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Mitmach-Agenda?

Zwei Wochen nach dem Auftakt der Hightech-Agenda Deutschland herrscht Unklarheit über Zuständigkeiten, Prozesse – und vor allem über den Einfluss der Länder.
Weibliche Person berührt imaginaeren Power Button im Vordergrund

Bild: freepik.

STARKES KONZEPT, aber jetzt bitte die Umsetzung – so lässt sich der Diskussionsstand zu Dorothee Bärs "Hightech-Agenda Deutschland" (HTAD) in Wissenschaft, Wirtschaft und Landespolitik zusammenfassen, zwei Wochen nachdem die Auftaktveranstaltung in Anwesenheit von Bundeskanzler Friedrich Merz mit viel Glanz über die Bühne ging.

Erwartet werden vor allem Antworten. Etwa, wie die Einbindung der unterschiedlichen Bundesministerien laufen soll, nachdem im Schöneberger Gasometer ausgerechnet die für den HTAD-Erfolg wichtigste Kollegin Bärs, Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, durch Abwesenheit auffiel. Das wunderte wenige, besorgte aber viele – nach dem monatelangen Schlagabtausch, den Reiche sich mit Bär um die Zuständigkeiten in der Innovationspolitik geliefert hatte – mit einem aus Sicht Bärs wenig erfreulichen Ergebnis. Die vom BMFTR anschließend erteilte Auskunft, man wolle zur Koordination der interministeriellen Zusammenarbeit eine Arbeitsgruppe einrichten, schien wenig ermutigend.

Dann ist da der "Strategiekreis Technologie und Innovation" des Bundeskanzlers, der sich vergangene Woche zu seiner ersten Sitzung traf. Mit dabei unter anderem Bär, Reiche und Digitalminister Karsten Wildberger, aber auch Wissenschaftslenker wie Fraunhofer-Präsident Holger Hanselka, der EFI-Gründungsvorsitzende und Innovationsforscher Dietmar Harhoff oder Özlem Türeci von Biontech. Teilnehmer berichten von äußerst spannenden und anregenden Gesprächen, doch welche Rolle genau dieses Gremium eigentlich bei der weiteren Gestaltung der Hightech-Agenda spielt, bleibt offen.

Viele offene Fragen im Roadmap-Prozess

Überhaupt, die Einbindung von Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft: Wie genau soll sie beim sogenannten "Roadmap-Prozess" ablaufen, nachdem dieser zwar offiziell beim Berliner Auftakt gestartet ist – die thematisch zu den sechs HTAD-Schlüsseltechnologien angebotenen "Breakout-Sessions" (Quantentechnologien, Künstliche Intelligenz, Biotechnologie, Nachhaltige Materialien, Mikroelektronik und Zukunftsenergie) aber nach maximal 80 Minuten schon wieder vorbei waren?

In einer Antwort auf eine diesbezügliche parlamentarische Frage der grünen Bundestagsabgeordneten Ayse Asar teilt BMFTR-Staatssekretär Matthias Hauer vergangene Woche mit, bei der HTAD-Auftaktveranstaltung sei "gemeinsam mit relevanten Akteuren und Umsetzungspartnern ein wichtiger erster Schritt in allen Roadmap-Prozessen zu den prioritären Schlüsseltechnologien erfolgt". Die "engagierten Beiträge" und die konkreten Vorschläge der Teilnehmer würden aktuell ausgewertet und flössen in den Roadmap-Prozess ein. Die Stakeholder aus Forschung, Wirtschaft, Praxis und Zivilgesellschaft würden durch das BMFTR "eng" in die verschiedenen Phasen der HTAD eingebunden. "Die HTAD ist eine Mitmach-Agenda."

