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Elfmal Grün

Das sind die Gewinner: ein Überblick und eine erste Einordnung des ExStra-Finales.

UND DIE GEWINNER SIND: Die Universität Hamburg, die Berlin University Alliance, die RWTH Aachen, die Universität Bonn, die TU Dresden, die Universität Heidelberg, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Tübingen, die Universität Konstanz, die LMU München und die TU München. 

 

Wie Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) gerade auf einer Pressekonferenz im Bonner Wissenschaftszentrum bekanntgegeben hat, dürfen diese elf Bewerber für mindestens die nächsten sieben Jahre den Titel "Exzellenzuniversitäten" tragen und erhalten zusätzlich je nach Antrag zwischen 10 und 15 Millionen Euro. Die Berliner Alliance hatte 28 Millionen beantragt, die absolute Obergrenze für einen Verbund. Die genauen – bewilligten – Fördersummen sind noch nicht bekannt. "Wir mussten uns heute noch einmal für die Besten der Besten entscheiden", sagte Karliczek.

 

Die elf Gewinner konnten sich mit ihren Antragskonzepten gegen die Mitkandidaten aus Kiel, Hannover, Braunschweig, Bochum, Münster, Köln, Stuttgart und Freiburg durchsetzen. Karliczek wandte sich speziell an die unterlegenen Universitäten und sagte: "Auch Sie haben Ihre Exzellenz längst bewiesen! Sie haben nicht nur die notwendigen Exzellenzcluster für die Antragstellung eingeworben, sie haben sich diesem strengen Wettbewerb gestellt, haben neue Strategien für ihre Universitäten entwickelt. Sie haben so ihre Profilbildung vorangetrieben und sind neue Kooperationen eingegangen. Ich bin sicher: Das verändert und stärkt Ihre Institutionen insgesamt." 

 

Wie fiel die Entscheidung?

 

Als die Wissenschaftsminister am Donnerstagabend die mit Spannung erwartete Ampel-Liste erhielten, war ihr Staunen groß: Die Wissenschaftler hatten es tatsächlich getan. Wie mehrere Minister berichten, hatte sich schon auf der Wissenschaftsratssitzung vergangene Woche in Gießen angedeutet, dass vor allem die Wissenschaftsratsvorsitzende Martina Brockmeier auf eine Elfer-Liste hinwirken wollte. Sprich: Die 39 Wissenschaftler im sogenannten Expertengremium präsentierten der Politik elf grüne Ampeln und acht rote. Womit der Politik heute Vormittag in der Exzellenzkommission faktisch nur noch die Bestätigung des Wissenschaftlervotums blieb. Und die gaben die Minister auch – einstimmig. Was nicht hieß, dass sie nicht trotzdem vorher noch stundenlang über jeden einzelnen Antrag, auch die roten, diskutiert hatten. 

 

Wer möchte, kann den Stunt der Wissenschaft als Reaktion auf den unschönen Streit bei der Cluster-Kür im vergangenen September sehen. Anja Karliczek habe ihre 16 Stimmen dazu eingesetzt, um die Zahl der geförderten Forschungsverbünde hochzudrücken, schimpften damals etliche SPD-Minister, daher verantworte sie auch die pauschale Kürzung der Fördersummen um rund ein Viertel. Fest steht, dass am Ende 11 der 12 von den Wissenschaftlern lediglich auf "gelb" gestellten Cluster in die Förderung rutschten, so dass 57 Anträge bewilligt wurden statt der erwarteten 45 bis 50. Karliczeks Ministerium hielt dagegen: Ohne die Mehrheit der Wissenschaftler in der Exzellenzkommission hätte sie das gar nicht gekonnt. 

 

Doch offenbar wollten die Mitglieder des Expertengremiums derlei Ambiguitäten diesmal von vornherein ausschließen – wofür sie sogar Beifall aus der Politik erhalten. Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte nach der Entscheidung: "Eins soll beim Freudentanz nicht untergehen: was die DFG und der Wissenschaftsrat, vor allem Frau Brockmeier, hier in Verfahren und Entscheidungsfindung geleistet haben, ist spektakulär. Ohne sie wäre das so nicht ausgegangen, einstimmig und von allen Politikern voll akzeptiert."

