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Exzellenz für immer?

Der Wissenschaftsrat hat sich zur Zukunft langjähriger Exzellenzcluster positioniert und setzt dabei auf einen Mittelweg.

ES IST EIN KLUGER LÖSUNGSVORSCHLAG für ein Problem, das die Wissenschaftspolitik schon lange umtreibt. Was tun mit langjährigen Exzellenzclustern, die innerhalb ihrer Universitäten eine besondere, ja tragende Rolle spielen und die, wie die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) es formulierte, "profilgebend für den Universitätsstandort und von überregionaler Bedeutung sind"?

 

Die Frage ist mindestens so alt wie die Fortsetzung der Exzellenzinitiative, die Exzellenzstrategie. Die ExStra sollte zwar den vorher zeitlich begrenzten Wettbewerb auf Dauer stellen, und auch von einer quasi-institutionellen Förderung für Exzellenzuniversitäten war die Rede, beides ermöglicht erst durch die Änderung des Grundgesetz-Artikels 91b im Jahr 2014. Doch gleichzeitig beruht auch die Exzellenzstrategie auf dem Prinzip des Wettbewerbs und der immer neuen – in den meisten Fällen wissenschaftsgeleiteten – Bestenauslese. 

 

Beim Wechsel von Exzellenzinitiative zu Exzellenzstrategie spielten Bund und Länder auf Zeit, indem sie ExIni-Clustern erlaubten, sich im selben Themenfeld, aber unter neuem Namen für die ExStra neu zu bewerben. Allerdings, so die damalige Festlegung, sollte nach zwei weiteren Förderperioden Schluss sein. Das Auswahlverfahren für Periode 2 läuft gerade. Höchste Zeit also zu entscheiden, wie es danach weitergeht.

 

Deshalb hatte die GWK im Sommer 2022 den Wissenschaftsrat um Empfehlungen gebeten. Die hat er vergangene Woche in einem Positionspapier vorgelegt.

 

Zukunft für Platzhirsche

 

Verschiedene Optionen standen im Raum. Die drastischste: Schluss heißt Schluss. Damit alte Platzhirsche nicht den Spielraum für neue, kreative Ansätze verstopfen, müssen selbst die erfolgreichsten Cluster raus aus der Förderung. Die Universitäten und die Länder, so die Argumentation, hätten lange genug Zeit gehabt, sich um Anschlussoptionen zu kümmern.

 

Das gegenteilige Extrem: Die Langzeit-Cluster werden verstetigt, also auf Dauer gefördert und dabei ähnlich wie etwa Leibniz-Institute regelmäßig evaluiert, als neue Förderlinie innerhalb der Exzellenzstrategie oder als neues Förderprogramm. Doch abgesehen davon, dass das viel vom Geld für frische Ideen weggenommen hätte, drohte hier potenziell eine Systemwidrigkeit: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), zuständig für die Exzellenzclusterförderung, hätte ein solcher Auftrag entgegen ihrer Mission faktisch zum institutionellen Förderer gemacht.

 

Der Wissenschaftsrat hat sich in seinem Papier nun für einen dritten Weg entschieden. Die langjährigen Exzellenzcluster sollen auch nach der zweiten ExStra-Phase weiter gefördert werden können, und zwar theoretisch unbegrenzt oft, aber in jeder neuen Runde in voller Konkurrenz zu allen Neuanträgen stehen.

 

In voller Konkurrenz bedeutet, dass sie wie die Neuen wieder zunächst Antragsskizzen einreichen müssen, von denen nur die aussichtsreichsten überhaupt zum Vollantrag aufgefordert werden. In der aktuellen zweiten Förderrunde hingegen, so sehen es die ExStra-Regeln vor, überspringen die bestehende Cluster die Skizzenphase. So soll es nach Meinung des Wissenschaftsrats künftig immer sein: der erste Fortsetzungsantrag ohne Skizze, danach, so kann man das Papier lesen, jede weitere Runde wieder mit Skizze.

 

Trotzdem noch zu viel Verkrustung?

 

Das ist schlau, denn sonst wären die Langzeit-Cluster in jeder Runde von vornherein bessergestellt. In der aktuellen Bewerbungsphase zeichnet sich das bereits ab. Es gab 143 neue Antragsskizzen, doch von denen dürfen nur 41 jetzt mit den 57 bestehenden Exzellenzclustern überhaupt per Antrag konkurrieren. Und den bestehenden Clustern wird intern noch dazu eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit eingeräumt im Wettstreit um die etwa 70 Cluster-Plätze.

 

Den Vertretern der Schluss-ist-Schluss-Fraktion wird selbst die salomonische Wissenschaftsratslösung noch zu viel Verkrustung sein, weil die alten Cluster über einflussreiche Netzwerke in der Wissenschaft verfügen, die ihre positive Begutachtung möglicherweise begünstigen. Für die Universitäten mit Langzeit-Clustern dagegen bedeutet die Lösung, dass sie nicht langfristig auf die Förderung bauen, sondern, wie der Wissenschaftsrat betont, ständig gefordert sind, "aus der langjährigen Förderung von Exzellenzclustern hervorgegangene, leistungsstarke Teilstrukturen in Universitäten langfristig zu erhalten und dafür gezielt und frühzeitig nach Anschlussfinanzierungen zu suchen".

 

In begründeten Ausnahmefällen, empfiehlt der Wissenschaftsrat, soll es auf Antrag und nach Begutachtung eine Zwischenfinanzierung von höchstens vier Jahren ab dem zweiten Jahr nach Förderende geben. Aber nur, um die Realisierung eines  nachhaltigen Nutzungs- und Finanzierungskonzepts zu unterstützen. 

 

Jetzt sind Bund und Länder wieder dran. Sie müssen in der GWK entscheiden, ob sie das Votum des Wissenschaftsrats übernehmen. Falls jetzt jemand Befangenheit vermutet, weil der Wissenschaftsrat ja selbst für die Administration der ExStra-Förderlinie "Exzellenzuniversitäten" zuständig ist, dem versichert das Gremium gleich in der Vorbemerkung: Der Forschungsausschuss, der mit dem Papier betraut wurde, habe seine Empfehlungen unabhängig von den im Wissenschaftsrat und in der DFG mit der Exzellenzstrategie beauftragten Gremien erarbeitet. Von praktischer Bedeutung würde die Änderung 2032, wenn die kommende ExStra-Förderphase endet. Die Bewerbungsrunde dafür würde aber schon deutlich früher starten. 



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Kommentare: 1
  • #1

    Gernot Nimmweg (Samstag, 27 April 2024 11:49)

    Am besten wäre der totale Abschied von diesem Instrument.
    Wenn man sich die Art und Weise der Vor-Begutachtung der
    diesjährigen Exz-Cluster und mit der von SFB und GRK vergleicht, muß einem Angst und Bange um letztere werden. Bei den Standard-Instrumenten der DFG hat man wenigstens den Eindruck der gründlichen fachlichen Bewertung. Hinzu kommt bei der sogenannten Exzellenz-Initiative die unselige politische Einflussnahme.