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Das große Haushalts-Kalkül der Landesregierungen

Von Passau bis Aachen: Wo Ministerien auf verdeckte Kürzungen setzen, wo offen gestritten wird – und wo die Hochschulen glimpflich davonkommen.
Rueckseite einer 20 Cent Muenze

Bild: Daniel Kirsch / Pixabay.

ANFANG JUNI verschickte die Passauer Unileitung eine interne Nachricht an alle Professoren und leitenden Verwaltungsmitarbeiter. Steigende Kosten und "stagnierende und teilweise sogar rückläufige Haushaltsmittel" hätten zu einer "herausfordernden finanziellen Situation" geführt. Deshalb habe man ein Maßnahmenpaket beschlossen: unter anderem eine sechsmonatige Wiederbesetzungssperre für aus dem Uni-Haushalt finanzierte Stellen und das Einbehalten von Ausgabenresten aus dem Vorjahr, Umfang: über eine Million Euro.

Das Schreiben sei nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, teilte die Universität später der Passauer Neuen Presse mit, präzisierte zugleich aber die Pläne: Bauliche Unterhaltungsmaßnahmen würden verschoben und Bewirtschaftungskosten gezielt eingespart.

Im bayerischen Wissenschaftsministerium werden sie die Informationspolitik der östlichsten Universität im Freistaat wenig amüsiert zur Kenntnis genommen haben. Sparpakete? Im Ursprungsland der "Hightech Agenda", die laut Minister Markus Blume (CSU) in den vergangenen Jahren Milliarden zusätzlich in die Hochschulen gespült hat?

Während in Berlin oder Hessen der Streit um schmerzhafte Einschnitte im Wissenschaftsetat unter maximaler medialer Beobachtung ausgetragen wurde, schlagen Budgetprobleme auch in anderen Bundesländern auf die Hochschulen durch. Doch in einigen Fällen erwarten die Landesregierungen bei der Umsetzung Diskretion von den Präsidien und Rektoraten. Meist halten die sich daran, weil sie hoffen, so Schlimmeres zu verhindern.

Hightech-Agenda trifft auf undichte Hörsäle

In Bayern etwa äußern sich die Rektorenkonferenzen auf die Frage nach Sparmaßnahmen nicht offiziell. Dabei sollen, ist zu hören, auch andere Hochschulen, darunter die TU München oder die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, Konsolidierungspläne aufgelegt haben.

Studierendenvertreter schreiben Brandbriefe an die Staatsregierung. Neulich führte ein FAU-Fachschaftssprecher dem Bayerischen Rundfunk vor, wie Regenwasser durchs undichte Dach ins Hörsaalgebäude strömte. Die Universität teilte dem BR mit, sie bekomme sechs Millionen im Jahr für den Erhalt ihrer Bausubstanz – brauche aber 35 Millionen.

Minister Blume widerspricht: Die Haushalte der vergangenen Jahre seien "ein wuchtiges Bekenntnis für die Wissenschaft", die Mittel für den Hochschulbereich seit 2018 um 37,5 Prozent gestiegen. Bei den Sach- und Investitionsmitteln habe es ebenfalls einen Zuwachs um gut ein Drittel auf 1,84 Milliarden Euro gegeben, "ein Investitionsniveau, das seinesgleichen sucht."

Doch auch andere Hochschulen klagen, die Gelder für Bau- und Sachausgaben seien seit Jahren viel zu niedrig angesetzt, Neubau werde vor Sanierung priorisiert. Und: Es werde vom Ministerium offenbar als selbstverständlich erachtet, wenn Hochschulen dann aus der Not heraus Stellen strichen, um sie in Sach- und Sanierungsmittel umzuwandeln.

Der Minister kämpft und spart

Im BR-Beitrag spricht Fachschaftssprecher Vincent Hennecke von einem "Skandal": "Auf der einen Seite wird 100 Meter weiter ein neues Gebäude gebaut, da investiert der Freistaat Milliarden. Auf der anderen Seite werden die Bestandsgebäude absolut nicht saniert."

