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Amerikas Abschreckungseffekt

Die Politik der Trump-Regierung trifft die US-Hochschulen jetzt auch bei der Zahl der internationalen Studierenden. Der Rückgang bei den Neueinschreibungen ist massiv.
Collage aus Kartenausschnitt USA, Brille, Reisepass, Ausweis und einer kleinen amerikanischen Flagge.

Bild: freepik.

STUDIENBEWERBER, die vor Visumserteilung ihre Konten in den Sozialen Medien öffentlich stellen müssen, damit die US-Behörden "feindselige" Posts herausfiltern können. Vermummte ICE-Agenten, die Studierende festnehmen, darunter die Doktorandin Rümeysa Öztürk, die nach einem kritischen Artikel in der Uni-Zeitung in Handschellen abgeführt wurde. Oder der Versuch des Department of Homeland Security, Harvard die Zulassung zur Aufnahme internationaler Studierender zu entziehen – ein Schritt, den erst ein Bundesgericht vorerst stoppte. Verbunden mit all den anderen Übergriffen auf US-Hochschulen, mit gekappten Fördergeldern und dem Infragestellen ganzer Wissenschaftsdisziplinen war absehbar, dass dies massive Folgen haben würde für die Attraktivität der Vereinigten Staaten als Ziel internationaler Studierender.

Jetzt liegen erste Zahlen vor. Das Institute of International Education (IIE) hat am Montag seinen jährlichen "Open Doors"-Bericht veröffentlicht, eine detaillierte Übersicht über die internationalen Studierendenströme – ergänzt um eine aktuelle Abfrage zur Lage im laufenden Studienjahr. Und dort zeigt sich der Bruch, den viele erwartet hatten: Die Neueinschreibungen internationaler Studierender in den USA sind im Herbst 2025 um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Und das zusätzlich zu dem Minus um sieben Prozent, das es bereits im Herbst 2024 gegeben hatte. "Die Zahlen des IIE entsprechen zunächst den Tendenzen, die man bereits aus den SEVIS-Daten der US-Visavergaben ableiten konnte", sagt Christian Strowa, DAAD-Direktor für Nordamerika. "Der erwartete Rückgang bei den Neueinschreibungen ist außerdem auf die zeitweilige Aussetzung jeglicher Visa-Bearbeitung im Mai sowie Visastopps für einige Länder zurückzuführen."

Besonders betroffen: forschungsintensive Programme

Die Gesamtzahl der internationalen Studierenden ging dagegen 2025 nur um ein Prozent zurück, vor allem weil viele nach ihrem Abschluss in ein sogenanntes Optical Practical Training (OPT) wechseln, etwa ein längeres Praktikum absolvieren und damit vorerst im System bleiben. "Sollte diese Option irgendwann einmal tatsächlich wegfallen, ist wahrscheinlich mit deutlich stärkeren Rückgängen zu rechnen", warnt Strowa.

Auch die Gesamtmenge der internationalen Bachelorstudierenden stieg noch leicht um zwei Prozent, während sich die Zahl der Master- und Promotionsstudierenden weiter im freien Fall befindet: minus zwölf Prozent laut Schnellmeldung in diesem Jahr nach minus 15 Prozent im Vorjahr.

Das ist massiv und zeigt, dass die US-Hochschulen vor allem an der Stelle Talente verlieren, wo es besonders wehtut: in den forschungsintensiven Studiengängen und den Doktorandenprogrammen. Dabei geht es längst nicht nur um wissenschaftliche Exzellenz: Internationale Studierende trugen laut IIE im Jahr 2024 fast 55 Milliarden Dollar zur US-Wirtschaft bei und unterstützten mehr als 355.000 Arbeitsplätze im ganzen Land. Der Einbruch trifft die Universitäten also doppelt – akademisch und ökonomisch. "Diese Daten zeigen sehr deutlich, welche Rolle internationale Studierende für Innovation, Forschung und das Verständnis zwischen Kulturen spielen", sagt IIE-Präsident Jason Czyz.

Heruntergebrochen auf die Herkunftsländer gibt es für das laufende Studienjahr nur erste Anhaltspunkte. Im Vorjahr aber hatte sich etwa die Zahl der deutschen Studierenden in den USA mit 9.123 noch kaum verändert (minus 107 Studierende). Von einem "bisher nur leichten Rückgang bei den Bewerberzahlen" spricht Strowa, gleichzeitig berichtet er von einer mehr als Verdoppelung der Bewerbungen aus den USA für DAAD-Studienstipendien nach Deutschland – und auch die Forschungsstipendien verzeichnen klare Zuwächse. "Deutschland gewinnt als Studien- und Forschungsziel in den USA also weiter an Bedeutung."

Eine Momentaufnahme – und Warnsignal

Während die USA, das zeigen die Daten, international an Anziehungskraft zu verlieren drohen. Länder wie Kanada, Australien oder auch europäische Staaten werben offensiv um Studierende, die sich angesichts der politischen Signale aus Washington unsicher sind, wo sie willkommen sind – und wo nicht. Auch der DAAD hat seine Informations- und Marketingmaßnahmen verstärkt, und bei der GAIN-Tagung, dem jährlichen Treffen deutscher Wissenschaftsorganisationen mit nordamerikanischen Postdocs, war der Andrang Teilnehmern zufolge groß wie lange nicht.

Umgekehrt muss man allerdings auch festhalten: Mit weit über 1,1 Millionen internationalen Studierenden blieben die USA auch im Studienjahr 2025/26, also knapp ein Jahr nach Trumps erneuter Wahl zum Präsidenten, das mit Abstand begehrteste Ziel internationaler Studierender weltweit. Und das als Reaktion auf Trumps wissenschaftsfeindliche Politik gestartete "1000-Köpfe-Plus"-Programm der Bundesregierung brachte in seiner ersten, 74 Bewilligungen umfassenden Runde nur sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ins Land, die aktuell ihren Lebensmittelpunkt in den USA haben.

Der Einbruch bei den Neueinschreibungen ist insofern eine Momentaufnahme. Für die Trump-Administration ist indes je nach Sichtweise eine Mahnung oder eine Bestätigung. Für die US-Hochschulen auf jeden Fall ein weiterer Grund zur Sorge. Die USA setzen auf Misstrauen statt Offenheit. Die Welt reagiert.

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