 

Große Glücksgefühle, große Trauer

 

Unter den elf Gewinnern befinden sich acht, die den Titel schon bislang hatten, bzw. neun, wenn man die bisherigen Berliner Exzellenzuniversitäten FU und Humboldt einzeln rechnet. In der Berlin University Alliance erhalten sie den Titel nun gemeinsam mit der TU Berlin, die in den drei Runden der Exzellenzinitiative nie allein hatte zum Zug kommen können. Quasi Huckepack tragen die drei Partner die Charité, die formal als medizinische Fakultät von FU und HU mit an Bord ist. Erst mit der Weiterentwicklung der ehemaligen Exzellenzinitiative zur Exzellenzstrategie ist eine Bewerbung als Exzellenzverbund möglich, Berlin ist insofern Pionier. 

 

Auch Aachen, Dresden, die beiden Münchner Unis, Heidelberg, Konstanz und Tübingen waren schon bislang "Elite". Erstmals Exzellenzstatus erreichen Hamburg und Bonn, das KIT kann als Exzellenzuniversität der ersten Stunde (2006) den zwischenzeitlich verlorenen Titel zurückerobern. Besonders bitter ist die heutige Entscheidung für die Universität zu Köln: Sie verliert den Exzellenzstatus. Die Universität Bremen, die ebenfalls bislang mit ihrem Zukunftskonzept gefördert wurde, war schon bei der Cluster-Entscheidung im vergangenen September ausgeschieden, weil sie nur einen statt der erforderlichen zwei Förderanträge durchbekommen hatte.

 

Das Kalkül der Berliner ist aufgegangen

 

Während die zweite Verbundbewerbung (Universität und Medizinische Hochschule Hannover) von der Exzellenzkommission aussortiert wurde, ist das Kalkül der Berliner aufgegangen. Sie hatten mit ihrer eigens für den Wettbewerb gegründeten Allianz alles auf eine Karte gesetzt, obwohl zumindest HU und FU wohl auch einzeln exzellente Titelchancen gehabt hätten. Anfangs witterten Kritiker eine Beutegemeinschaft und eine Risiko-Minimierungs-Strategie, bis zuletzt vermissten manche den Nachweis der Alltagstauglichkeit bei den hochfliegenden Plänen der vier Partner, hatten die doch vor der Alliance-Gründung nicht unbedingt als Teamplayer geholten. Doch die Hochschulpräsidenten harmonierten bei ihren gemeinsamen Auftritten zusehends besser.

 

Was bei den Gutachtern womöglich noch stärker den Ausschlag gegeben hat, war der unbedingte Wille der Politik. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich nach der vergangenen Wahl Ende 2016 demonstrativ das Amt des Wissenschaftssenators gesichert. Die rot-rot-grüne Koalition pumpte Millionen um Millionen zusätzlich in die Hochschulen – und zwar sowohl in der Breite (in Form eines jährlichen 3,5-Prozent-Budgetaufwuchses für alle) als auch in der Spitze, etwa durch die Gründung des Einstein Centers Digital Future. Müllers Geheimwaffe war dabei sein umtriebiger Staatssekretär Steffen Krach, der auch als Ideengeber für die Berlin University Alliance gilt. Erst vergangene Woche zündeten die Berliner ein wahres Feuerwerk, wohl auch um die Gutachter nochmal zu beeindrucken. Müller und Krach versprachen sechs Millionen pro Jahr für den Verbund unabhängig davon, ob er den Exzellenzstatus erhält, die Allianz verkündete die Gründung eines neuen Klima-Forschungszentrums, und dann teilte die landeseigene Einstein-Stiftung auch noch mit, dass sie ab 2020 dank privater Spenden und deren Kofinanzierung durch den Senat 45 Millionen für sogenannte Einstein-Profil-Professuren ausgeben könne. 

