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Wer zahlt für die Forschungslücke?

Seit Jahren stagniert die deutsche FuE-Quote, die 3,5-Prozent-Marke bleibt in weiter Ferne. Kann die Hightech-Agenda das ändern?
Ausschnitt eines Schreibtischs mit Schutzbrille, Stiftbecher und Computer.

Bild: DC Studio / freepik.

ES IST SCHON EINE TRADITION. Seit sieben Jahren stagniert der Anteil der Wirtschaftsleistung, den die Bundesrepublik in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert, bei rund 3,1 Prozent. Und jedes Jahr versichern führende Wissenschaftspolitiker aufs Neue, dass man in naher Zukunft die 3,5 Prozent erreichen wolle.

Lange Zeit galt 2025 hierfür als Zielmarke, die unerbittlich näherrückte. Noch 2024 sprach die damalige Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) von einem "ambitionierten Ziel", an dem man festhalte.

Dabei war zu dem Zeitpunkt längst klar, dass die dafür nötigen zusätzlichen Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich liegen müssten – zu etwa einem Drittel getragen vom Staat, der aber keinerlei Anstalten machte, die ehrgeizigen Sprüche mit tatsächlichen Handlungen zu unterlegen.

Stillstand trotz Zielmarke

Inzwischen schwächelt auch die Wirtschaft verstärkt, die zwei Drittel der FuE-Ausgaben trägt, wie die jüngste Auswertung zeigt, die der Stifterverband jedes Jahr im Auftrag des Bundesforschungsministeriums erhebt: Die Unternehmen haben demzufolge 2024 ihre Ausgaben für selbst durchgeführte Forschung und Entwicklung nur geringfügig erhöht, um 2,3 Prozent auf 92,5 Milliarden – also etwa im Umfang der Inflationsrate. Etwas stärker, um 3,7 Prozent auf rund 33 Milliarden Euro, steigerten sie die Ausgaben für FuE-Aufträge an andere Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Hochschulen. Mit dem Ergebnis, dass gesamtstaatlich wie im Vorjahr 3,13 Prozent FuE-Quote herauskommen.

Die Branchen, die lange das innovative Rückgrat der deutschen Wirtschaft waren, befinden sich im Rückwärtsgang. Die internen FuE-Ausgaben der chemischen Industrie sanken 2024 um 2,4 Prozent, die der pharmazeutischen Industrie um 2,1 Prozent, die metallerzeugende Industrie gar um 3,7 Prozent. Rauf ging es dagegen in der Softwareentwicklung (+6,6 Prozent), bei den technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen sowie den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.

Dynamischer verlief die Entwicklung auch in einer Branche, die Stark-Watzingers Nachfolgerin Dorothee Bär (CSU) zu einer zentralen in ihrer "Hightech-Agenda Deutschland" erklärt hat: der Luft- und Raumfahrtbau.

Apropos Bär. Rhetorisch an ihre Vorgängerin anknüpfend, nennt sie es "erfreulich, dass die Gesamtausgaben von Staat und Wirtschaft für Forschung und Entwicklung einen neuen Höchststand verzeichnen". Was sie jedoch nur dank der Inflation und nur nominell tun. Und dann kommt der traditionelle Satz: "Wir halten an dem ambitionierten 3,5-Prozent-Ziel fest." Das die schwarz-rote Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag praktischerweise aufs Jahr 2030 verschoben hat.

Hightech-Rhetorik trifft Haushaltsrealität

Der zweite Unterschied ist, dass Bärs neues Zauberwort wie bei den meisten ihrer Auftritte der vergangenen Monate eben "Hightech-Agenda" ist. Mit der "wollen wir aus unserer Forschungsstärke mehr Wirtschaftskraft machen". Neue Technologien und Wertschöpfung "Made in Germany" sollten wieder zum Markenzeichen der Bundesrepublik werden. "Ein echter Innovationsbooster ist zudem das steuerliche Investitionssofortprogramm, mit dem auch die steuerliche Forschungszulage ausgebaut wird."

Stifterverband-Präsident Michael Kaschke sagte dagegen: "Das verhaltene Engagement für Forschung und Entwicklung kann nicht beruhigen. Die Transformationserfordernisse sind immens, die globale Wettbewerbsintensität extrem hoch."

Richtig ist: Dass es in den Jahren vor 2017 einen recht rasanten Anstieg der FuE-Quote von deutlich unter auf deutlich über drei Prozent der Wirtschaftsleistung gab, war vor allem ein Verdienst der damaligen Bundesregierung. Damals wuchs vor allem das Budget des damaligen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in bemerkenswertem und überproportionalem Tempo. Allein zwischen 2013 und 2017 um über 26 Prozent, während der Bundeshaushalt insgesamt um sieben Prozent zulegte.

Zum Vergleich die Entwicklung der Haushaltsansätze im Zeitraum 2020 bis 2024: nur noch knapp sechs Prozent Plus fürs BMBF. Und der Haushaltsentwurf 2026 sah für den alten BMBF-Einzelplan mit 21,3 Milliarden sogar eine Milliarde weniger als 2025 vor. Das hat mit Haushaltsarithmetik zu tun, mit auslaufenden Großposten vor allem im Bildungshaushalt, doch die Grunderkenntnis ist dieselbe: Der Bund wird, Stand heute, keine große Dynamik zum 3,5-Ziel beisteuern.

