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Tatverdacht "Untreue"

Der Fraunhofer-Senat entlässt Innovationsvorstand Kurz mit sofortiger Wirkung und prüft Schadenersatzansprüche. Offenbar ermittelt die Staatsanwaltschaft München jetzt persönlich gegen ihn und Ex-Präsident Neugebauer.

Neue Vorwürfe gegen Reimund Neugebauer.  Fotos: Fraunhofer / Bernhard Huber.

DIE AUFKLÄRUNG der Fraunhofer-Affäre um mutmaßliche Steuergeldverschwendung hat am Freitag eine dramatische Wende genommen. Der Fraunhofer-Senat beschloss in einer Sondersitzung, den Innovationsvorstand Alexander Kurz mit sofortiger Wirkung abzuberufen.

 

In einer kurzen Pressemitteilung erklärte die Senatsvorsitzende Hildegard Müller, im Zuge der laufenden Prüfungen seien "Sachverhalte" bekannt geworden, "die der Senat auf Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung auch als schwerwiegende Pflichtverletzungen durch Herrn Prof. Dr. Kurz zu Lasten der Fraunhofer-Gesellschaft bewertet".

 

Derzeit arbeiten mehrere Kanzleien im Auftrag des Fraunhofer-Senats an der Aufklärung verschiedenster Vorwürfe, unter anderem zur Spesenpraxis des Vorstandes. 

 

Weiter beschloss der Senat, Schadenersatzansprüche gegen Kurz und gegen den bereits Ende Mai vorzeitig abgetretenen Präsidenten Reimund Neugebauer "zu prüfen, ggf. geltend zu machen und nötigenfalls auch gerichtlich durchzusetzen". Kurz war seit 2011 in verschiedenen Funktionen Fraunhofer-Vorstandsmitglied, Neugebauer amtierte 2012 bis Ende Mai 2023. 

 

Währenddessen soll die Staatsanwaltschaft München Fraunhofer-Insidern zufolge ihre bisher gegen "Unbekannt" laufenden Ermittlungen jetzt gegen Neugebauer und Kurz personifiziert und um den Tatbestand der Untreue erweitert haben. Eine Sprecherin der Behörde wollte dies jedoch auf Anfrage vorerst nicht bestätigen: Sie könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts Neues zu diesem Verfahren sagen.

 

32.000 Euro 

fürs Nichtstun?

 

Im Zusammenhang mit Kurz‘ Entlassung wie auch den offenbar neuen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft soll ein Beratervertrag mit einem Neugebauer-Vertrauten stehen, über den zwischen Januar 2019 und Dezember 2023 Quellen zufolge fürstliche Honorare zugesichert worden seien, außerdem ein Inflationsausgleich und eine Garantie-Mindestvergütung in Höhe von 1,1 Millionen Euro, die auch bei vorzeitiger Vertragsauflösung fällig werden sollte.

 

Tatsächlich kündigte Fraunhofer diesen Vertrag dann im Juli 2023, woraufhin der Neugebauer-Vertraute für die Restlaufzeit des Vertrages monatlich 32.000 Euro in Rechnung gestellt haben soll – wohl vergeblich.

 

Außerdem habe die Vereinbarung eine Einstellungszusage enthalten für einen Direktorenposten in der Fraunhofer-Zentrale. Weder eine Eignungs- noch eine Bedarfsprüfung habe stattgefunden, für den Beratervertrag habe es keine Ausschreibung gegeben.

 

Wurden der internen Revision
wichtige Angaben verschwiegen?

 

Als die interne Revision der Fraunhofer-Gesellschaft im Herbst 2021 Nachforschungen anstellte, seien ihr die Zusatzvereinbarungen zum Beratervertrag, namentlich die Garantieklausel und die Einstellungszusage, verschwiegen worden. Der Fraunhofer-Senat hatte wenig später mit Berufung auf die Ermittlungen der internen Revision alle damaligen Vorwürfe gegen Neugebauer per Beschluss als "durchweg haltlos" eingestuft.

 

Weder Neugebauer noch Kurz nahmen am Freitag auf Anfragen Stellung zu Vorwürfen.

 

In einer vor der Pressemitteilung verschickten internen Nachricht an alle 30.000 Fraunhofer-Mitarbeiter schrieb am Freitag die Senatsvorsitzende Müller, auch angesichts der zu erwartenden Medienberichterstattung sei ihr wichtig zu betonen: "Wir als Senat blicken gemeinsam mit dem neuen Präsidenten Prof. Dr. Holger Hanselka und mit Ihnen allen nach vorne."

 

Müller war nach einem verheerenden Bericht des Bundesrechnungshofs Anfang des Jahres und darauf folgenden ersten Rücktrittsforderungen gegen den Fraunhofer-Vorstand noch vorgeworfen worden, nicht entschieden genug zu handeln und weiter zu Neugebauer zu halten. Inzwischen hat sie die Flucht nach vorn ergriffen. 

 

Der Neuanfang sei schon nach den ersten Tagen und Wochen, in denen Hanselka im Amt ist, "deutlich zu spüren", schreibt Müller jetzt. Die transparente und umfassende Aufklärung von Verfehlungen einzelner in der Vergangenheit gehöre natürlich zum Neuanfang dazu.

 

Dieser Beitrag erschien parallel im Tagesspiegel.


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