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150 Millionen mehr fürs BAföG

Der Haushaltsausschuss des Bundestages reagiert auf die monatelange Kritik und stockt in seiner Bereinigungssitzung die Ausbildungsförderung deutlich auf. Welche Änderungen die Haushälter sonst noch beschlossen: ein erster Überblick.

DASS DIE AMPEL-KOALITION beim BAföG für Studierende nachlegen würde, hatte sich angesichts monatelanger Kritik unter anderem von Studierendenwerken, Hochschulen, Studierendenverbänden, Kirchen und Gewerkschaften bereits abgezeichnet, doch dass die Haushälter in der Bereinigungssitzung zusätzlich 150 Millionen Euro auf den Tisch legten, war dann doch eine Überraschung – eine positive.

 

In der Nacht zum Freitag beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages, den BAföG-Etat für 2024 von 1,37 auf 1,52 Milliarden Euro aufzustocken. Verbunden mit einem unmissverständlichen Auftrag an Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP): Die 150 Millionen sollen die Vorbereitung der weiteren BAföG-Novelle ermöglichen, die die Ampel für diese Legislaturperiode versprochen hatte, deren Finanzierung aber bislang in den Sternen stand. Und erst wenn Stark-Watzinger geliefert hat, gibt es das Geld. Bis dahin haben die Haushälter es gesperrt.

 

Laut Haushaltsvermerk hat die Novelle zum Wintersemester 2024/25 zu starten, "damit die Förderung den stark gewachsenen Lebenshaltungskosten der Studierenden sowie ihrer veränderten Lebens- und Studienrealität gerecht wird." Gleichzeitig soll mit dem Geld die Anpassung des BAföG-Bedarfssatzes an das Existenzminimum und "der Sätze für Unterhaltszahlung infolge der zu erwartenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" finanziert werden. Nebenbei sorgt der Sperrvermerk auch dafür, dass die 150 Millionen Euro nicht wieder im Rahmen einer sogenannten Globalen Minderausgabe verschwinden können.

 

"Mittlerer Wurf
scheint möglich"

 

Zuletzt hatte der Geschäftsführer des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, hier im Blog einen Nachschlag beim BAföG als "Nagelprobe" dafür bezeichnet, "ob die Ampel für die junge Generation außer warmen Worten auch harte Währung übrighat". Nach dem Beschluss zeigte sich Anbuhl angetan: "In Zeiten leerer Kassen und auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021" könnten sich die 150 Millionen zusätzlich "durchaus sehen lassen": "Das ist eine Summe, mit der man Bedarfssätze und Freibeträge sowie Wohnkostenpauschale deutlich erhöhen kann. Ein mittlerer Wurf scheint möglich, die BAföG-Nullrunde 2024 kann abgewendet werden." 

 

Die für den BMBF-Etat zuständige SPD-Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar sagte: "Für uns als SPD hat insbesondere diese BAFöG-Erhöhung oberste Priorität gehabt. Darum freue ich mich, dass das gelungen ist. Jetzt gilt es, den Prozess weiter intensiv zu begleiten, damit die Bafög-Erhöhung und die Strukturreform zeitnah kommen." 

 

"Wir brauchen diese Strukturreform", sagte auch der grüne Bundestagsabgeordnete Bruno Hönel, "um eine höhere Zahl an armutsbedrohten Studierenden ins BAföG zu holen und die finanziellen Bedingungen für BAföG-Beziehende langfristig zu verbessern". Alle Voraussetzungen seien da, der Bundestag habe bereits vor über einem Jahr einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem zentrale Bestandteile einer Reform beschrieben würden. "Jetzt ist das Ministerium am Zug, hierfür zügig ein Konzept vorzulegen. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger wird sich am Ende auch daran messen lassen müssen, ob sie sich in Krisenzeiten ernsthaft für die Belange von Studierenden eingesetzt hat."