Zwar rechnet Bär vor, dass in den nächsten Jahren allein rund 18 Milliarden Euro in die Hightech-Agenda fließen sollen, vor allem dank des zusätzlichen Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität und des Klima- und Transformationsfonds. Der Bundesrechnungshof hat allerdings die Haushaltsplanung der Bundesregierung zwischen Normal- und Sondertöpfen bereits als wenig transparent gerügt. Frisch sind pro Jahr wohl nur etwa 2,5 der Agenda-Milliarden. Und, wie die grüne Oppositionspolitikerin Ayse Asar in der FAZ kritisierte, hat die Bundesregierung zuletzt drei Milliarden Euro aus der Mikroelektronik, einer der Schlüsseltechnologien der Agenda, für den Straßenbau abgezogen. Geld aus dem Zuständigkeitsbereich von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), nichts desto weniger Geld, dessen Fehlen sich auf die FuE-Quote auswirken wird.

Die Länder in der Pflicht

Nur nochmal zur Erinnerung: Um die FuE-Lücke von 3,1 bis 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu füllen, müsste allein der Staat, also Bund und Länder, mehr als fünf Milliarden zusätzlich ausgeben. Jedes Jahr. Diese Summe bezieht sich auf die rund 0,4 Prozentpunkte Differenz zwischen der aktuellen Quote und dem 3,5-Prozent-Ziel.

Nun kann man zu Recht argumentieren, dass es neben Wirtschaft und Bund immer noch eine weitere Akteursgruppe gibt und dass diese entsprechend ihrer Zuständigkeiten sogar den Löwenanteil des staatlichen FuE-Aufwuchses tragen sollte: die Länder. Man könnte zudem und ebenfalls zu Recht anführen, dass die Länder sich inzwischen in einer haushaltspolitisch zunehmend günstigen Position befinden – oder, wie es Bert Rürup und Axel Schrinner im Handelsblatt-"Chefökonomen" formulierten: "Der Anteil der Bundesländer an den Steuereinnahmen wächst stetig, während die Anzahl ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten sinkt", was ein "unhaltbarer Trend" sei.

Doch haben die Länder sich auch und gerade in der Forschungspolitik angewöhnt, nach mehr Bundesmitteln zu verlangen – vielleicht auch, weil sie, angefüttert durch die Jahre mit hohem BMBF-Etatwachstum, damit lange recht erfolgreich waren. Es wäre ein Zeichen ihrer Glaubwürdigkeit, wenn sie es schafften, erst einmal einen beträchtlichen Prozentsatz ihres Anteils am Sondervermögen für Forschung und Entwicklung zu reservieren. Wonach es leider längst nicht überall aussieht.

Am Donnerstag trifft sich der Haushaltsausschuss des Bundestages für seine Bereinigungssitzung für den Haushalt 2026. Es wäre gut, wenn dabei für die Hightech-Agenda noch etwas mehr herumkäme und etwa auch die Kürzung der Transfermittel in Bärs Haushalt um 38 auf noch 425 Millionen Euro rückgängig gemacht würde.

Es ist aber gar nicht allein entscheidend, dass der Bund immer mehr Geld gibt, wenn es – anders als in den Zehnerjahren – vor allem die Länder sind, die mehr tun könnten. Viel wichtiger ist, dass jetzt der wirtschaftliche und gesellschaftliche Optimismus wächst, das Vertrauen in die Wirtschafts- und Innovationspolitik der Bundesregierung und deren Rahmenbedingungen. So dass die Unternehmen sich wieder trauen, mehr in ihre eigene Zukunft zu investieren.

Kommentare

#1 -

Franka Listersen | Mi., 12.11.2025 - 14:14

Der geforderte "wirtschaftliche und gesellschaftliche Optimismus" könnte vor allem gestärkt werden, wenn das Motiv der Gewinnerzielung nicht immer wieder implizit oder explizit skandalisiert würde. Bei der wirtschaftsfeindlichen Stimmung im Lande hatten und haben forschungsstarke Konzerne wie Google oder Apple (oder Samsung, Huawei, TSMC) hier nie eine Chance. Auch die erwähnten schlechten Rahmenbedingungen (Bürokratie, Steuersätze) sind letztlich Ausdruck dieser technologiefeindlichen Haltung.

#2 -

David J. Green | Mo., 17.11.2025 - 11:25

Lieber Herr Wiarda,

vielen Dank für den Hinweis auf dem interessanten Beitrag von Rürup/Schrinner. Da aber ein einseitig vom Bund finanzierter Kompromiss beim Länderfinanzausgleich der wichtigster Grund für die dort thematisierten Verschiebung zu sein scheint, frage ich mich, ob es wirklich "die Länder" sind, die in der Lage sein müssten, mehr für deren Hochschulen zu tun, oder lediglich wenige, besonders wohlhabende Bundesländer?

Mit freundlichen Grüßen,

David Green

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