 

Viel Lärm auf den letzten Metern – irgendwie passt dazu, dass heute Abend unter anderem Charité-Chef Karl Max Einhäupl und Staatssekretär Krach bei der Exzellenz-Party in der Urania auflegen. Das Motto lautete "Sekt oder Selters". Nun wird wohl der Sekt fließen.

 

Lenzen schafft es ein zweites Mal

 

Als Dieter Lenzen 2010 von der Freien Universität nach Hamburg wechselte, fragten sich viele: Warum macht der das? Die FU hatte Lenzen 2007 zum Titel geführt, die Universität Hamburg galt dagegen als nahezu unregierbar: Lenzens Vorgängerin war im Streit gegangen. Doch abgesehen davon, dass Lenzen in Berlin zuletzt selbst ziemlich viel Streit gehabt hatte, ergab der Wechsel durchaus Sinn: Lenzen ist so ein Typ. Er wollte es nochmal wissen.

 

Neun Jahre liegen zwischen Lenzens Start in Hamburg und der heutigen Kür zur Exzellenzuniversität, natürlich besteht kein monokausaler Zusammenhang. Aber was man sagen kann: Lenzen hat langen Atem bewiesen, aus nur einem bewilligten Cluster 2011 wurden vier im vergangenen Jahr.  Er reorganisierte die Uni Stück für Stück in einer für seine Verhältnisse erstaunlich behutsamen Art und Weise, er suchte und fand Verbündete in den traditionell starken Fakultäten der Universität. Vor allem aber auch in der Politik: Der Hamburger Erfolg erklärt sich nämlich auch durch ein Umdenken in der Regierung der Hansestadt.

 

Der glücklosen Dorothee Stapelfeldt (SPD) folgte im Frühjahr 2015 Katharina Fegebank von den Grünen, und die machte ihren Job gut. In einer Stadt, die erst seit 100 Jahren eine eigene Uni hat und bis heute ihren Hafen über alles stellt, bewirkte sie durch ihre ruhige Beharrlichkeit ein allmähliches Umdenken. Zu den 40 Millionen Euro, die die rot-grüne Regierung schon 2015 für die Wissenschaft versprochen hatten flossen über 30 Millionen in die Exzellenzförderung der Uni Hamburg, Fegebank pushte den Aufbau der Science City Bahrenfeld, und als die Exzellenz-Gutachter nach Hamburg kamen, versprach sie, jedes Cluster zusätzlich zum gesetzlich festgelegten Länderanteil von 25 Prozent mit weiteren zehn Millionen Euro zu unterstützen.

 

Lenzen wusste das zu würdigen: Während er sich zu Beginn seiner Amtszeit aus Protest gegen die Landespolitik noch zu streikenden Studenten auf die Straße hockte, erschien er zuletzt in Berlin zu gemeinsamen Wissenschafts-Roadshows mit Fegebank in der Hamburgischen Landesvertretung.

 

Dreimal Frust im Norden

 

Während sie in Hamburg feiern, herrscht 100 Kilometer weiter im Norden die Ernüchterung. Die Universität Kiel hat es nicht geschafft mit ihrem Antrag, und das ist gleich doppelt bitter. Zum einen, weil die Uni sich seit Jahren als wissenschaftlich erstaunlich stark erweist. Schon 2012 konnte sie zwei Cluster-Anträge durchbringen, im vergangenen September gelang ihr das erneut. Zum anderen rührt der Frust auch daher, dass sich unter den elf heutigen Gewinnern zwei befinden, die im Gegensatz zu Kiel vergangenes Jahr nicht auf zwei von den Wissenschaftlern mit Grün bewertete Cluster gekommen waren. Sie rutschten erst durch das Engagement der Politik (siehe oben) in die Förderung. Wie auch immer: Heute ging es nicht um die Stärke der Cluster, sondern um die Stärke des Gesamtkonzepts, und da zog Kiel den Kürzeren.

 

Neben Schleswig-Holstein ist Niedersachsen das zweite Bundesland, das Exzellenz-Kandidaten im Rennen hatte und nun gar nicht zum Zug kommt. Sowohl der Hannoveraner Verbundantrag ist raus als auch die Bewerbung der TU Braunschweig. Allerdings hatten beide von vornherein nicht zum Favoritenkreis gezählt.

