Söders Schaden
Bayerische BMFTR-Chefin, bayerische Interessen? Bundesforschungsministerin Dorothee Bär hatte die Vorbehalte ihrer Länderkollegen fast zerstreut, da bediente Markus Söder sie mit einer unfassbaren Bemerkung.
Markus Söder zu Fasching 2014 als "Shrek". Foto: David-Wolfgang Ebener, dpa / CC BY 4.0.
EIGENTLICH SAGEN ihre Länderkolleginnen und Länderkollegen fast nur Gutes über Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU). Sie sei zugewandt und engagiert. Sie habe sich schnell eingearbeitet, gehe strategisch vor und habe Humor. Einige kommentieren ihre intensive Social-Media-Präsenz. Andere sagen, Stichwort weiterhin gesperrte Haushaltstitel, bei der Hightech-Agenda Deutschland (HTAD) müsse Bär aufpassen, mit ihren Ambitionen nicht zwischen die Mühlsteine der schwarz-roten Koalition zu geraten.
Was jedoch in den Landesministerien außerhalb Münchens wirklich für Unruhe sorgt, sind Befürchtungen einer Bayern-Connection bei der Vergabe von Fördermitteln. Die Befürchtungen waren da, bevor überhaupt feststand, dass Bär das neu zugeschnittene Bundesministerium für Forschung, Raumfahrt und Technologie (BMFTR) übernehmen sollte. Weil schon das Forschungskapitel im Koalitionsvertrag mit der Erwähnung von HTAD, Hyperloop oder Fusionsreaktor erstaunlich deutlich bayerische Interessen verewigte. CSU-Chef Söder hatte den Anspruch auf das BMFTR in den Koalitionsverhandlungen denn auch überdeutlich gemacht.
Bär selbst hat, seit sie im Amt ist, den Befürchtungen keinerlei Vorschub geleistet, im Gegenteil: Sie betont immer wieder, dass sie als Bundesministerin alle 16 Bundesländer im Blick habe. Direkt angesprochen auf Mutmaßungen, mit ihr als Bayerin an der Spitze eines Raumfahrtministeriums werde eine Förder-Pipeline direkt zu Bayerns Raumfahrtindustrie gelegt, sagte sie im Interview: "Richtig ist, dass Bayern sich nicht verstecken muss. Wir haben mit der TU und der LMU München zwei Exzellenzuniversitäten von Weltrang. Sollen wir sie jetzt benachteiligen, weil sie in Bayern sind? Oder der DLR-Standort Oberpfaffenhofen? Alle Entscheidungen werden nach objektiven Kriterien getroffen werden."
Föderalismusproporz als Überkompensation?
Erst neulich hat Bär konkrete Sorgen der Länder besänftigt, bei der Hightech-Agenda vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. 16 HTAD-Beauftragte der Länder sollen die Kommunikation und Abstimmung mit dem BMFTR sicherstellen. Was allerdings die Gefahr in sich birgt, die Strategie könnte jetzt aus Angst vor der Bayern-Connection mit Föderalismusproporz überkompensiert werden.
So oder so: Sieben Monate nach Regierungsantritt sollte es mit den Verdächtigungen langsam gut sein, könnte man denken. Bär hat einige vielgelobte Personalentscheidungen getroffen, zuletzt mit der Verpflichtung von Ex-Astronaut Thomas Reiter als Leiter der Raumfahrtabteilung. Sie preschte mutig bei der Bekanntgabe des 1000-Köpfe-Programms vor, als sie das Geld noch gar nicht sicher hatte. Bei schwierigen Haushaltsverhandlungen schlug sie sich wacker, und das HTAD-Konzept findet überwiegend Zustimmung in Wissenschaft und Industrie – wobei die Ungeduld wächst, wann es denn endlich richtig losgeht mit der Umsetzung.
Zusammen mit den Ländern vereinbarte sie Ende November in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) als deren stellvertretende Vorsitzende eine Erhöhung der DFG-Programmpauschale. Bei der anschließenden Pressekonferenz stand neben ihr als GWK-Vorsitzender Niedersachsens SPD-Wissenschaftsminister Falko Mohrs, sprach sie als "liebe Doro" an und sagte bemerkenswerte Sätze: "Wir sind alle richtig erfolgshungrig, sowohl der Bund wie auch alle 16 Länder. Wir wollen unbedingt diesen Erfolg, weil wir glauben, dass die Hightech-Agenda für uns als Deutschland einfach zentral wichtig ist."
Unerträgliche Arroganz
Wenige Tage später sagte allerdings auch Bärs Parteivorsitzender bemerkenswerte Sätze. Beim CSU-Parteitag in München war das. Söder sprach über die Bedeutung deutscher Raumfahrtprojekte und fuhr fort: "Und jetzt haben wir auch ein Ministerium und die Doro ist unsere Space-Ministerin, das freut mich ganz besonders. Danke auch für deine Arbeit an der Stelle. Keine Frage: Wir erwarten uns nicht viel von dir, aber viel Geld nach Bayern, liebe Doro. Das wäre schön.“
Wie man mit wenigen Worten so viel Falsches sagen kann. Machohaft, frauenfeindlich, herabwürdigend. Die Reihe der Adjektive ließe sich erweitern. In keinem Szenario hätte daraus ein gelungener Witz werden können. In keiner Weise wird Söder damit Bärs bisheriger Amtsführung gerecht – und erst recht nicht den Erwartungen an sie in der Wissenschaftsszene. Stattdessen tritt der bayerische Ministerpräsident mit seiner unerträglichen Arroganz alles mit Füßen, was Bär sich an Vertrauen in den Ländern erarbeitet hat.
Die Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftsminister sollten sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie sollten Söders unfassbare, aber leider nicht untypische Entgleisung nicht mit neuem Misstrauen gegenüber Dorothee Bär beantworten. Sondern im Gegenteil wissen: Spätestens seit dem Münchner CSU-Parteitag ist Bär endgültig klar, wem sie als Bundesforschungsministerin verpflichtet ist. Und wem nicht. JMW.
Kommentare
#1 - Söders Schatten
Chapeau zu diesem Artikel!
Dorothee Bär ist Markus Söder (bislang) treu ergeben, was ihr zwar den Ministerposten in Berlin, aber auch das grottenschlechte Wahlergebnis als Partei-Vize bei der CSU einbrachte. Zehn Jahre jünger als Markus Söder kann es auch aussitzen.
Ihr bleibt sowieso nichts anderes übrig, als durch gute Amtsführung zu punkten, sonst wird ihr die Nibelungentreue zu Markus Söder auf die Füße fallen.
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