Hinzu kommt eine Haushaltssperre für alle Ministerien, die sämtliche nicht gebundene Ausgaben betrifft und zuletzt von zehn auf 15 Prozent erhöht wurde. Für die Hochschulen habe man eine "Privilegierung" durchsetzen können, sagt Blumes Ministerium: Für sie würden in den meisten Fällen nur 12,5 Prozent fällig.

Und dann ist da die Sache mit den einbehaltenen Ausgabenresten: Nicht nur Passau, sondern allen bayerischen Hochschulen hat das Ministerium ein Viertel der rund 375 Millionen geblockt, die aus dem Vorjahr an Personal-, Sach- und Investitionsmitteln übrig waren.

Das Argument von Markus Blume: Die Hochschulen hätten durch die Hightech Agenda viel zusätzliches Geld zum Bauen erhalten, das wegen Corona und Ukrainekrieg nur teilweise verbaut worden sei. Inzwischen boome der Hochschulbau. Damit auf jeden Fall alles bezahlt werden könne, seien die 25 Prozent zunächst nicht freigegeben worden. Sollen sie aber am Ende noch, das sei sein "erklärter Wille".

Es sei schon erstaunlich, wie es der Minister schaffe, selbst Kürzungen als Errungenschaft zu verkaufen, kommentiert ein Hochschulinsider. Aber er sagt auch: Blume kämpfe mit großem persönlichen Einsatz um den Wissenschaftsetat.

Vertrauliche Kürzungspläne in NRW

In Nordrhein-Westfalen versuchen Ministerium und Rektorenkonferenzen derweil einträchtig, die konkreten Zahlen unter der Decke zu halten. Trotzdem sickert durch, dass die Ende 2026 auslaufende Hochschulvereinbarung um zwei Jahre verlängert und zugleich ab 2026 um gut 150 Millionen Euro pro Jahr gekürzt werden soll. Ein deutlich geringeres Minus als die ursprünglich befürchteten 255 Millionen pro Jahr. Parallel will das Land 180 Millionen Euro Hochschulrücklagen als Liquiditätsreserve nutzen, ebenfalls weniger als zunächst kolportiert. Und das Geld soll später zurückgezahlt werden.

Ein Beleg, dass es sich für die Hochschulen lohnt, eher in vertraulichen Gesprächen mit der Landesregierung über eine Abmilderung von Sparvorgaben zu verhandeln, als Demonstrationen zu organisieren – oder, wie vor kurzem noch die Berliner Landeskonferenz der Rektor*innen und Präsident*innen, medienwirksam Klagen wegen Vertragsbruch gegen das Land anzukündigen?

Andererseits wurde zuletzt in Berlin das Ausmaß der Kürzungen ebenfalls deutlich abgespeckt. Und bedeuten nicht auch die NRW-Pläne eine Abkehr von der Hochschulvereinbarung? Die legte 2021 fest, die Zuschüsse an die Hochschulen würden bis einschließlich 2026 "von haushaltswirtschaftlichen Einsparungen, insbesondere von globalen Minderausgaben und Ausgabensperren, ausgenommen".

Der Vorsitzende der HAW-Landesrektorenkonferenz, Bernd Kriegesmann von der Westfälischen Hochschule, erklärt, die nun in NRW vorgesehenen Einschnitte würden die Hochschulen "weniger stark schwächen als befürchtet. Gleichwohl machen sie empfindliche Anpassungsleistungen notwendig." Und der stellvertretende Sprecher der Uni-Rektoren, Ulrich Rüdiger von der RWTH Aachen, warnt: "Zwangsläufig wird es zu einem Absenken des Leistungsspektrums der Universitäten kommen." Was genau das heißt? In Köln demonstrierten Studierende schon im Juli gegen drohende Kürzungen in der Lehre, an der Universität Bonn, berichtet der General-Anzeiger, könnten zum Beispiel am Politologischen Institut Mitarbeiterstellen wegfallen und die Öffnungszeiten der Bibliothek verkürzt werden.

