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Bundesrechnungshof lobt BMBF für Kürzung des BAföG-Titels

Insgesamt aber biete der 2024er-Haushaltsentwurf des Ministeriums "keinen transparenten Überblick", kritisieren die Prüfer in ihrem turnusmäßigen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages.

ZU DEN GEPFLOGENHEITEN der parlamentarischen Haushaltsberatungen gehört, dass der Bundesrechnungshof (BRH) kurz vorher die Budgets der einzelnen Bundesministerien analysiert und sein Ergebnis dem Haushaltsausschuss mitteilt. Dieses Jahr enthält der noch unveröffentlichte Bericht für BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ausgerechnet an der Stelle Lob, deretwegen sie in den vergangenen Wochen am meisten in der öffentlichen Kritik stand. 


Dass im Ministeriumsansatz für das Jahr 2024 rund 721 Millionen Euro und damit 26,6 Prozent weniger fürs BAföG veranschlagt sind, sei "erfreulich", heißt es im BRH-Bericht, weil das Ministerium "nun zu einer realistischen bedarfsdeckenden Veranlagung zurückkehren will". In den vergangenen Jahren habe das BMBF die BAföG-Titelgruppe oft deutlich zu hoch veranschlagt mit dem Ergebnis, dass allein zwischen 2019 und 2022 in Summe über eine Milliarde Euro in den Bundeshaushalt zurückgeflossen seien, "ohne dass das BMBF diese Mittel anderweitig für Bildung und Forschung hätte einsetzen können".

 

Was Stark-Watzinger schon weniger gern lesen dürfte: Für die BRH-Prüfer deuten die für 2024 veranschlagten Ausgaben zugleich darauf hin, dass die vergangene BAföG-Novelle nicht den beabsichtigten Erfolg gehabt habe. "Ziel war es, durch eine deutlich Erhöhung der Freibeträge den Rückgang der Gefördertenzahl zu stoppen. Die Bedarfssätze wurden erhöht, außerdem Altersgrenzen heraufgesetzt, um das BAföG breiteren Bevölkerungsschichten zu öffnen. Der rückläufige Mittelbedarf legt nahe, dass das Ziel nicht erreicht wurde."

 

Der Rechnungshof stört sich an den wachsenden
Bund-Länder-Verflechtungen – mal wieder

 

Selbst bei der differenzierten Betrachtung, dass Einmaleffekte im 2023er-Haushalt einen Vergleich erschwerten, müsse der geplante Rückgang des 2024er-Gesamtbudgets ein "Weckruf" sein, befinden die Prüfer. "Die Mittel des Bundes, die für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen, expandieren derzeit nicht mehr. Bei inflationsbereinigter Betrachtung sinken sie sogar erheblich." Angesichts der allgemeinen Krisensituation sei absehbar nicht mit einer Entspannung der Haushaltslage zu rechnen, die Handlungsmöglichkeiten schränkten sich ein, der Spielraum für neue Vorhaben oder für die Reaktion auf aktuelle Entwicklungen verringere sich. "Das BMBF muss vor diesem Hintergrund alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den ziel- und zweckgerichteten Einsatz der Haushaltsmittel dauerhaft zu gewährleisten."

 

Ganz grundsätzlich attestiert der BRH dem Ministerium, dass sein Budget, der sogenannte Einzelplan 30, "keinen transparenten Überblick über die Finanzierung der BMBF-Aufgaben" biete. Merklich stören sich die Berichterstatter an der wachsenden Bund-Länder-Verflechtung bei Bildung und Forschung. Diese führe dazu, dass laut Haushaltsentwurf im Jahr 2024 mindestens 54,8 Prozent der BMBF-Gesamtausgaben durch Vereinbarungen mit den Ländern gebunden seien, fast vier Prozentpunkte mehr als 2023. Die Ausgaben für Wissenschaftseinrichtungen hätten sich vor allem durch die Dynamisierung des zwischen Bund und Ländern geschlossenen Pakts für Forschung und Innovation (PFI) seit 2010 auf 7,9 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.

 

Zugleich gebe es Beispiele, in denen sich der Bund aus Gemeinschaftsaufgaben zurückgezogen habe, etwa in der Bildungsplanung und im Hochschulbau, und den Ländern im Gegenzug dauerhaft zusätzliche Umsatzsteueranteile überlasse. Das BRH-Urteil: "Die gegenläufigen Maßnahmen von Entflechtung einerseits und neuer Verflechtung andererseits zeigen, dass dem BMBF insgesamt ein funktionierendes Konzept fehlt, ob und wie der Bund Schulen und Hochschulen finanzieren kann und sollte."

 

Dass der BRH seinerseits für mehr Entflechtung plädiert, überrascht da nicht. Wobei seine Argumentation im Bericht nicht durchweg stimmig ausfällt. So befürworten die Prüfer in Bezug auf das geplante Startchancen-Programm für benachteiligte Schulen und Schüler ausdrücklich, dass Stark-Watzinger die angekündigte jährliche Bundesmilliarde nicht nach dem Königsteiner Schlüssel, sondern bedarfsgerecht verteilen will. Dies habe der BRH in seinem Bericht zu den Startchancen bereits gefordert. Zugleich mahnen die Prüfer, das BMBF müsse die Vorgaben des Haushaltsausschusses zur weiteren Ausgestaltung des Programms beachten – und solle unbedingt von dem Mitteltransfer in die Länder in Form von Umsatzsteuerpunkten absehen. Andernfalls habe das BMBF in Bezug auf diese Gelder keine Steuerungs- und Kontrollrechte.