 

Gemischte Bilanz in NRW

 

Geografisch dicht beieinander liegen Euphorie und Trauer heute auch im Rheinland. Kein Bundesland hatte im vergangenen September so viele Cluster-Förderungen abgeräumt wie Nordrhein-Westfalen: 14. Und außer Baden-Württemberg hatte heute kein Bundesland so viele Exzellenzkandidaten im Rennen: fünf. Die bundesweit meisten Cluster (6) konnte im vergangenen Jahr die Universität Bonn einheimsen, wobei die dortigen Universitätsoberen den Optimismus zuletzt zu dämpfen versuchten. Schon mehrfach hatte Bonn nämlich als großer Favorit auf die Exzellenzkrone gegolten, war dann aber doch am Ende leer ausgegangen (siehe mein ZEIT-Porträt hier), während der Nachbar Köln, ein Riesentanker, 2012 scheinbar mühelos den Titel gewann.

 

Diesmal hat Köln, das an immerhin vier Clustern beteiligt war, das Nachsehen. Dort beginnt jetzt die Suche nach den Ursachen. Keine Rolle gespielt haben kann die Verbund-Frage. Zwar hatten sich einige Experten gewundert, warum Köln und Bonn im Gegensatz zu den Berlinern nicht auch in einer Allianz angetreten waren, doch beschworen beide immer, man arbeite auch so hervorragend zusammen. Und zumindest für Bonn hat sich die Einzelbewerbung nun ja auch ausgezahlt.

 

Münster und Bochum als weitere Kandidaten aus NRW hatten schon im Vorfeld nicht als Favoriten gegolten, zuletzt hatte Münster wegen eines Streits zwischen mehreren Ministerpräsidenten und Forschungsministerin Karliczek in den Schlagzeilen gestanden: Die Region hatte den Zuschlag für eine hunderte von Millionen teure Batterie-Forschungsfabrik erhalten. Für Bochum ist das Ausscheiden auch insofern bitte, als die Ruhr-Universität der letzte im Rennen verbliebene Partner der "University Alliance Ruhr" war, ein Verbund, der im Gegensatz zum Berliner deutlich vor der Exzellenzstrategie gegründet worden war, eine lange gemeinsame Tradition vorweisen kann und sich zwischenzeitlich große Hoffnungen auf den Verbund-Titel gemacht hatte. 

 

Fast schon erwartungsgemäß ist dagegen das Abschneiden der Aachener, die von der Exzellenzkommission heute den Zuschlag bekamen: Die RWTH ist seit 2007 ununterbrochen Exzellenzuniversität gewesen. Ihr seit vergangenem Jahr amtierender Rektor Ulrich Rüdiger kann sich kurioserweise gleich zweimal freuen: Bevor er nach Aachen kam, war er neun Jahre lang Präsident der Universität Konstanz, er hatte sie bereits mit Exzellenztitel übernommen, und sie bekam ihn auch heute erneut. 

 

Münchner Dauersieger 

 

Ebenfalls wenig überraschend ist, dass auch die beiden Münchner Universitäten erneut den Exzellenz-Titel abräumten. Sie zählten 2006 neben dem KIT zu den drei Exzellenzuniversitäten der ersten Stunde, vor allem die TUM hat mit ihrem umtriebigen Dauer-Präsidenten Wolfgang Herrmann die Hochschulpolitik in den vergangen Jahren immer wieder aufgemischt, zuletzt durch die Eröffnung einer Niederlassung in Baden-Württemberg. Auch politisch war unvorstellbar, dass Bayern ohne seine Eliteuniversitäten aus dem Wettbewerb geht. Insofern alles wenig überraschend.

 

Einerseits. Denn andererseits hatten sich viele durchaus gefragt, ob es in Ordnung ging, dass die Münchner getrennt kandidierten, obwohl sie sämtliche ihrer vier erfolgreichen Cluster-Anträge gemeinsam eingereicht hatten. Die am häufigsten genannte inoffizielle Begründung lautete, dass Herrmann und sein LMU-Kollege Huber Bernd Huber, wie seit langem kolportiert wird, nicht miteinander können. Auch wissenschaftlich war die Bilanz der Münchner nicht immer bestechend. Zwar liegen sie im DFG-Förderranking auf dem ersten (LMU) bzw. vierten (TUM) Platz, aber ihre Cluster-Einzelanträge, von denen sie je einen hatten, hatten sie beide nicht durchbringen können. 