Fest steht: Die Rücklagen, auf die es die Politik abgesehen hat, sind weitgehend zweckgebunden und laut Hochschulen bereits verplant – etwa für bauliche Maßnahmen, Digitalisierung oder Studiengangsentwicklung. Und da 2027 Landtagswahl ist, bleibt den Rektoraten nur die Hoffnung, dass die nächste Landesregierung sich an das Versprechen der alten erinnert, die entnommenen Millionen tatsächlich zurückzuzahlen.

Das Wissenschaftsministerium von Ina Brandes (CDU) will die Zahlen nicht kommentieren. Ende September tagt der Haushaltsausschuss des Landtages, dieser Termin gilt als Moment der Wahrheit.

Hessen: "Wenigstens planbare Mindestressourcen sichern"

Der war in Hessen bereits. Im Juli unterschrieben die Hochschulen den neuen Landeshochschulpakt – mit erheblichen Einschnitten. 2026 soll sein Umfang um rund 30 Millionen Euro (1,3 Prozent) sinken, 2027 gibt es so viel wie 2025. Ausgehend von dem Niveau sind ab 2028 jährliche Aufwüchse vorgesehen, auch um Gehaltssteigerungen abzudecken – doch womöglich unzureichend, fürchten die Hochschulen. Zudem bleibe die Inflation bei den Sachkosten unberücksichtigt.

Schon vergangenes Jahr mussten die Hochschulen fast eine halbe Milliarde Euro ihrer Rücklagen an den Landeshaushalt abgeben – die sie aber ab 2026 schrittweise wiederbekommen sollen. Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) sagte, man habe "in schwieriger Lage das Bestmögliche für Hessens Hochschulen erreicht." Die Hochschulen betonten dagegen in einer gemeinsamen Erklärung: "Wir unterzeichnen, um wenigstens planbare Mindestressourcen zu sichern."

Die Universität Kassel etwa will nun in Abstimmung mit den Fachbereichen Professuren streichen, die Frankfurt University of Applied Sciences hat die Einstellung von zwei ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen angekündigt, die Aussetzung weiterer Programme werde diskutiert.

Der Präsident der Frankfurter Goethe-Universität, Enrico Schleiff, wiederum sagte der FAZ, zwar seien derzeit keine betriebsbedingten Kündigungen geplant, aber: "Es ist klar, dass wir radikal sparen müssen" – ohne Vorfestlegungen. All die Proteste und Kundgebungen hätten es "sicher ermöglicht, an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr herauszuholen". Am Ende aber seien die Zugeständnisse des Landes doch "sehr gering" gewesen.

Je mehr Länder an ihren Hochschulen sparen, desto mehr stechen die heraus, die es nicht tun. Sachsen-Anhalt zum Beispiel, wo SPD-Wissenschaftsminister Armin Willingmann im März mit den Hochschulen die neuen Zielvereinbarungen bis 2029 besiegelt hat. Darin enthalten: die Übernahme der Tarif- und Besoldungssteigerungen und ein Inflationsausgleich, auch bei den Energiekosten. In diesem Jahr laufe die Regelung auf einen Anstieg der Hochschul-Grundmittel um 6,1 Prozent heraus, teilte Willingmann mit, und der Präsident der Landesrektorenkonferenz, Folker Roland, lobte: "In finanzieller Hinsicht wird Planungssicherheit geschaffen, was in diesen herausfordernden Zeiten alles andere als selbstverständlich ist.“


Von Baden-Württemberg bis Thüringen: Ein Überblick

Baden-Württemberg
Mit der neuen Hochschulfinanzierungsvereinbarung (HoFV III) sichert das Land den Hochschulen ab 2026 fünf Jahre Planungssicherheit – ohne reale Kürzungen. Der Aufwuchs von 3,5 Prozent jährlich greift jedoch erst ab 2027, für 2026 ist eine Nullrunde bei Sachmitteln vorgesehen. Da laut Hochschulen 2,8 Prozent des Aufwuchses für steigende Personalkosten gebunden sind, bleibe aber real weniger Spielraum als bisher. Ursprünglich hatte die Landespolitik deutlich größere Einschnitte geplant.

