Vor ihrer Sommertagung in Völklingen diskutieren die Bildungs- und Wissenschaftsminister über die Reform ihres Clubs – und die weitreichenden Reformvorschläge, die jetzt auf dem Tisch liegen.
Bild: Gerd Altmann / Pixabay.
KURZ VOR DER KMK-SOMMERTAGUNG betonen die Kultusminister:innen noch einmal ihre Reformbereitschaft – und rufen ihre Wissenschaftskollegen gleichzeitig zur Einigkeit auf. Hintergrund sind die bevorstehende Gründung einer eigenständigen Wissenschaftsministerkonferenz innerhalb der KMK und Debatten über eine Abschaffung des traditionellen Einstimmigkeitsprinzips bei wichtigen Entscheidungen.
"Unser Auftrag für die KMK war: Wir müssen uns verändern! Keine Halbherzigkeiten, sondern mutige Entscheidungen", sagte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot auf Anfrage. "Diesen Auftrag lösen wir ein."
Die zur Reform der KMK eingesetzte Strukturkommission II hatte zuvor wie berichtet weitreichende Vorschläge zur "zur zukünftigen Struktur der Kultusministerkonferenz (KMKhoch3)" präsentiert, unter anderem die Einrichtung von drei eigenständig agierenden Ministerkonferenzen namens Bildungsministerkonferenz (Bildungs-MK), Wissenschaftsministerkonferenz (Wissenschafts-MK) und Kulturministerkonferenz (Kultur-MK), wobei letztere bereits 2018 gegründet wurde und das Vorbild für die beiden neuen Runden darstellt.
Die drei Konferenzen würden selbst entscheiden über ihre Binnenstruktur und die Gremien und Beratungsformate, die sie noch brauchen. Nur zur "Jahrestagung der Kultusministerkonferenz würden sie noch zusammen tagen und wären ansonsten nur für bereichsübergreifende Angelegenheiten – etwa die Lehrkräftebildung – über bereichsübergreifende Gremien miteinander verschränkt.
"Bildung, Wissenschaft und Kultur bilden die tragenden Pfeiler einer offenen und teilhabeorientierten Gesellschaft", kommentiert die SPD-Politikerin Streichert-Clivot, im Hauptjob Bildungsministerin des Saarlandes. "Durch die Reform kann die KMK zukünftig nicht nur besser auf aktuelle Herausforderungen reagieren, sondern auch effektiver agieren."
Prien: Vorschläge der
Strukturkommission weiterentwickeln
Allerdings gibt es vor allem unter den Bildungsministern auch Irritation über weitere Vorschläge der aus Amtschefs bestehenden Strukturkommission. Demzufolge würde das KMK-Präsidium durch einen Vorstand ersetzt, bestehend aus den Vorsitzenden der drei Einzel-Konferenzen. Zur Steuerung und Koordination des KMK-Sekretariats, ihres Haushalts und Führungspersonals würde eine längerfristig besetzte "Verwaltungskommission" auf Staatssekretärsebene eingerichtet, das strategisch eine zentrale Rolle in der KMK einnehmen könnte. Umgekehrt gäbe es keine KMK-Präsidentschaft mehr wie bislang, sondern die drei Vorstandsmitglieder würden gleichberechtigt jeweils ihren Politikbereich in der Öffentlichkeit vertreten. Bislang fungierte stets ein:e Bildungsminister:in als KMK-Präsident:in.
"Die Wissenschafts-MK wird kommen, das haben wir Schul- und Wissenschaftskollegen gemeinsam so beschlossen", sagt Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die die CDU-regierten Kultusministerien koordiniert, zu dem auf dem Tisch liegenden Beschlussvorschlag der Strukturkommission. "Was die Dachstruktur, das Verhältnis der einzelnen Konferenzen zueinander und die Vertretung der KMK nach außen angeht, muss das Ziel mehr politische Schlagkraft sein. Darum plädiere ich dafür, dass wir jetzt nichts übers Knie brechen, sondern uns die Zeit nehmen, über die Vorschläge der Strukturkommission in Ruhe zu diskutieren und sie miteinander weiterzuentwickeln."