 

Die Ministerin begrüßte die Entscheidung am Morgen auf "X": "Aufstieg durch Bildung ist unser zentrales Anliegen", postete Stark-Watzinger. "Mit dem Beschluss des HH-Ausschuss können wir den nächsten Schritt der BAföG-Reform jetzt umsetzen."

 

Endgültig verabschieden soll der Bundestag den Bundeshaushalt voraussichtlich am 1. Dezember. Wegen des Verfassungsgerichtsurteils vom Mittwoch werden außerdem nächste Woche noch Sachverständige angehört, doch Auswirkungen auf die Ausschussbeschlüsse zum BMBF-Etat erwarten die zuständigen Haushälter nicht

 

Mehr Geld für die
Zusammenarbeit mit Israel

 

Die 150 Millionen zusätzlich fürs BAföG waren die mit Abstand höchste Veränderung am BMBF-Etat, den die Haushälter in ihrer Bereinigungssitzung vornahmen. Doch änderten sie den Regierungsentwurf an zahlreichen weiteren Stellen ab.

 

Ein Augenmerk lag dabei auf der veränderten politischen Situation seit dem Hamas-Terrorangriff. Als "Soforthilfe Israel" wurden für 2024 zwei Millionen und für die Folgejahre eine weitere Million zusätzlich in den Titel "Wissenschaftliche Zusammenarbeit mit ausländischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen" eingestellt, wobei der Großteil der Förderung der Minerva-Stiftung dienen soll. Die Stiftung, deren Anteile von der Max-Planck-Gesellschaft gehalten werden, unterstützt seit 1964 den  Wissenschaftsaustausch zwischen Deutschland und Israel. Das Berliner Tikvah-Institut zur Bekämpfung des Antisemitismus erhält ebenfalls mehr Geld. 

 

Insgesamt fünf Millionen Euro zusätzlich für 2024 und in den Folgejahren weitere 21 Millionen mehr als bislang geplant fließen in den Titel für Geistes- und Sozialwissenschaftliche Forschung, der damit eine beträchtliche Aufstockung erfährt. Davon profitieren neben dem Tikvah-Institut weitere zivilgesellschaftliche Einrichtungen, darunter der Verfassungsblog. Der größte Teil aber geht an die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF), deren bessere finanzielle Ausstattung, auch durch eine Erhöhung ihres Stiftungskapitals, der Wissenschaftsrat im Sommer angemahnt hatte. Zwei Millionen mehr in 2024 und weitere zehn Millionen zusätzlich für die Folgejahre sahen die Haushälter für die DSF vor – wobei zur Wahrheit gehört, dass ein großer Teil davon für die Kompensation gekürzter Zuschüsse aus dem Auswärtigen Amt draufgeht. 

 

Einen eigenen Haushaltstitel, laut Vermerk explizit um dem Thema "eine größere Bedeutung zukommen zu lassen", erhält die Forschung zur Frauengesundheit und die Bearbeitung des sogenannten Gender Data Gaps in der Medizin. Das neue Forschungsprogramm unter anderem zur Edometriose wird 2024 mit 12,5 Millionen gefüllt und in den Folgejahren zudem mit 43 Millionen an sogenannten Verpflichtungsermächtigungen. 

 

Was die Haushälter
noch beschlossen

 

o Drei Millionen für 2024 und sechs Millionen für 2025 werden für den deutschen Anteil zu Planungskosten und insbesondere für eine Machbarkeitsstudie für das in der Europäischen Union geplante Einstein-Teleskop eingestellt.

 

o Fünf Millionen für 2024 und 35 Millionen für die Folgejahre sind jetzt neu für den Einstieg in den Bau des Röntgenmikroskops PETRA IV am DESY in Hamburg vorgesehen.

 

o Die Grundfinanzierung der United Nations University (UNU) in Bonn wird 2024 um 1,3 Millionen Euro aufgestockt, in den Folgejahren jeweils um 1,8 Millionen Euro.

