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Ausweg dringend gesucht

Bund und Länder haben sich bei den Verhandlungen ums HAW-Forschungsprogramm verhakt. Das kleine Programm wird zur großen Bewährungsprobe für den Wissenschaftsföderalismus.

ES WAR von Anfang an ein Poker. Eigentlich hatten BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und ihre Länderkollegen Anfang November eine Einigung zur Fortsetzung des HAW-Forschungsprogramms verkünden wollen. Als das nicht gelang, einigte man sich zumindest auf eine dürre Pressemitteilung mit der Versicherung, Bund und Länder hätten das "gemeinsame Ziel, das Programm fortzusetzen und noch in diesem Jahr in einer Sondersitzung darüber zu entscheiden". 

 

Diese Sondersitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) soll am nächsten Montag stattfinden, doch ist völlig unklar, was dabei herauskommen soll. Denn tatsächlich haben sich Bund und Länder in eine Mischung aus Selbst- und Fremdblockade hineinmanövriert, bei der es bei aller Fantasie derzeit schwerfällt, einen für beide Seiten akzeptablen Ausweg zu erkennen. Gleichzeitig gilt: Gelingt am 27. November keine Einigung, wäre es nicht nur ein fatales Signal in die Wissenschaftslandschaft hinein. Es wäre zugleich ein kaum noch zu vermittelndes Scheitern des Wissenschaftsföderalismus bei einem vergleichsweise kleinen Problem. Was Schlimmes ahnen ließe für die großen Herausforderungen, die bevorstehen.

 

Ein kurzer Rückblick. Ende 2023 läuft das zuletzt 2018 verlängerte HAW-Programm aus. Derzeit finanziert der Bund noch 100 Prozent, die Länder konnten sich damals mit dem Argument durchsetzen, dass sie ja die Grundfinanzierung der Hochschulen bestreiten. Zum letzten Mal, lautete schon 2018 die Ansage aus dem BMBF. In der Zwischenzeit war der Regierungswechsel, und die Ampel fasste einen weitreichenden Kabinettsbeschluss, dass der Finanzierungsanteil des Bundes bei neuen Maßnahmen, bei denen der Bund die Länder unterstütze, nur noch maximal 50 Prozent betragen dürfe. Trifft das auch auf die Verlängerung eines Programms zu? Klar, sagt der Bund. Nein, sagen die Länder – und ihre Finanzminister beharrten lange auf maximal zehn Prozent Mitfinanzierung.

 

Soweit die Ausgangslage. Doch hatten die Länder sich bereits vor der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) Anfang November ein weites Stück Richtung Realismus bewegt. Und so warteten die Landeswissenschaftsminister gegenüber Stark-Watzinger überraschend mit dem Vorschlag eines Stufenplans auf. Startend von den null Prozent Finanzierungsanteil aktuell hin zu 50 Prozent im letzten Jahr der geplanten Laufzeit, 2029. Was insgesamt wohl bedeutet hätte, dass die Länder auf die vom Bund zugesicherten, bereits im Haushaltsentwurf für 2024 enthaltenen 65 Millionen Euro knapp 20 Millionen drauflegen würden. 

 

Man hatte die Hoffnung,
dass etwas gehen könnte

 

Und auch wenn die an den Verhandlungen Beteiligten sich mit Detailangaben zurückhalten: Man hatte offenbar die Hoffnung, dass da etwa gehen könnte. Denn auch das BMBF zeigte sich kompromissbereit: Wir schauen, was wir auf der Grundlage des Ländervorschlags machen können. Nur gibt es in der GWK keine Entscheidung ohne die Zustimmung der Finanzminister, und die fehlte den meisten Wissenschaftsministern, Stark-Watzinger inklusive, am 3. November noch. Weshalb man mit dem Pokern begann. Ziel: Das Treffen des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten wenige Tage später abwarten – und anschließend das Placet der Finanzseite einholen. Daher die nebulös formulierte Pressemitteilung.