 

Sachsenexpress rollt weiter 

 

2012 wurde die TU Dresden erstmals zur Exzellenzuniversität gekürt, zur bislang einzigen, wenn man mal die Berliner Humboldt-Universität außen vor lässt. Seitdem hat der "Sachsenexpress" immer weiter Fahrt aufgenommen: Drei der vier ostdeutschen Cluster-Förderungen gingen in die sächsische Landeshauptstadt, das wissenschaftliche Selbstbewusstsein dort ist groß. Dresden steht als Symbol dafür, dass die ostdeutschen Hochschulen in der  Exzellenzstrategie erfolgreich sein können – aber in seine Singularität auch als Mahnung, dass die etablierten Wettbewerbsformate an der Realität vieler ostdeutscher Hochschulen vorbeigehen

 

Getrübt wird die Stimmung in Dresden durch die politische Gemengelage im Freistaat, deswegen hatte sich TU mit ihrem Rektor Hans Müller-Steinhagen zuletzt mit einem ungewöhnlichen Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt. 

 

Viermal Baden-Württemberg

 

Das Aufatmen aus Heidelberg konnte man vermutlich noch im Bonner Wissenschaftszentrum hören. Die Universität dort gilt als eine der stärksten in Deutschland, schon seit 2007 trägt sie den Exzellenz-Titel, doch zuletzt hatte sie unruhige Zeiten hinter sich. Die Mindest-Clusterzahl von zwei hatte sie im vergangenen September nur mit Ach und Krach geschafft, und dann entwickelte sich im Frühjahr an der benachbarten Uniklinik auch noch ein Skandal um einen voreilig als Durchbruch gefeierten Bluttest. Die Uniklinik ist mit der Universität über die medizinische Fakultät verbunden, Rektor Bernhard Eitel sitzt um Aufsichtsrat. Nur drei Tage vor der heutigen Entscheidung legte die eigens eingerichtete Untersuchungskommission ihren Zwischenbericht vor. Auch die Universität bemühte sich in den vergangenen Monaten nach Kräften: einerseits, indem sie unabhängig vom Klinikum die Aufklärung vorantrieb und transparent machte, andererseits, indem sie immer wieder ihre wissenschaftliche Distanz zur Klinik betonte. 

 

Jetzt ist der Erfolg da – er verbindet Heidelberg mit Karlsruhe, mit dem es sich einen der beiden Cluster teilt und das heute ebenfalls zur Exzellenzuniversität gekürt wurde. Das KIT erlebt damit eine weitere Kurve in dem ereignisreichen Auf und Ab seit seiner Gründung als Fusion aus der ehemaligen Universität und dem örtlichen Helmholtz-Zentrum. Der geplante Zusammenschluss hatte im Zentrum des Zukunftskonzept gestanden, mit dem Karlsruhe 2006 den Titel errang. 2012 hatte es den allerdings wieder verloren, parallel steckte der Fusionsprozess in der Krise. Doch schon im vergangenen Jahr verkündete KIT-Präsident Holger Hanselka hier im Blog selbstbewusst: "Jetzt wissen wir, wofür wir stehen". 

 

Damit ist der Erfolg Baden-Württembergs in der Exzellenzstrategie noch längst nicht vollständig: Sechs der 19 Kandidaten stammten aus dem Südwesten, vier kamen heute durch. Neben Heidelberg und Karlsruhe waren dies Tübingen und Konstanz, wobei Tübingen als einzige der vier Gewinner-Universitäten im Vorfeld mit drei Clustern mehr als das notwendige Mindestmaß mitbrachte. 

