Weniger BAföG, mehr Fragezeichen
Die Zahl der Geförderten ist auf den tiefsten Stand seit 2000 gefallen. Trotzdem plant die Bundesregierung mit weniger Geld im Haushalt – und lässt offen, wie die Reformversprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst werden sollen.
BAföG-Antragsformular (Ausschnitt).
DASS ES mit dem BAföG wieder bergab geht, hatte sich bereits abgezeichnet, als das Bundeskabinett am Mittwoch den Haushaltsentwurf für 2026 beschloss. Darin enthalten: 1,137 Milliarden Euro als Ansatz fürs Studierenden-BAföG – fast 250 Millionen Euro weniger als im Haushalt davor, "wegen Anpassung an Bedarf".
Am Freitag teilte nun das Statistische Bundesamt mit, dass die Zahl der BAföG-Bezieher 2024 um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. 612.800 Personen erhielten monatliche Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – die niedrigste Zahl seit dem Jahr 2000. Der Rückgang bei den Studierenden fiel mit 3,5 Prozent geringfügig schwächer aus als bei den Schülern (3,8 Prozent).
2022 und 2023 hatte es einen leichten Anstieg gegeben – was die damalige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) als Beleg für die "Wirkung unserer ersten großen BAföG-Reform gleich zu Beginn der Legislaturperiode" kommentierte.
Reformwirkung verpufft, Reform dringend erwartet
Die scheint jetzt jedenfalls verpufft, und welche Wirkung die erneute Erhöhung von BAföG-Sätzen, Freibeträgen und Wohnkostenpauschale zum Wintersemester 2024/25 ausgelöst hat, bleibt abzuwarten.
Oder auch nicht: Denn schon vergangenes Jahr hatte das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik, kurz FIT, das regelmäßig erstaunlich genaue Prognosen für die Entwicklung der BAföG-Empfängerzahlen erstellt, den jetzt eingetretenen Rückgang für 2024 vorhergesagt – bereits unter Berücksichtigung der letzten Erhöhung.
Zwar fiel das vom Statistischen Bundesamt gemeldete Minus für 2024 nur halb so hoch aus wie von FIT damals vorausberechnet, aber alarmierend ist, dass die Fraunhofer-Leute für 2025 und die Folgejahre weitere Rückgänge erwarteten. Und genau von denen scheint auch die Bundesregierung auszugehen, wenn man sich den Haushaltsentwurf für 2026 ansieht.
Wie passt das zu den Versprechungen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, das BAföG in einer "großen Novelle" zu modernisieren? Ein offizielles Statement aus dem Forschungsministerium von Dorothee Bär (CSU), das wohl für das BAföG zuständig bleibt, gab es am Freitag nicht.
Klar, die großen Schritte sollen laut Koalitionsvertrag erst in den Wintersemestern 2027/28 und 2028/29 kommen, dann soll der Grundbedarf für Studierende und Schüler in zwei Stufen steigen und "dauerhaft an das Grundsicherungsniveau" angepasst werden. Doch die Wohnkostenpauschale soll schon zum Wintersemester 2026/27 kräftig zulegen und dann regelmäßig überprüft werden, auch die Freibeträge sollen "dynamisiert", also regelmäßig dem Bedarf angepasst werden.
"Bitteres Signal für die Bildungsgerechtigkeit"
Alles in allem würde das die BAföG-Rechnung deutlich nach oben treiben – nicht nach unten.
Angesichts der neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprach die grüne Wissenschaftsexpertin Ayse Asar von einem "bitteren Signal für die Bildungsgerechtigkeit": Statt gegenzusteuern, plane die Bundesregierung weitere Kürzungen. "Während die Regierung für die vorgezogene Mütterrente Milliarden mobilisiere, hänge die junge Generation in der Luft", sagte Asar, die Sprecherin ihrer Fraktion für Forschung, Technologie und Raumfahrt ist. Erschwerend komme hinzu, dass immer noch ungeklärt sei, welches Ministerium künftig fürs BAföG zuständig sein solle. Ein "Kompetenzgerangel", das auf dem Rücken junger Menschen ausgetragen werde.
"Wir brauchen jetzt ein BAföG-Bekenntnis des Bundes", forderte auch der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl. Nur so lasse sich die Trendwende erreichen. "Das BAföG muss höher, einfacher und digitaler werden. Die Koalition muss jetzt ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag kraftvoll umsetzen." Doch lasse der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung starke Zweifel aufkommen: Wie angesichts der geplanten Absenkung beim Studierenden-BAföG die versprochenen Verbesserungen finanziert werden sollen, bleibe schleierhaft – während die Regierung bei den Rentenversprechen längst Nägel mit Köpfen mache.
Die im Koalitionsvertrag angekündigten BAföG-Erhöhungen müssten jetzt im Bundeshaushalt mittelfristig verankert werden, und es müsse möglichst rasch die gesetzgeberische Arbeit beginnen, "damit alle Erhöhungen in dieser Legislaturperiode auch wirklich kommen". Wichtig sei auch eine neue Informations-Offensive zum BAföG, fügte Anbuhl hinzu. "Wir haben beim BAföG ein tief verankertes, strukturelles Informationsdefizit."
Kürzlich hatten hier im Blog die BAföG-Experten Sascha Strobl und Sebastian Riedmiller Unwissenheit, Vorurteile und falsche Rechenbeispiele als wesentliche Gründe dafür genannt, dass mehr als die Hälfte der BAföG-Berechtigten gar keinen Antrag stellt.
Neuen Kommentar hinzufügen