 

Nur hatten die Finanzminister der Länder andere Vorstellungen. Nach einer Sitzung in Brüssel machten sie deutlich: Auf keinen Fall. Keine Zustimmung für einen Stufenplan, in dem, und sei es auch nur im letzten Jahr die 50 Prozent stehen. Denn so, wie der Bund unbedingt diese Zahl in der Vereinbarung stehen haben will, so sehr wollen die Landesfinanzminister dies verhindern. Aus genau demselben Grund: weil dies als Präzedenz für künftige, weitaus größere Bund-Länder-Programme gewertet werden könnte. 

 

Und da stehen beide Seiten nun. Zuletzt haben die Wissenschaftsminister notgedrungen ihren Stufenplan-Vorschlag angepasst, so dass die 50 im letzten Jahr nicht mehr auftaucht. Wohl wissend, dass das BMBF dem nicht zustimmen wird. Und so stehen sich nun beide Seiten gegenüber, keine will (oder darf) von ihrem Prinzip runter. 

 

Das kommt dabei heraus, könnte man nun sagen, wenn man von Anfang an und öffentlich bestimmte Zahlen oder Zielmarken zum Tabu, als nicht verhandelbar erklärt. So nimmt man sich selbst und der Gegenseite den Spielraum und zugleich auch die Möglichkeit, zu einem gesichtswahrenden Kompromiss zu kommen.

 

Fatalismus nach dem
Verfassungsgerichtsurteil?

 

Womöglich herrscht bei den Beteiligten inzwischen auch eine Art von Fatalismus vor, erst recht angesichts der weitreichenden Folgen des Verfassungsgerichtsurteils zum Nachtragshaushalt 2021, der nun zu einer fast kompletten Haushaltssperre auch für 2023 geführt hat. Was kommt als nächstes?, fragen sich die Minister aller Ressorts in Bund und Land. Und da könnte schon mal der Gedanke aufkommen, dass so ein 65+-Millionen-Euro-Programm dann schon fast egal ist. 

 

Doch muss allen Beteiligten, auch den Finanzministern, klar sein: Das geht so nicht. Bund und Länder haben den Hochschulen, der Wissenschaft und der Öffentlichkeit gegenüber eine Pflicht, sich zu einigen. Irgendwie muss er doch zu finden sein, der für beide Seiten gesichtswahrende Ausweg. Denn vor allem haben Bund und Länder auch eine Pflicht dem Ansehen des Föderalismus gegenüber. Gerade in der gegenwärtigen Budgetkrise. Schaffen sie die Einigung nicht, haben alle verloren. 


Prien: Steht mehr auf dem Spiel als HAW-Förderung

Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Karin Prien (CDU) mahnte am Dienstag, es stehe hier weit mehr auf dem Spiel als die "so dringende Forschungsförderung für die HAW". Und sie fügt hinzu: "Bund und Länder müssen unter Beweis stellen, das auch in schwierigen Zeiten der Föderalismus funktioniert und angemessene Lösungen finden."

 

Der GWK-Vorsitzende und bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) gab sich auf Anfrage demonstrativ "zuversichtlich, dass wir am Montag in der GWK zu seiner Lösung finden. Das wäre auch ein Zeichen von Handlungsfähigkeit im Bund-Länder-Geschäft in diesen finanziell allseits angespannten Zeiten."

 

Der Hochschullehrerbund (hlb) appellierte unterdessen als Berufsverband der HAW-

Professoren in einem offenen Brief an Bund und Länder, "womöglich noch strittige Finanzierungsfragen zwischen den Verhandlungspartnern dürfen nicht auf dem Rücken der ohnehin schon in der Forschungsförderung benachteiligten Hochschulen für angewandte Wissenschaften ausgetragen werden". 

 

So seien die Pilotinnen der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation "hoffnungslos überzeichnet" bei "verschwindend geringen Bewilligungsquoten", die DFG bewillige immer noch lediglich 0,55 Prozent ihrer Mittel für HAW-Forschungsprojekte, und bei der GWK-Sitzung am 3. November seien im Gegensatz zum vertagten HAW-Förderprogramm weitaus größere Programmfinanzierungen für andere Wissenschaftsbereiche freigegeben worden. 



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