 

Doch die größte Erfolgsgeschichte im Ländle schreibt ohne Zweifel Konstanz. Es war schon bislang die mit Abstand kleinste Exzellenzuniversität, und 2015, als die Wissenschaftspolitik bei der Exini-Auflage Exzellenzstrategie die Cluster-Schranke einzog, fragten sich viele: Bedeutet sie das Aus für Konstanz? Kann die Universität am Bodensee zwei erfolgreiche Forschungs-Großverbünde stemmen, hat sie die wissenschaftliche Masse dazu? Ja, hat sie, lautete die Antwort bereits im vergangenen September. Und auch bei der Begehung im Frühjahr konnte Konstanz die Exzellenz-Gutachter überzeugen. 

 

In Freiburg, das bis 2012 Exzellenzuni gewesen war und sich berechtigte Hoffnungen auf ein Comeback gemacht hatte, herrscht heute Frust. Ebenso in Stuttgart, das sich Außenseiterchancen ausgerechnet hatte – und wie Kiel jetzt mit dem Frust leben muss, trotz zwei grüner Cluster nicht durchgekommen zu sein. Allerdings hatte dessen Rektor Wolfram Ressel schon vergangene Woche gesagt: "Wir sind froh, dass wir so weit gekommen sind", und er zitierte einen Mitarbeiter seiner Universität. "Diesen Schwung (der Bewerbung) nehmen wir mit – egal ob wir jetzt erfolgreich sind oder nicht. Wir können stolz auf diese gemeinsamen Präsentation sein!" Auch in Stuttgart, so scheint es, werden sie heute also trotz allem noch etwas feiern. 

 

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), die seit 2011 im Amt ist, kann sich die vierfachen Gewinnerkür mit Recht auch als Bilanz ihrer Amtszeit zuschreiben, sie gilt als eine der kenntnisreichsten und erfolgreichsten Wissenschaftspolitikerinnen, allerdings sah sie sich zuletzt im Zuge einer "Zulagenaffäre" wiederholt mit Vorwürfen konfrontiert

 

Was bedeutet die Entscheidung für die Gewinner?

 

Ganz sicher werden die elf Exzellenzuniversitäten und –verbünde nun nicht auf einen Schlag reich. Dafür ist die Förderung von insgesamt 148 Millionen Euro zu schmal. Und im Gegenzug für das frische Geld müssen die elf zugleich etliche Millionen wieder abgeben, denn die 2015 geschlossene Bund-Länder-Vereinbarung zur Exzellenzstrategie bestimmt: "Im Falle einer Förderung als Exzellenzuniversität gilt die Universitätspauschale als in dieser Förderlinie abgegolten und entfällt." Für die Universität Hamburg mit ihren vier Clustern und den bislang für jeden Cluster gezahlten Pauschalen macht das immerhin ein Minus von 2,75 Millionen Euro pro Jahr – bei zu erwartender Exzellenzuni-Förderung von bis zu 15 Millionen (abzüglich der bereits angekündigten pauschalen Kürzung aller Förderbeträge). 

 

Aber auch wenn manche Kritiker der Exzellenzstrategie dies suggerieren: Um die Exzellenz-Millionen an sich geht es gar nicht so sehr. Schon eher um die Fördermillionen und Forschungsprojekte, die sich mithilfe des Glitzertitels darüber hinaus an Land ziehen lassen in den nächsten Jahren. Sich selbst verstärkende Effekte wirken: Es werden vor allem diejenigen Universitäten "Exzellenz", die zum Beispiel im Föderranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die vorderen Plätze belegen (acht der elf finden sich in den Top Ten), und unter anderem der Titel hilft ihnen dabei, dass sie da auch künftig bleiben.

 

Darüber hinaus hat der Exzellenz-Wettbewerb in den vergangenen Jahren ganz allgemein einen erstaunlich hohen symbolischen Stellenwert in der Hochschullandschaft erreicht, der seine tatsächliche Dotierung (insgesamt 533 Millionen Euro im Jahr im Vergleich zum Beispiel zu demnächst 1,88 Milliarden für den neuen Hochschulpakt) weit übersteigt. An den siegreichen Universitäten sorgt er für zusätzliches Identifikationspotenzial und Emotionen, wie die Exzellenz-Partys an den meisten der 19 Bewerberstandorten belegen. Er ist aber auch Projektionsfläche für den Frust von Studierenden und Wissenschaftlern, die die grundsätzliche Unterfinanzierung der Universitäten anprangern und das Exzellenz-Gehabe vor allem als eines empfinden: ärgerlich. 

