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Willkommen, Frau Präsidentin!

An den Universitäten ist die Zahl der Chefinnen innerhalb von zwölf Monaten stark gewachsen. Deutet sich eine Prinzip-Umkehr bei den Bemühungen um mehr Gleichberechtigung an? Währenddessen sinkt der Anteil der HAW-Rektorinnen weiter.

Bild: Designed by rawpixel.com / Freepik.

DER SPRUNG IST ENORM. Innerhalb von zwölf Monaten ist der Anteil weiblicher Leitungen an Deutschlands staatlichen Universitäten um fast zehn Prozentpunkte auf 37 Prozent angestiegen. Damit wurden Ende 2022 insgesamt 30 von 81 Universitäten von Frauen geführt, berichtet das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das seit 2019 regelmäßig die Demografie deutscher Hochschulleitungen analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung lagen mir vorab vor.

 

Zum Vergleich: Ende 2018 zählte das CHE 19 Frauen an der Spitze staatlicher Universitäten, in den vier folgenden Jahren kletterte ihre Zahl nur leicht auf 22. Der große Sprung hängt mit einem Generationswechsel zusammen, der zurzeit an den Universitäten stattfindet. 14 Chefposten wurden zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 neu besetzt – und von vielen Universitäten offenbar strategisch zur Erhöhung des Frauenanteils (+8) genutzt. Gleichzeitig verjüngte sich das – allerdings weiter hohe – Durchschnittsalter der Rektor:innen und Präsident:innen an den Universitäten um fast zwei Jahre, von 60,6 auf 58,8.

 

Seit 2018 hatte sich der Frauenanteil unter den Unileitungen ziemlich parallel zum Anteil der Professorinnen entwickelt. Ob dies weiter der Fall ist, bleibt abzuwarten, weil das Statistische Bundesamt die entsprechenden Daten für 2022 voraussichtlich erst im Herbst vorlegt.

 

Allerdings deuten Berichte aus einzelnen Bundesländern bereits darauf hin, dass es auch beim Uni-Professorinnenanteil zuletzt dynamischer zuging: So besetzten die großen Berliner Universitäten 2022 rund 53 Prozent ihrer ausgeschriebenen Professuren mit Frauen. Geringer war der Frauenanteil an den Berliner Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). Sie machten dort 42 Prozent der Neuberufungen aus.

 

Nur jede fünfte HAW-Leitung ist weiblich

 

Tatsächlich sind die HAW auch bei der bundesweiten Besetzung ihrer Rektorate und Präsidien deutlich männerlastiger. Zwischen Ende 2021 und Ende 2022 ging der Anteil weiblicher HAW-Leitungen – wie schon im Jahr davor – sogar leicht zurück, diesmal von 22,8 auf 21,8 Prozent. Damit sind die HAW-Leitungen beim Frauenanteil fast wieder auf das Niveau von 2018 zurückgefallen. >>>


Quelle: CHE, Stand Dezember 2022.


>>> Während zwischen 2021 und 2022 mehr als jede sechste Unileitung neu besetzt wurde, war es an den HAW nur jede zehnte. Auch das Durchschnittsalter der HAW-Chefs blieb mit 57,3 Jahren fast gleich (-0,7) – und liegt nur noch leicht unter dem der Unipräsiden:innen bzw. -rektor:innen.

 

Dass anders als an den Universitäten die (wenigen) neuen HAW-Chefs erneut vorrangig Männer waren, dürfte zum einen mit der Fächerzusammensetzung an HAWs zu tun haben, sprich: ihrem höheren Anteil an Ingenieurwissenschaften. In denen sind Frauen als Studierende und Lehrende noch immer deutlich unterrepräsentiert. Zum anderen scheint es an den HAW aktuell einen geringeren Erwartungsdruck zu geben, etwas an der mangelnden Repräsentation von Frauen in den Hochschulleitungen zu ändern.

 

Dass sich derweil mit der wachsenden Zahl der Unipräsidentinnen auch die Debatte in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) verändert, hatte im vergangen Jahr der Eklat um ein Papier zur Chancengleichheit gezeigt. Der informelle Arbeitskreis der Präsidentinnen und Rektorinnen hatte bemängelt, dass der Anteil von Frauen bei Promotionen bei 45 Prozent liege – bei den Habilitationen jedoch auf 35 Prozent und bei den Professuren auf 26 Prozent absinke.

 

Erfolgreicher als das Kaskadenmodell?

 

Ihre daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen schrieben sie auf, Kernaussage: Die HRK nehme "mit großer Sorge zur Kenntnis, dass sich der Anteil von Frauen auf allen Karrierestufen viel zu langsam erhöht". Es brauche einen Kulturwandel bei den Berufungsverfahren. In der HRK-Vollversammlung gab es dann jedoch im Zusammenhang mit dem Papier hitzige Diskussionen, die Beschlussfassung wurde verschoben, später dann aber in nur leicht veränderter Fassung nachgeholt.

 

Eigentlich lautete das – allerdings bislang nur bedingt erfolgreiche – Credo der deutschen Wissenschaftspolitik, die Erhöhung des Frauenanteils solle in Form eines Kaskadenmodells von unten aufsteigend durch die Hierarchie erfolgen. Deutet sich mit dem steigenden Chefinnenanteil hier gerade eine Prinzipumkehr an: die Erhöhung des Frauenanteils von oben nach unten – und wird hierdurch der von den Rektor:innen geforderte Kulturwandel vielleicht sogar erst möglich?