Deutlicher, dass man es noch nicht genau weiß – oder aber noch nicht genau sagen will, geht es kaum. Das BMFTR sollte nun sehr bald mit konkreteren Angaben um die Ecke kommen. Denn wenn sich erst einmal der Eindruck bei den, wie das BMFTR sie nennt, "relevanten Akteuren" verfestigt, dass ihre Beteiligung ohne transparent nachvollziehbaren Impact bleibt, wird die noch hohe Unterstützung für die HTAD rasch abnehmen.

Besonders gilt das für die Länder, die aufgrund ihrer vorrangigen Verantwortung für die Hochschul- und Wissenschaftspolitik die HTAD entscheidend befördern oder behindern können. Hier bot die Auftaktveranstaltung jedoch die zweite Leerstelle: In den online übertragenen Spitzenrunden saß kein einziger Landeswissenschaftsminister auf dem Podium. Wieso nicht? Im Übrigen waren nur zwei von 16 Ressortchefs aus den Ländern persönlich im Gasometer anwesend. Bemerkenswert wenig vor dem Hintergrund, dass die HTAD Bärs zentrales forschungspolitisches Projekt in dieser Legislaturperiode werden soll.

Die Länder als entscheidender Faktor

Das BMFTR teilt auf Anfrage mit: "Wir freuen uns, dass die Länder mit dem niedersächsischen Wissenschaftsminister und Vorsitzenden der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), Mohrs, der Berliner Senatorin Czyborra und zahlreichen weiteren Vertreterinnen und Vertretern von Landesministerien prominent bei der Auftaktveranstaltung zur Hightech-Agenda Deutschland (HTAD) vertreten waren." Bei der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) Ende November wolle man den Dialog zur HTAD fortsetzen.

Nur dass dort viele weitere Themen auf der Agenda stehen, etwa dringende Entscheidungen zur DFG-Programmpauschale, also den Zuschlägen für indirekte Forschungskosten.

Doch das BMFTR versichert: "Die Bundesregierung ist sehr an einer engen Einbindung der Länder in die Erarbeitung der jeweiligen Roadmaps interessiert, zur konkreten Ausgestaltung der Einbindung werden noch Gespräche stattfinden." Im Übrigen sei Transparenz wesentlich für eine erfolgreiche Umsetzung der HTAD. "Der Stand der Umsetzung der Roadmaps wird im Rahmen des vorgesehenen 360-Grad-Hightech-Monitorings nachvollzogen werden können. Hierüber werden wir auch auf unseren Webseiten transparent informieren." Zwei Aussagen, bei denen sich wieder unmittelbar die Frage stellt: Wann – und wie genau?

Im Hintergrund ist die Rede von einem möglichen Bund-Länder-Steuerungsgremium unter Beteiligung von vier Ländern, jeweils zwei mit Unions- und zwei mit SPD-Regierungsbeteiligung. Aber die Angaben dazu sind diffus.

Klarheit dringend gefragt

Und schließlich: Wie kommentiert das BMFTR die sehr konkreten Vorschläge des Stifterverbandes? Die Mitgestaltung der Länder sollte "differenziert" nach "Bedarf, Kompetenzen und Finanzierungsbereitschaft" ablaufen, ein Kriterienraster dabei Fairness und Transparenz schaffen. Und sehr konkret: Je zwei federführende Länder und ein federführendes Bundesministerium könnten sich pro Schlüsseltechnologie zusammenfinden – eine Option, die auch Bettina Martin und Markus Blume in ihrem gemeinsamen Interview diskutieren.

Man habe die Vorschläge des Stifterverbandes zur Kenntnis genommen und werte sie gegenwärtig aus, antwortet Dorothee Bärs Ministerium. Generell gelte für die Roadmaps die Devise "Form follows Function". Das bedeute, "dass Roadmap-Prozesse flexibel für jede Schlüsseltechnologie konfiguriert und umgesetzt werden. Starre Vorgaben bezüglich der Anzahl an Partnern innerhalb der Prozesse streben wir daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht an."

Aber etwas klarere Ansagen müssten allmählich dann doch sein.

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