 

Weitere wichtige Punkte
aus dem BRH-Bericht

 

o Die Gesamtsumme der BMBF-Projektförderung bleibe konstant, doch gebe es innerhalb der Themenbereiche einige auffällige Verschiebungen und Anpassungen. Explizit kritisiert der Rechnungshof die Konzentration zahlreicher Ausgabenposten in dem Haushaltstitel, der auch für die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) vorgesehenen ist. So ist darin neben der eigentlichen Agenturförderung unter anderem "Forschung an Fachhochschulen" enthalten, aber auch die Zukunftcluster-Initative, die Forschungscampi oder das Programm "Innovation und Strukturwandel". Eine solche "massive Bündelung unter einer derart allgemeinen Zweckbestimmung" laufe der Transparenz im Haushaltsplan zuwider, eine Einzelveranschlagung sei hier angebracht.

 

o Die Prüfer kritisieren, der Zeitplan der im März 2023 ausgeschriebene Evaluation der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) sei "nicht verständlich" und "ungünstig gewählt". Hintergrund: Aktuell befindet sich das sogenannte SPRIND-Freiheitsgesetz im Gesetzgebungsverfahren und wird, worauf der BRH zu Recht hinweist, die Arbeitsweise der Agentur stark verändern. Deshalb müsse die Evaluation auf einen ausreichend langen Zeitraum nach Inkrafttreten des Gesetzes ausgeweitet werden, um einen Vorher-Nachher-Vergleich zu ermöglichen. Das BMBF müsse als federführendes Ministerium sicherstellen, "dass Evaluationen zu belastbaren Ergebnissen führen", weil dies die Voraussetzung für Entscheidungen des BMBF und des Parlaments sei.

 

o Ein BRH-Dauerbrenner ist die Kritik an der Höhe der sogenannten Selbstbewirtschaftsmittel von Wissenschaftseinrichtungen. Die aus dem BMBF-Etat gewährten, nicht ausgegebenen Mittel, die zum Ende des Haushaltsjahres auf  gesonderten Konten geparkt würden, hätten Ende des Jahres 2022 mit 1,19 Milliarden Euro "erneut Rekordhöhe" erreicht. Auffällig seien weiter die Helmholtz-Gemeinschaft, deren Betriebsmittel der Haushaltsausschuss erstmals 2019 zu 25 Prozent gesperrt hatte, und der beschleunigte Anstieg der Selbstbewirtschaftungsmittel bei der Leibniz-Gemeinschaft. 

 

o Die Ausgaben des BMBF für die Hochschulen machen laut BRH im 2024er-Entwurf 17 Prozent Mittel aus, darunter für den "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken", die Exzellenzstrategie, das Programm zur Förderung von Forschungsbauten, die DFG-Programmpauschalen und der Titel "Innovation in der Hochschullehre". Nicht zufällig pickt sich der Bericht das Förderprogramm "Forschung an Fachhochschulen" heraus, das zurzeit zu 100 Prozent vom Bund finanziert wird und dessen Verlängerung Bund und Länder dieses Jahr verhandeln, und verdeutlicht daran eine in BRH-Sicht "typische Schwäche von Bund-Länder-Programmen": "Dem Bund liegen keine ausreichenden Daten über die Ausgangslage in den Ländern vor, das Interesse an einer umfassenden und neutralen Erfolgskontrolle ist gering – auch auf Länderseite." Weshalb es, wenn überhaupt, nur neue Bund-Länder-Vereinbarungen geben dürfe, wenn ein Engagement des Bundes in Bereichen der Länderzuständigkeit "nachweislich notwendig und zielführend" sei und zudem im Bundesinteresse liege. Dazu brauche es aber belastbare Ausgangsdaten der Länder und auf dieser Basis begleitende und nachgelagerte Erfolgs- und Wirkungskontrollen. Dass die Bundesregierung beschlossen habe, neue Bund-Länder-Programme auf eine "ausgeglichene Kofinanzierung" zu begrenzen, sei zu begrüßen. 

 

o Der BRH berichtet von "erheblichen Mängeln" bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes im BMBF, insbesondere beim BAföG und bei der Förderung der beruflichen Bildung. Die komplexen BAföG-Papieranträge seien 1:1 digitalisiert und mit einem Antragsassistenten unterstützt worden. Eine Anpassung des Antragsverfahrens, etwa eine Überarbeitung der Formblätter, habe nicht stattgefunden, zudem sei die Antragsbearbeitung in den zuständigen Ämtern der Länder noch nicht digitalisiert – mit der Folge, dass die online gestellten Anträge ausgedruckt und Papierakten angelegt würden. Die fürs digitale BAföG verwendete Software sei bereits jetzt veraltet und falle wiederholt aus. Das BMBF sehe sich zwar nicht zuständig und verweise auf die Verantwortung der Länder. Doch habe der Bundesrechnungshof das Ministerium aufgefordert, "hier aktiver zu werden". 

 

Am Dienstag hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Bundeshaushalt 2024 in den Bundestag eingebracht, darunter auch die Planungen für das BMBF. Mit dessen Einzelplan soll sich das Plenum zum ersten Mal am Donnerstagabend befassen. Im September stehen die Beratungen im Forschungsausschuss an, am 11. Oktober ist das BMBF-Budget Thema im Haushaltsausschuss. Dessen wichtige alljährliche Bereinigungssitzung für den Gesamthaushalt dann am 16. November stattfinden soll. 



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