 

Forschungsministerin Karliczek sagte heute: Dass die Spitzenforschung an unseren Hochschulen "so gut dasteht und international so viel sichtbarer geworden ist, ist ein Verdienst der Exzellenzinitiative." Diese habe hierfür seit 2006 die Grundlagen gelegt. "Sie hat uns gezeigt, dass die Dynamik dieses Wettbewerbs in die ganze Hochschullandschaft hineinwirkt und ganz viel in Bewegung setzt."

 

Bewilligungssummen werden erneut gekürzt

 

Wie nach der Entscheidung bekannt wurde, müssen aufgrund des hohen Antragsvolumens alle Gewinner mit weniger Geld auskommen, als sie es sich gewünscht hatten und ihnen theoretisch bewilligt worden war. Die genauen Berechnungen laufen noch, es geht dem Vernehmen nach jedoch um eine pauschale Kürzung von rund 17,5 Prozent. Wofür vor allem die siegreichen Unis selbst die Verantwortung tragen: Die meisten waren mit der beantragten Summe an die Obergrenze des Möglichen gegangen. Womöglich hätten einige dabei ja auch schon mögliche Kürzungen eingepreist, heißt es aus dem Kreis der Wissenschaftsminister.




Die Gewinner und die Titel der Antragskonzepte

RWTH Aachen (The Integrated Interdisciplinary University of Science and Technology. Knowledge. Impact. Networks.)

Berlin University Alliance (Crossing Boundaries toward an Integrated Research Environment)

Universität Bonn (WE invest in people – WE foster networks – WE create impact)

TU Dresden (TUD 2028 Synergy and beyond)

Universität Hamburg (A Flagship University:

Innovating and Cooperating for a Sustainable Future)

Universität Heidelberg (THE COMPREHENSIVE RESEARCH UNIVERSITY HEIDELBERG: THE FUTURE SINCE 1386)

Karlsruher Institut für Technologie (The Research University in the Helmholtz Association: Living the Change)

Universität Konstanz (University of Konstanz – creative.together) 

LMU München (LMUexcellent – A New Perspective) 

TU München (TUM. THE ENTREPRENEURIAL UNIVERSITY. Innovation by Talents, Excellence, and Responsibility) 

Universität Tübingen (Research – Relevance – Responsibility:

Open to New Challenges and a Global Scope of Action)

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Kommentare: 12
  • #1

    Julia N. (Freitag, 19 Juli 2019 16:41)

    Ein sehr guter Artikel. Eine Anmerkung nur: Die beiden Münchner Universitäten haben zusammen vier Cluster erfolgreich eingeworben, nicht nur drei.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 19 Juli 2019 16:45)

    Vielen Dank für den Hinweis, bitte entschuldigen Sie das Versehen. Habe ich korrigiert.

  • #3

    Philipp Jäker (Freitag, 19 Juli 2019 16:55)

    Glückwunsch an die Gewinner.

    Abgesehen vom üblichen Pro-/Contra:
    Die Titel der Konzepte sind alle ähnlich nichtssagend oder?
    "Impact" "Networks" "Excellenz" etc.
    Im Detail werden sie sich hoffentlich unterscheiden, sonst macht Profilbildung keinen Sinn.

  • #4

    Alexander Schug (Freitag, 19 Juli 2019 17:57)

    Sehr guter Artikel und Glückwunsch an die Ausgezeichneten.
    Insgesamt hat der Prozess viele gute Akzente gesetzt. Wermutstropfen bleibt allerdings der hohe Aufwand für alle Seiten, dem die finanzielle Zuwendung durch den Bund nicht entspricht. Ein Aufschließen an die Weltspitze ist mit diesen Summen nicht möglich.

