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Falsch verstandene Solidarität

Wenn das Proporzdenken siegt, ist das Tenure-Track-Programm kaputt.

VERKRUSTUNGEN AUFBRECHEN soll das neue Tenure-Track-Programm.
VERKRUSTUNGEN AUFBRECHEN soll das neue Tenure-Track-Programm.

IN ZWEI MONATEN ist Deadline für die erste Antragsrunde im so genannten Tenure-Track Programm, und es gibt kaum einen Rektor oder Rektorin, die nicht auf die Nachkommastelle genau sagen könnten, wie viele der bundesweit 1000 zusätzlichen Professuren auf ihre jeweilige Universität entfallen. So wie laut Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern die Fördergelder nach Länderproporz verteilt werden sollen, so wollen die Universitäten innerhalb der Länder gleich weiter verteilen.

 

Es gibt da nur ein Problem. In der Förderbekanntmachung kann man nachlesen, dass der Zuschlag für die Bewerbungen „in einem wettbewerblichen Verfahren“ erfolgen soll. Entscheidend ist die „Qualität des Gesamtkonzepts“, kurz gesagt: Wollen die Unis nur mehr Stellen haben, oder sind die Laufbahnprofessuren Teil einer in sich stimmigen Strategie zur Personalentwicklung? Können die Rektoren nachweisen, dass die mit den beantragten Fördergeldern die Karrierewege ihrer Wissenschaftler wirklich und dauerhaft transparenter und planbarer machen?

 

Nimmt man die Logik des Programms ernst, liest man die Bekanntmachung wörtlich, dann muss, dann wird es Gewinner und Verlierer geben. Wer glaubt, es müssten lediglich ein paar Formulare ausgefüllt und ein paar Buzzwords in der verlangten Vorhabenbeschreibung auftauchen, der irrt also – hoffentlich. Denn dafür müssten erstmal die Wissenschaftsminister selbst ihr Programm ernst nehmen und bereit sein, massenweise Verlierer zu akzeptieren. Mit der letzten Konsequenz, dass die Universitäten anderer Bundesländer am Ende mehr abbekommen. Doch genau diese Bereitschaft lassen im Moment viele Minister, womöglich aus falsch verstandener Solidarität mit ihren Rektoren, nicht erkennen. So steigt der Druck besonders auf die zwölf Wissenschaftler in der Jury, dem so genannten „Auswahlgremium“.

 

Für einen Wettbewerb spricht übrigens mehr, als dass er nun mal so in der Vereinbarung steht. Denn nur wenn die Universitäten wirklich die Gefahr spüren, leer auszugehen, werden sie sich so reinhängen, wie sie das zum Beispiel gerade erst bei den Exzellenzclustern getan haben. Und nur wenn (wenig genug!) Universitäten mit ihrer Bewerbung erfolgreich sind, werden die siegreichen Konzepte so gefördert, dass sie angesichts des schmalen Programmvolumens mehr sein können als eine leichte Personalaufstockung. Dass sie wirklich einen Wendepunkt in der universitären Personalstrategie markieren und Modellcharakter entwickeln können.

 

Es ist verständlich, dass die Universitäten wettbewerbsmüde sind. Es ist nachvollziehbar, dass die Länder vor allem auf das zusätzliche Bundesgeld schielen. Doch: Wenn das Proporzdenken siegt, dann ist das Tenure-Track-Programm kaputt.


Föderales Stellengetrickse

Dass einige Landesminister das Tenure-Track-Programm vor allem als nette Finanzspritze des Bundesforschungsministeriums begreifen, verrät ihr Verhalten auch an anderer Stelle. In der Vereinbarung mit der Bundesregierung haben sie zugesagt, die durch die Initiative geschaffenen zusätzlichen Professorenstellen nach Programmende (offiziell 2032) dauerhaft weiterzufinanzieren. Schließlich ist es eine der Botschaften, mit denen Bundesministerin Johanna Wanka (CDU) das Programm anpreist: 1000 zusätzliche unbefristete Professorenstellen entstünden da, und zwar auf Dauer. 

