Koalitionszwist bremst erneut Bärs Hightech-Pläne
Diese Woche, hoffte das BMFTR, würde der Haushaltsausschuss endlich gesperrte Titel im Sondervermögen freigeben. Stattdessen gibt es neue Verzögerungen – und finanzielle Sorgen bei der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur.
Hoch aufgehängt: Dorothee Bärs "Hightech-Agenda Deutschland": Plakat am Berliner BMFTR-Sitz. Foto: JMW.
ES IST EIN RÜCKSCHLAG für Dorothee Bärs Hightech-Agenda (HTAD) – und kurz vor Weihnachten Anlass zum Zittern für die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Anders als erwartet hat der Haushaltsausschuss des Bundestages am Mittwochvormittag die Sperrung mehrerer BMFTR-Haushaltstitel im Sondervermögen nicht aufgehoben.
Betroffen sind unter anderem die Anschubfinanzierung von AI-Gigafactory, Quantencomputing, Fusionskraftwerk und Hyperloop in zusammengerechnet dreistelliger Millionenhöhe. Alles zentrale Agenda-Vorhaben. Auch 34 Millionen Euro, die im Infrastruktur-Sondervermögen für das 1000-Köpfe-Plus-Programm vorgesehen sind, bleiben vorerst gesperrt. Die nächste Möglichkeit zur Entsperrung bietet nun die Sitzung des Haushaltsausschusses am 14. Januar 2026, was weitere vier Wochen Verzögerung bedeutet.
Einerseits mag der faktische Unterschied gering sein, weil die Weihnachtspause dazwischen liegt. Andererseits endet das Jahr damit mit einer aus Bärs Sicht ungünstigen Symbolik: Wichtige Bremsen bei der HTAD, dem wohl wichtigsten Projekt der CSU-Politikerin als Forschungsministerin, sind immer noch nicht gelöst. Und das, während die Fragen nach der konkreten Umsetzung aus Wissenschaft und Wirtschaft ohnehin immer drängender werden.
Praktisch verschärfend wirkt sich aus, dass die Koalition für den Haushalt 2026 die laufende Finanzierung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) in das Sondervermögen verschoben hatte. Das war von der Opposition schon zuvor als "Missbrauch des Sondervermögens" kritisiert worden. Nun führt es dazu, dass der NFDI eigentlich ab 1. Januar keine Bundesmittel mehr zur Verfügung stehen.
Zittern bei der Forschungsdateninfrastruktur
Die NFDI ist eine seit 2020 bestehende bundesweit koordinierte Infrastruktur für Forschungsdaten, die jährlich bis zu 90 Millionen Euro (90 Prozent vom Bund, 10 Prozent von den Ländern finanziert) erhält, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten systematisch sichern, vernetzen und wiederverwenden können.
Die grüne Haushaltspolitikerin Paula Piechotta warnt nun davor, die NFDI müsse von Jahresbeginn an "ihre Aufgaben, Forschungsdaten zu erschließen, zu sichern und zugänglich zu machen, ohne Finanzierung erledigen. Auch muss der Standortwettbewerb um den Bau von europäischen AI-Gigafactories ohne deutsche Zusage einer Kofinanzierung starten." Beides passe nicht zu einem Land, dessen Wohlstand wesentlich von Forschung und Innovation abhänge. Bundesfinanzministerium und BMFTR seien gefordert, der Wissenschaft rasch Übergangslösungen zu präsentieren.
Auf Anfrage versichert Bärs Ministerium: "Die Erfüllung bestehender Rechtsverpflichtungen steht nicht in Frage." BMFTR und Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) würden die NFDI-Finanzierung bis zur angestrebten Entsperrung im Januar sicherstellen. Und was die AI-Gigafactories angehe, werde der Start des Wettbewerbsverfahrens nach aktuellem Zeitplan auf EU-Ebene frühestens Ende Januar 2026 erfolgen. Eine Zusage für eine Ko-Finanzierung werde von den Bewerbern erst im Rahmen des Verfahrens benötigt. Eine Entsperrung der Mittel aus dem Sondervermögen, versichert das Ministerium, sei hierfür "aktuell noch nicht erforderlich".
Wie aber konnte es überhaupt zu dieser Situation kommen? Zunächst hatte der Haushaltsausschuss wie berichtet für 2025 und 2026 die Sperrung vieler Budgettitel in Verantwortung des BMFTR verfügt, darunter auffällig oft die Hightech-Agenda. Standard-Satz: Vor einer Entsperrung müssten detaillierte Konzepte vorliegen.
Politischer Streit im Haushaltsausschuss
Was einerseits ein typisches Vorgehen des Ausschusses bei neuen Vorhaben ist, andererseits aber wie eine Einladung zu politischen Zwistigkeiten unter Koalitionspartnern wirkte. Und genau die spielten zuletzt offenbar eine gewichtige Rolle. Über die Hintergründe hatte zuerst das Handelsblatt berichtet: CDU/CSU-Haushälter hätten demzufolge zunächst die gesamten HTAD-Mittel gesperrt, um ein Wunschprojekt von Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas aus dem Sondervermögen herauszuhalten, woraufhin das SPD-geführte Finanzministerium seinerseits Freigaben nur noch paketweise durchsetzen wollte. SPD-Interessen gegen Unions-Interessen. Die HTAD sei so über lange Zeit zwischen die Fronten geraten, bis schließlich die Fraktionsspitzen eingriffen und eine schrittweise Entsperrung vorbereiteten. Ein erster Teil davon kam am 3. Dezember, die nächste Runde sollte am Mittwoch folgen.
Das BMFTR, ist im Hintergrund zu hören, habe alle für eine Entsperrung nötigen Unterlagen rechtzeitig ans Finanzministerium geschickt. Doch sei der Antrag des Finanzministeriums dann offenbar so spät an den Haushaltssausschuss gegangen, dass der ihn nicht mehr auf die Tagesordnung setzte. Auf Anfrage sagt Bärs Ministerium lediglich: "Die Entscheidung über die Tagesordnung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags liegt beim Haushaltsausschuss."
BMFTR gibt sich jetzt für Januar zuversichtlich
Die Grüne Piechotta spricht von "dilettantischem Regierungshandwerk" und erschüttertem Vertrauen in Regierung und Koalition. Die Angelegenheit lasse "auf Missgunst zwischen Unions- und SPD-geführten Ressorts schließen".
Laut BMFTR sollen in dieser Legislaturperiode rund 18 Milliarden Euro in die Hightech-Agenda fließen, vor allem über das zusätzlichen Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität und den Klima- und Transformationsfond. Der Bundesrechnungshof hat allerdings die Haushaltsplanung der Bundesregierung zwischen Normal- und Sondertöpfen als wenig transparent gerügt. Frisch sind pro Jahr wohl etwa 2,5 der Agenda-Milliarden.
Das BMFTR teilt mit: "Eine Entsperrung unmittelbar nach Inkrafttreten des Haushalts 2026 im Rahmen einer der ersten Sitzungen des Haushaltsausschusses im Haushaltsjahr 2026 wäre ein gutes Signal für die Umsetzung der HTAD." Das Ministerium sei "sehr zuversichtlich, dass dies gelingen wird". JMW.
Neuen Kommentar hinzufügen