolpolitik par excellence. Und das hoch 2.

 

Insofern kann man auch die aktuellen Pläne nur als weiteres Stück für die Galerie bezeichnen – drei Monate vor der Bürgerschaftswahl: Die als Teil einer größeren Novelle des Hochschulreformgesetzes (HRG) in die Bürgerschaft eingebrachte Änderung von Paragraph 8 sieht unter anderem vor, dass nicht nur auf die Tötung von Tieren für die Lehre, sondern auch "auf die mit Belastungen verbundene Verwendung von lebenden Tieren zur Einübung von Fertigkeiten und zur Veranschaulichung von biologischen, chemischen und physikalischen Vorgängen zu verzichten" sei. Mit sehr eng gefassten Ausnahmen. 

 

Und wieder warnt die Universität Bremen: Eine solche Regelung laufe auf ein faktisches Verbot hinaus, "da es der versuchstierkundlichen Fachmeinung folgend eine belastungsfreie Verwendung von Tieren in der Lehre nicht geben kann".

 

Noch gravierender: Mit der grundsätzlichen Angemessenheit von Tierversuchen in Lehre und in Forschung sollen sich künftig Kommissionen an den Hochschulen beschäftigen, die laut Gesetzentwurf "paritätisch" mit Wissenschaftlern und  von Tierschutzorganisationen benannten Personen besetzt wären – und mit deren Votum sich dann Dekanate, Senate, Rektorate und Behörden auseinandersetzen müssten. Kommentar der Universität: Eine "Einmischung" in ihre inneren Belange "durch externe Personen und Verbände", dazu "unter gar keinen Umständen mit der Autonomie der Hochschulen vereinbar und verfassungswidrig". 

 

Aber offenbar wollen Rot-Rot-Grün drei Monate vor der Wahl unbedingt noch Vollzug melden, versprach doch der Koalitionsvertrag von 2019 auf Seite 90 umfangreiche Änderungen des Hochschulgesetzes zur Einschränkung von Tierversuchen

 

Was die Bremer Landesregierung jedoch in den vergangenen Jahren vor allem eingeschränkt hat, ist das Vertrauen der Wissenschaft in verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen. Denn natürlich, da hat die Universität Bremen auch mit ihrer neuen Rektorin Jutta Günther Recht, wird aller Voraussicht nach auch dieses Gesetz wieder durch Gerichte gekippt. Was denjenigen, die es jetzt noch durch die Bürgerschaft bringen wollen, auch klar sein muss. So, wie sie bei Durchgang 2 der Affenversuch-Genehmigungsposse ihr Scheitern selbst hatten absehen können. Doch Rot-Rot-Grün in Bremen tut es trotzdem erneut. Und das ist das eigentlich Unerhörte. 

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meinem wöchentlichen Newsletter.


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Kommentare: 1
  • #1

    Rabiner (Mittwoch, 08 März 2023 23:59)

    Wenn man in dem Passus, der mit den Worten "Noch gravierender: " beginnt, Tierversuche durch Menschenversuche ersetzen würde, dann wäre das offensichtlich verfassungswidrige absolut selbstverständlich.
    Hier kann man die oft gerühmte Freiheit von Forschung und Lehre durchaus kritisch sehen.