 

Dass sich sechs Länder dabei Sonderkonditionen herausgehandelt haben, ist das eine. Auch dass teilweise im identischen Umfang befristete Professuren zugunsten von unbefristeten abgebaut werden sollen, könnte man bereits als föderales Getrickse bezeichnen. 

 

Problematischer ist jedoch: Mehrere Ministerien haben ihren Universitären jetzt im Vorfeld der Antragstellung signalisiert, dass sie die Anschlussfinanzierung der Tenure-Track-Stellen selbst stemmen müssen, und zwar über ihre normalen Budgets.

Diejenigen Landesminister, die ihren Hochschulen für die nächsten Jahre Zuwächse versprochen haben, argumentieren: Ihr kriegt doch schon mehr Geld. Einen Teil der Professorenstellen, die ihr daraus schafft, könnt ihr ja für die Anschlussfinanzierung reservieren.

 

Und in Ländern, deren Hochschulen zurückgehende Studentenzahlen erwarten, heißt es: Wir lassen euch weniger schrumpfen dank des Tenure-Track-Programms, also – siehe oben – nehmt euer eigenes Geld für den Anschluss. 

 

Eine Logik, gegen die schwer anzuargumentieren ist. Denn wer kann schon widerlegen, dass in einer Welt ohne Tenure-Track-Programm die Uni-Haushalte weniger gewachsen oder stärker geschrumpft wären?

 

Fakt ist: Bei einigen Rektoren sorgt die Botschaft ihrer Minister für Zurückhaltung, so dass sie in ihren Anträgen mitunter sogar weniger Stellen haben wollen, als ihnen (siehe oben) rechnerisch zustünden. Sie fürchten das böse Erwachen in zehn Jahren, wenn das Programm ausläuft. 



Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien gestern im ZEITChancen Brief.

Foto: Alastair Dunning: "Professors", CC BY-NC 2.0. 

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Kommentare: 5
  • #1

    Florian Bernstorff (Freitag, 28 April 2017 08:22)

    Lieber Herr Wiarda,

    besten Dank für Ihren Kommentar und den Hinweis auf das Geschacher einiger Landesregierungen. Das macht doch etwas stutzig, vor allem im Zusammenhang mit einem anderen Aspekt der TT-Vereinbarung:

    In § 4 steht, dass die Tenure Track-Professuren als W 1 oder W 2 ausgewiesen werden können. Ich frage mich: Wie kann das sein? Eines der wichtigsten Ziele des ganzen Programms soll doch sein, "eine im Durchschnitt frühere Entscheidung über einen dauerhaften Verbleib von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern im Wissenschaftssystem [zu] ermöglichen" (§ 1, Listenpunkt d. ).

    Wenn man aber W2-Professuren mit Tenure Track versieht, sind diese zunächst zu befristen, oder verstehe ich das falsch? Das heißt, künftig werden jene Nachwuchswissenschaffenden, die sich schon 10-20 Jahre lang von Befristung zu Befristung hangeln, beim lang und hart erarbeiteten Ruf auf eine Professur (Alter: Irgendwas zwischen 35 und 45) immer noch keine dauerhafte Perspektive bekommen. Sie werden abermals mit einer weiteren Prüfung ihres eigentlich bereits vielfach erwiesenen und für gut befundenen Könnens konfrontiert.

    Führt dies die Programmziele nicht ad absurdum?

    Ist das gegenüber Frauen fair, deren Familiengründungsfenster ohnehin schon viel zu weit mit dem Karrierefenster überlappt?

    Oder geht es in Wirklichkeit darum (ich spekuliere wild), hier einen politisch motivierten Paradigmenwechsel einzuleiten, hin zur regelmäßig befristeten Ausschreibung ordentlicher Professuren?