Doch, die Proteste an den Hochschulen im Rücken, erreichte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) eine Abmilderung der Pläne. Die HAWs beklagen ein strukturelles Defizit in der Forschungsförderung. "Die HoFV III ist ein wichtiges Signal für die Hochschullandschaft in Baden-Württemberg", sagt Stephan Trahasch, Vorsitzender der HAW-Rektorenkonferenz – verweist aber auf die steigenden Anforderungen etwa bei Digitalisierung und Betreuung internationaler Studierender, die sich mit den bereitgestellten Mitteln "kaum zufriedenstellend bewältigen lassen".

Brandenburg
Mit dem Doppelhaushalt 2025/26 hat Brandenburg den Hochschulen kurzfristig Planungssicherheit gegeben. Der jährliche Aufwuchs bei der Grundfinanzierung wurde von fünf auf drei Millionen Euro reduziert, jedoch durch strategische Innovationsmittel kompensiert. Personalmehrkosten werden abgefedert, die Treppenlogik beim Aufwuchs bleibt erhalten. Für die Zeit ab 2027 ist die weitere Entwicklung offen. Klar ist aber: Brandenburg zeigt bislang keine Tendenz zu Kürzungen – anders als die nahe Hauptstadt.

Bremen
Die Hochschulen im Land Bremen entgehen im Doppelhaushalt 2026/27 den ursprünglich geplanten Kürzungen im zweistelligen Millionenbereich. Es entfallen befristete Maßnahmen und projektbezogene Sondermittel, und Investitionen werden gestreckt – doch der Grundhaushalt bleibt unangetastet. Für wissenschaftliches Personal gilt eine Ausnahme bei Personaleinsparungen. Allerdings liegen die Bremer Hochschulen schon jetzt bei den Grundmitteln je Studierenden im Bundesvergleich hinten. Entsprechend betont die Landesrektorenkonferenz den Reformbedarf: "für eine bessere Grundfinanzierung und für die Finanzierung der dringend notwendigen Sanierungs- und Bauvorhaben".

Hamburg
In Hamburg laufen die "Zukunftsverträge" mit den Hochschulen noch bis 2027. Sie bringen den Hochschulen, dem Universitätsklinikum und der Universitätsbibliothek über sieben Jahre hinweg einen Aufwuchs von rund 750 Millionen Euro, was einem Plus von etwa drei Prozent gegenüber der Vorläufervereinbarung entspricht. Bislang gibt es keine Anzeichen, dass es zu Kürzungen kommen könnte, doch startet das Aufstellungsverfahren für den Doppelhaushalt 2027/28 auch erst im Herbst – und die Verhandlungen für einen "Zukunftsverträge"-Nachfolger nicht vor Mitte 2026.

Mecklenburg-Vorpommern
Noch laufen die Verhandlungen über die neue Zielvereinbarungsperiode, die bis 2030 reicht. Abschluss vermutlich im September. Insiderinformationen zufolge sind derzeit keine Kürzungen vorgesehen. Die Mittelzuführung bliebe demnach auf dem Niveau der Vorjahre, Tarifsteigerungen sollen voraussichtlich übernommen werden, das Sachkostenbudget um 1,5 Prozent angehoben werden. Doch noch ist nichts in trockenen Tüchern. Zuletzt musste das Wissenschaftsministerium wie die anderen Ressorts eine globale Minderausgabe erbringen, und zwar in Höhe von 18 Millionen Euro. Zur Finanzierung wurden die Rücklagen der Hochschulen herangezogen, wodurch immerhin laut Landesrektorenkonferenz das operative Geschäft nicht beeinträchtigt worden sei.