 

o Dass die Haushälter acht Millionen Euro zusätzlich für Forschung zu Long-Covid und ME/CFS bereitstellten, hob der Grünen-Politiker Hönel hervor. So werde die Nationale Klinische Studiengruppe nun für die Jahre 2025 und 2026 abgesichert. "Das bringt Planungssicherheit und hoffentlich bald auch effektive Medikamente." Im Zusammenspiel mit den Haushälterinnen des Gesundheitsetats, die zusätzliche 112 Millionen beschlossen, werde die Förderung des Bundes im Bereich Long-Covid / ME/CFS nun auf insgesamt über 200 Millionen erhöht. 

 

o Verhindern will der Haushaltsausschuss, dass das langjährige Programm "JOBSTARTER plus" zur Ausbildungsförderung wie bislang vorgesehen einfach ausläuft. Die Abgeordneten forderten das BMBF per Maßgabebeschluss auf, ein Nachfolgeprogramm im Rahmen der "Exzellenzintiative Berufliche Bildung" zu prüfen, damit die "positive Wirkung" von "JOBSTARTER plus" erhalten bleibe. Bis Mitte 2024 muss das Ministerium dazu berichten.

 

o Wie in den vergangenen Jahren beschloss der Haushaltsausschuss, angesichts der hohen Anteile nicht ausgegebener Selbstbewirtschaftungsmittel einen Teil der Helmholtz-Zuschüsse zu sperren, und zwar sowohl für den Betrieb als auch für Investitionen, bis an den jeweiligen Zentren ein ausreichender Ausgabenstand vom Haushaltsausschuss festgestellt wird. Ähnlich verfuhr man nun erstmals mit  der Leibniz-Gemeinschaft, allerdings nur bezogen auf ihre Investitionsmittel, von denen zunächst zehn Prozent gesperrt wurden. 

 

o Dass der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) nächstes Jahr drei Millionen Euro zusätzlich aus dem BMBF-Haushalt für seine Fachkräfteprogramme erhält, hatte der Haushaltausschuss bereits im Oktober festgelegt. Im Etat des Auswärtigen Amts nahm der Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung ebenfalls Änderungen vor. 2,8 Millionen Euro zusätzlich gehen an den DAAD für Investitionen (IT, digitale Infrastruktur), während der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) trotz dringender Appelle keine Budget-Aufstockung gewährt wurde. Für das Goethe-Institut, das aus Budgetnot die Schließung mehrerer Dependancen plant, sahen die Haushälter rund fünf Millionen mehr vor, allerdings unter strengen Auflagen und vor allem zur Begleitung der Schließungen, etwa für Abfindungen.

 

o Die im Etat des Bundesinnenministeriums vorgesehene 20-Millionen-Kürzung für die Bundeszentrale für politische Bildung wurde in der Bereinigungssitzung formal rückgängig gemacht, nachdem Ministerin Nancy Faeser (SPD) die komplette Rücknahme bereits Anfang November angekündigt hatte.

 

o Insgesamt 68,6 Millionen Euro sollen bis 2028 über den Etat des Bauministeriums für den Aufbau eines Bundesbauforschungszentrums aufgewendet werden, beschloss der Haushaltsausschuss, die ersten 3,6 Millionen davon im Jahr 2024. Das "LAB – Living Art of Building" soll am ressourcenschonenden und klimaneutralen Bauen der Zukunft forschen und seinen Hauptsitz in Bautzen haben. Der Freistaat Sachsen hatte bereits die Übernahme von Investitionskosten zugesagt.

 

Was den Mitte 2024 auslaufenden Digitalpakt Schule angeht, bleibt es dagegen dabei: Für 2024 wird es im Bundeshaushalt keinen Euro für eine Fortsetzung geben, obwohl zuletzt sogar die Ministerpräsidenten der Länder dies gefordert hatten. Doch die Ampel-Haushälter winkten ab. 

 

Dieser Beitrag wurde im Laufe des Freitags mehrfach ergänzt.



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