    Fragt sich mit besten Grüßen
    Florian Bernstorff

  • #2

    Klaus Diepold (Freitag, 28 April 2017 22:13)

    Lieber Herr Bernstorff,

    ich denke, dass das detaillierte Vorgehen im Umgang mit W1/W2 TT den einzelnen Ländern oder sogar den einzelnen Universitäten vorbehalten ist.

    In Bayern ist die Gesetzeslage zumindest so, dass es innerhalb einer Universität nur einmal die Chance für einen "Upgrade" gibt. Das bedeutet für eine Tenure Track Professur, die auf W1 beginnt, dass der Aufstieg des Kandidaten/der Kandidatin voraussichtlich nach der Tenure Evaluierung auf W2 endet. Die Alternative sieht so aus, dass W1 ausgelassen wird und W2 grundsätzlich nur befristet besetzt wird. Nach einer erfolgreichen Tenure Track Evaluierung wird der Kandidat/die Kandidatin unbefristet auf eine W3 Professur "befördert". Eine W3-Professur ließe sich dann in Form "ohne Leitungsfunktion" aka Associate Professor oder "ohne Leitungsfunktion" aka Chair interpretieren. Dann wäre die Möglichkeit gegeben einen weiteren "Aufstieg" von Associate nach Chair zu organisieren, ohne dass eine neue W-Stufe erklommen werden muss. Damit gibt es keine Sackgasse auf W2. Die Berufung auf W2 TT sollte dann möglichst früh erfolgen, also typischerweise nach 2-3 Jahren Post-Doc Phase. Wie gesagt, die konkrete Umsetzung hängt evtl. von der einzelnen Hochschule ab.

  • #3

    Florian Bernstorff (Donnerstag, 04 Mai 2017 13:26)

    Lieber Herr Diepold,

    Ihre Vermutung halte ich für eine plausible Möglichkeit. Dann würde man aber bei der Ausschreibung einer W2 TT wohl auf die Voraussetzung "habilitationsadäquate Leistungen" an den Universitäten verzichten (müssen), oder?
    Vielleicht richtet sich die Option W2 TT auch eher an Fachhochschulen, die ja, soweit ich sehe, keine W1-JProfessuren haben.

  • #4

    AS (Donnerstag, 29 Juni 2017 16:34)

    Wie (leider) zu erwarten. Ich halte den TT eine wunderbare Sache, denn damit können Wissenschaftlicher tatsächlich mal ein wenig planen. Nun winden sich die Länder plötzlich Zusagen einzuhalten. Sie nehmen gerne Geld an, weigern sich aber im Gegenzug wirklich neue Stellen zu schaffen. "Die mit dem Programm geförderten 1 000 zusätzlichen Tenure-Track-Professuren wollen Bund und Länder innerhalb des Gesamtbestandes von Professuren an Universitäten dauerhaft erhalten und die Zahl der unbefristeten Professuren an Universitäten in gleicher Anzahl erhöhen." Ich bin gespannt.
    Wenn diese zentrale Zusage der Schaffung neuer Stellen nicht eingehalten wird, werden die Karrieren von exakt 1000 Nachwuchswissenschaftlern, die sich derzeit in Qualifikationsprogrammen als Emmy Noether Stipendiaten, Helmholtz- oder MPI-Nachwuchsgruppenleiter, Juniorprofs, etc. befinden, vor die Wand gefahren. Den für diese meist exzellenten Leute, die sich in mühevollen Jahren (oft im Ausland) für solche Stellen qualifiziert haben, stehen jetzt 1000 Stellen weniger im ohnehin engen Flaschenhals zur Professur für zukünftige Bewerbungen zur Verfügung. Dies unterstreicht vor allem die geringe Priorität, die Wissenschaft in der deutschen Politik besitzt. Und mit einem solchen Gehampel soll die (schwindende!) Attraktivität der wissenschaftlichen Karriere in D gesteigert werden?

  • #5

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 07:05)

    1