Niedersachsen
In Niedersachsen mussten die Hochschulen vor Jahren eine hohe globale Minderausgabe verdauen, dafür gibt es dort aktuell keine Spardebatte. Während SPD-Wissenschaftsminister Falko Mohrs zuletzt eine Erhöhung der Grundmittel um fast neun Prozent für das laufende Jahr hervorhob, sieht die Realität aus Sicht der Hochschulen allerdings anders aus. Die Grundzuweisungen seien seit 20 Jahren de facto konstant geblieben, abgesehen von Tarif- und Besoldungsanpassungen. Sanierungsstau und unzureichende Bauunterhaltung seien ungelöste Dauerprobleme.

Rheinland-Pfalz
Der Doppelhaushalt 2025/26 gilt für die Hochschulen weiter, darin sind Tarif- und Energiepreissteigerungen berücksichtigt. Offen ist, wie sich die Situation nach den Landtagswahlen im März 2026 entwickelt. Die Hochschulen bemängeln jedoch die unzureichende dynamische Grundfinanzierung, die Befristung von Sonderprogrammen und fehlende Mittel für Digitalisierung, IT-Infrastruktur und Cybersicherheit. Die Landeshochschulpräsidentenkonferenz (LHPK) mahnt: "Der Sanierungsstau sowie die zukunftssichere und klimaneutrale bauliche Entwicklung der Hochschulen kann nur gemeinsam von Bund und Ländern gelöst werden."

Saarland
Im Saarland befinden sich die Hochschulen mit dem Land in Verhandlungen zu den kommenden Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Das aktuelle Paket läuft Ende 2025 aus. Eine Besonderheit im kleinsten Flächenland ist, dass der Wissenschaftsminister zugleich der Finanzminister ist: Jakob von Weizsäcker (SPD). Der will die Mittelvergabe stärker an eine messbare Zielerfüllung koppeln. "Nicht zuletzt durch die Transformationserfordernisse der saarländischen Wirtschaft brauchen wir eine starke Wissenschaft und Forschung", sagt von Weizsäcker. "Trotz der angespannten Haushaltslage ist es uns in den vergangenen Jahren gelungen, den Hochschulen ein moderates Budgetplus zu ermöglichen – diesen Weg wollen wir fortsetzen, aber gezielter steuern." Die Hochschulvertreter wollen sich zurzeit offiziell nicht äußern, die Gespräche mit dem Land werden jedoch als "konstruktiv und vertrauensvoll" charakterisiert.

Sachsen
In Sachsen gilt die sogenannte Zuschussvereinbarung, die das Land mit den Hochschulen für den Zeitraum 2025 bis 2032 abgeschlossen hat. Diese regelt im Wesentlichen die Grundfinanzierung der Hochschulen und sieht vor, dass der Freistaat neben den Tarif- und Besoldungserhöhungen aufwachsend weitere Mittel "für besondere Aufgaben" zur Verfügung stellt. 2025 fünf Millionen, 2026 15 Millionen, 2027 25 Millionen und 2028 bis 2032 30 Millionen pro Jahr. Seit Dezember 2024 ist die neue Minderheitsregierung im Amt, Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) verkündete Ende Juni, mit dem finalen Haushaltsbeschluss sei die langfristige Zuschussvereinbarung bestätigt.

Gleichzeitig berichten jedoch die Hochschulen, dass das sogenannte Initiativbudget und Sonderzuweisungen etwa zu Chancengleichheit oder Baumaßnahmen nicht mehr ausgezahlt werden. Schon jetzt fehlen dadurch landesweit rund 10 Millionen Euro, dazu kämen globale Minderausgaben aller Ministerien, deren Verteilung auf die einzelnen Hochschulen unklar sei. Die eine Hochschule wisse nicht, was die andere schultern müsse. Einige Universitäten schoben schon vor den Einsparungen Defizite vor sich her – die Uni Leipzig etwa, deren Rektorat in einem internen Mitarbeiterschreiben mitteilte, man müsse 16 Millionen einsparen, die Folge: Einschnitte "in der Struktur, im Profil und im Aufgabenportfolio der Universität“. In einem Brief an alle Landesstellen forderte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) deutliche Einsparungen. Damit drohen Stellenkürzungen und Investitionsstopps. Die Hochschulen warnen vor Vertrauensverlust und einem schleichenden Substanzabbau.

Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein wurden seit 2019 die Besoldungs- und Tarifsteigerungen vollständig übernommen, außerdem erhielten alle neun Hochschulen zusammengerechnet pro Jahr einen Aufwuchs von fünf Millionen Euro sogenannter Strategiemittel. 2024 wurde der jährliche Aufwuchs um eine Million Euro gekürzt. Dieses Jahr gibt es eine Nullrunde, von 2026 an soll dann ein neuer Hochschulvertrag in Kraft treten. Der übernimmt bis 2029 zwar weiter die Übernahme der Besoldungs- und Tarifsteigerungen, sieht ansonsten aber eine Kürzung von rund sieben Millionen Euro vor. Zum Ausgleich sollen die Hochschulen die Einnahmen aus einem geplanten Verwaltungsbeitrag der Studierenden erhalten. Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Björn Christensen, sagt: "In der Gesamtbewertung wird das Halten des Status Quo für die Hochschulen eine zunehmende Herausforderung."

Thüringen
In Thüringen spielt die neue Landesregierung auf Zeit: Die eigentlich Ende 2026 auslaufende Rahmenvereinbarung V mit den Hochschulen wurde um ein Jahr verlängert, dabei der jährliche Zuwachs aber von bislang vier auf drei Prozent abgesenkt. Wie es dann weitergeht, darüber verhandeln die Hochschulen gerade. Die Absenkung kann man als Anzeichen sehen, dass in der neuen Vereinbarung mit einer deutlich geringeren Steigerungsrate zu rechnen ist. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Teichert sagte im Juli: "Wir müssen uns auch in Thüringen ehrlich machen, was wir brauchen und was wir uns leisten können." Im Freistaat gebe es zehn staatliche Hochschulen, aber nur rund 44.000 Studierende, Tendenz fallend. "Gleichzeitig fehlen uns im Landeshaushalt über eine Milliarde Euro."


Dieser Artikel erschien in kürzerer Fassung zuerst im Tagesspiegel.

Kommentare

#1 -

#IchBinTina | Mi., 13.08.2025 - 13:22

"Allerdings liegen die Bremer Hochschulen schon jetzt bei den Grundmitteln je Studierenden im Bundesvergleich hinten."

Bremen ist das einzige Bundesland ohne medizinische Fakultät und Technische Hochschule. Die Ausgaben entsprachen denen von Brandenburg, bevor dort die medizinische Hochschule gegründet und die Universitätsmedizin notwendig wurde. Brandenburg hat vom Aufbau Ost profitiert und hatte zudem schon zuvor mit der BTU eine technische Hochschule. Die unterdurchschnittlichen Ausgaben pro Studierendem/Studierenden in Bremen sind teilweise der besonderen Struktur geschuldet, die wiederum historisch bedingt ist: Die Universität wurde ko-finanziert durch andere Länder mit Schwerpunkt in der Lehrerausbildung und dem einstufigen Jura-Studium gegründet, daher sind die vergleichsweise günstigen Fächer bis heute besonders studierendenstark.

Das bedeutet nicht, dass in Bremen noch viel gespart werden kann: ALLE deutschen Universitäten sind unterfinanziert und am Kapazitätslimit. Es bedeutet aber, dass - auch wegen des Länderfinanzausgleichs - die Hochschulen vom Land stärker beaufsichtigt werden müssen. Z.B. sind laut Landesrechnungshof die An-Institute der Universität nicht in der Zuwendungsdatenbank erfasst, daher ist vollkommen unklar, ob die Institute wirtschaftlich handeln. Das Auskoppeln aus der Aufsicht ist das zentrale Problem, weil durch die beschriebenen Praktiken (Stellenabbau, um anderswo Löcher zu stopfen) unwirtschaftliches Handeln und Mittelzweckentfremdung lange Zeit unentdeckt bleiben. Und leider, leider gibt es aus den Jahren der "Sonderkonjunktur" auch ein Integritätsproblem auf der Ebene der Rektorate: Strukturelle Probleme werden immer erst nach dem Platzen von Blasen sichtbar.

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