 

Wenn, dann nur sehr bedingt. In der Gesamtschau von HAW und Universitäten kommt Studienleiterin Isabel Roessler nämlich zu dem Ergebnis, dass die deutschen Hochschulleitungen im Vergleich zum Vorjahr "minimal jünger und etwas weiblicher" geworden seien. "Von der Heterogenität am Campus sind sie, was ihre Herkunft und Bildungsbiografien angeht, jedoch weiterhin weit entfernt."

 

Immerhin gab es in den vergangenen Jahren Hinweise, dass die HAW-Chefetagen zwar weiter stark männlich geprägt, dafür aber in anderer Hinsicht etwas diverser zusammengesetzt sind als an den Universitäten. So hatten 2019 nur drei der HAW-Chefs explizit angegeben, niemals außerhalb der Hochschulwelt gearbeitet zu haben. Und immerhin 13 von 101 Chefs hatten vor ihrem Studium eine Ausbildung absolviert, drei als Bankkaufleute. Aber es gab auch Gärtner, Schauwerbegestalter und Tischler – wobei nicht alle 13 ihre Lehre abgeschlossen hatten. Der Anspruch der HAW, gerade auch Bildungsaufsteigern ein Studium zu ermöglichen, spiegelte sich in der Demografie ihrer Rektoren zumindest in Ansätzen wider.

 

Mehr Closed Shop als Internationalität

 

Allerdings kann auch die neuste CHE-Analyse nichts über die soziale Herkunft der Hochschulleitungen sagen, etwa wie viele Kinder von Erstakademikern und Einwanderern unter ihnen sind. Denn sie beruht erneut allein auf einer Recherche öffentlich verfügbarer Lebensläufe.

 

Ernüchternd ist wie schon in den Vorjahren die Auswertung der Geburtsorte der Hochschulleitungen. Nur drei der Ende 2022 im Amt befindlichen 81 Unichefs wurden im Ausland geboren – und nur zwei von 101 HAW-Präsident:innen bzw. -rektor:innen. Jeweils noch eine Person weniger als Ende 2022.

 

Was zeigt, dass die vor allem von den Universitäten behauptete Internationalität keine ist, die ihr Führungspersonal verkörpert. Was übrigens genauso für die Ebene der Professor:innen gilt, von denen weit über 90 Prozent aus Deutschland stammen – mit über die Jahre deprimierend wenig Veränderung. Die Entgegnung, die viele Präsident:innen und Rektor:innen hätten zeitweise im Ausland gearbeitet, ändert diesen Closed-Shop-Eindruck nicht. 

 

Übrigens sind auch lediglich vier Unileitungen in Ostdeutschland zur Welt gekommen, an den HAW ist sind es mit elf etwas mehr.

 

Auffallend sei die Quote an Führungskräften, die an ihrer eigenen Hochschule langfristig Karriere gemacht hätten, sagte CHE-Leiterin Roessler. Zwei Drittel der Unichefs und 70 Prozent der HAW-Leiter:innen seinen zuvor an ihrer Hochschule tätig gewesen – und das im Durchschnitt seit rund 13 Jahren.


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Kommentare: 3
  • #1

    internationale Professor/innen (Dienstag, 02 Mai 2023 11:57)

    "Was übrigens genauso für die Ebene der Professor:innen gilt, von denen weit über 90 Prozent aus Deutschland stammen – mit über die Jahre deprimierend wenig Veränderung." Der Satz bezieht sich angesichts des vorherigen auf Universitäten.

    Laut den Daten von Wissenschaft weltoffen gab es im Jahr aber 2020 10,7 % internationale Professor/innen an deutschen Universitäten (2010: 8,7 %). Hochschultypübergreifend betrug der Anteil 7,2 % (2010: 6 %).

  • #2

    A. Freund (Dienstag, 02 Mai 2023 15:35)

    Closed Shop vs. Internationalität

    Vielen Dank für den sehr interessanten Artikel.
    Allerdings muss ich dazu folgendes anmerken: Ob ein Hochschulleiter/in in Deutschland geboren ist oder nicht, hat sehr wenig mit der Internationalität der Hochschule oder der HAW zu tun. Wichtig für die Ausrichtung der Internationalität der Institution ist die Sichtweise der Leitungsgremien, nicht der Geburtsort der Mitwirkenden. Ich dachte, die Frage des Geburtsortes sei in Deutschland längst ad acta gelegt worden.
    Zudem nutzen viele im Ausland geborene Bürgerinnen und Bürger das an deutschen Hochschulen erworbene fachliche, verwaltungstechnische und sonstige Wissen, um sich in ihren Geburtsländern beruflich weiterzuentwickeln. Das Ganze hat nichts mit "closed shop" zu tun. Oder gibt es an deutschen Hochschulen (noch) Auswahlkriterien für Führungskräfte, die einen ausländischen Geburtsort ausschließen?

  • #3

    Ruth Himmelreich (Donnerstag, 04 Mai 2023 10:09)

    Der Sprung bei der Zahl der Präsidentinnen und Rektorinnen hat auch mit der kommenden Phase der Exzellenzstrategie zu tun, würde ich meinen. Da die Gleichstellungspolitik der Uni ein Faktor für eine erfolgreiche Bewerbung ist, hat das den Bewerberinnen um ein solches Amt sicherlich Rückenwind gegeben. Auch in dieser Hinsicht keine schlechte Sache, die Exzellenzstrategie...