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die die SPD-regierten Kultusministerien koordiniert, geht auf den Konflikt nicht direkt ein, beschwört aber die Einigkeit im Ministerclub. "Angesichts der großen Veränderungen unserer Zeit stehen wir nicht nur in der Bildungspolitik vor großen und neuen Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass wir innerhalb der KMK konstruktiv und zukunftsgerichtet zusammenarbeiten", sagte Hubig. "Dass wir das können, haben wir in der Vergangenheit schon bei einigen Projekten gezeigt." So müsse etwa bei Themen wie dem datengestützten Lernen oder KI im Unterricht das Rad nicht mehr 16 Mal neu erfunden werden. "Wir gehen arbeitsteilig vor, der eine lernt und profitiert von den Erfahrungen des anderen. Die KMK-Reform dient dazu, die KMK jetzt schneller und agiler zu machen und sie dabei zukunftsfest aufzustellen. Sie ist der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt."
Weg vom Einstimmigkeitszwang
– aber wie?
Nicht Teil des Beschlussvorschlages der Strukturkommission, aber nicht weniger heiß diskutiert wird das Ergebnis eines Prüfauftrags, den die KMK erteilt hatte und das jetzt unter der Überschrift "Institutionelle Resilienz der KMK" vorliegt. Während das Rechtsgutachten verschiedene Abstimmungsszenarien und dessen Rechtsgrundlage vorstellt, rückt in der Debatte der Kultusminister vor allem die Variante in den Vordergrund, bei der Ja-Stimmen aus 13 Ländern künftig auch bei wichtigen Entscheidungen genügen könnten.
"Gibt die KMK ihr Einstimmigkeitsprinzip auf, würde das mutigere Beschlüsse ermöglichen, weil sich eine Anzahl veränderungsbereiter Länder mit hoher politischer Symbolkraft zu einer weitergehenden Zusammenarbeit verpflichten könnten", sagt CDU-Politikerin Karin Prien, gibt aber zu bedenken: "Wir müssen aber aufhören, die KMK mit Erwartungen zu überfrachten. Damit ihre Beschlüsse juristisch bindend sind für die Länder, bräuchte es mindestens einen entsprechenden Länder-Staatsvertrag oder sogar eine Verfassungsänderung. Beides halte ich jedenfalls derzeit für wenig realistisch, umso hilfreicher wäre es, wenn wir die geltenden Abstimmungsmodalitäten zeitgemäß anpassen."
Einen solchen Staatsvertrag diskutiert auch das Rechtsgutachten in Anlehnung an ein Vorbild an den IT-Staatsvertrag zur Schaffung gemeinsamer IT-Standards. Im sogenannten IT-Planungsrat können bindende Beschlüsse mit einer Mehrheit getroffen werden, die neben dem Bund elf Länder und zusätzlich zwei Drittel der Finanzierungsanteile nach dem Königsteiner Schlüssel umfasst. Nur dass erstens der Bund nicht Mitglied in der KMK ist und der Bildungsbereich als Inbegriff der Länderidentität gilt. Hinzu kommen, Stichwort "wenig realistisch" die derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnisse im Bund und in den Bundesländern.
Doch auch eine 13-zu-3-Lösung, die keine juristische Bindungswirkung hätte, sehr wohl aber eine hohe politische Symbolkraft und Verbindlichkeit erreichen könnte, ist derzeit alles andere als sicher. Denn der Widerstand aus einigen Ländern, etwa Bayern, ist stark – und das geltende Einstimmigkeitsprinzip kann natürlich nur einstimmig abgelöst werden.
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Ralf Höhme (Mittwoch, 12 Juni 2024 15:19)
Im Gegensatz zu den meisten anderen Fachministerkonferenzen fasst die KMK ab und an Beschlüsse, die konkrete Auswirkungen für die Länder haben. Bei den anderen sind es meist Bekundungen, die den jeweiligen Zeitgeist reflektieren.
Sollte man vom Einstimmigkeitsprinzip, das den Umsetzungsdruck hoch hält, abweichen, kann künftig jedes Land machen, was es gerade für richtig hält. Der Druck auf den Bildungsföderalismus würde im Ergebnis dann wohl noch stärker.
PS: Ob man "Kultusminister:innen" schreibt, ist letztlich Geschmackssache (meiner nicht); wenn man es aber schon so gerecht wie möglich ausdrücken will, sollte man im konkreten Fall bedenken, dass in der KMK nicht nur Kultusressorts am Tisch sitzen.