  • #5

    Frank (Freitag, 19 Juli 2019 20:45)

    München ist schon ein Skandal. Zwar beide vier Cluster, aber keines aus 'eigener Kraft'. Dass beide die Förderung erhalten, erschließt sich nicht. Dann lieber nur 9 Exus...

  • #6

    * (Freitag, 19 Juli 2019 22:43)

    Kleine Korrektur: Die Münchner Unis haben vier gemeinsame Cluster.
    Die TU München hat übrigens viel Transparenz bewiesen und den kompletten Antrag auf englisch für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, so dass jetzt auch klar wird was für ein Konzept hier prämiert wurde. Als interessierte Leserin zum Thema Exzellenzstrategie würde ich mir so viel Offenheit auch von den anderen Universitäten wünschen.

  • #7

    Moritz Colmant (Samstag, 20 Juli 2019 10:03)

    Ein toller Artikel mit einer Detailtiefe wie ich Sie in den herkömmlichen Tages- und auch WochenZEITungen vermisse. Vielen Dank!

  • #8

    Micha (Samstag, 20 Juli 2019 11:35)

    Was dieser Exellenzquark an den Unis für Zeit und Ressorcen gefressen hat. Stattdessen wäre es der Hochschullandschaft besser ergangen, hätte man breiter Mittel erhöht und verteilt. Aber nein, man braucht ja noch einen weiteren Konkurrenzmechanismus zwischen den Unis, an dem man sich abarbeiten soll.

  • #9

    so (Montag, 22 Juli 2019 08:29)

    Vielen Dank für den Beitrag. Glückwunsch an alle. Ein wenig wundere ich mich aber über den Erfolg des KIT. Kein eigener Cluster und die Past-Perfomance Indikatoren (sehr schön nochmal beim Statistischen Steckbrief des Statistischen Bundesamtes von heute zu sehen) sind sehr mau, einzige Exzellenzuni mit deutlichem Drittmittelrückgang in den letzten Jahren (was bei insgesamt steigenden Drittmittel fast schon eine Leistung ist). Da war die Prosa im Antrag wohl sehr gut.

  • #10

    Edith Riedel (Montag, 22 Juli 2019 13:24)

    Was bedeutet das hohe Fördervolumen in der zweiten Förderlinie denn nun für die bislang gesperrten Mittel in den Clusterbewilligungen? Wird das den Clustern jetzt, zuzüglich zu den sowieso schon durchgeführten Kürzungen, auch noch weggenommen?

  • #11

    Th. Klein (Dienstag, 23 Juli 2019 16:26)

    Letztlich gab es keine Überraschungen bei der Entscheidung. Zu Hamburg muss man wissen, dass man sich 2015 vom Wissenschaftsrat hat prüfen lassen, vgl. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der MINT-Bereich an den Hochschulen des Landes Hamburg (Drs. 5085-16), Januar 2016. Damit hatte man natürlich eine Basis für den Antrag und was der WR lesen möchte. Zum KIT muss man wissen, dass es schon letztes Mal in der Förderlinie Zukunftskonzept gefördert worden wäre, aber die Voraussetzungen von Exzellenzcluster-Graduiertenschule fehlte. Dass es Köln nicht mehr geworden ist, na ja, die hatte damals ja kaum jemand auf dem Zettel, so dass für viele die Welt nun wieder in Ordnung ist (zu Bremen: dito).

  • #12

    Antwort an so: (Donnerstag, 25 Juli 2019 10:14)

    Bemerkungen bzgl. Ihrer Feststellungen:
    Die Exzellenzförderung von Runde 1 ist für das KIT genau im Jahr 2012 ausgelaufen, das hat einiges bei den Drittmitteln ausgemacht. Weiterhin weisen sowohl die TU Berlin als auch die Uni Heidelberg ein Minus bei den Drittmitteln für den Zeitraum seit 2012 auf (für beide gab es jedoch im Gegensatz dazu kein Auslaufen der Exzellenzförderung). Selbst die TU München konnte sich in dem Zeitraum nur um deutlich unterdurchschnittliche 2% bei den Drittmitteln steigern. Das Gesamtbudget des KIT hat sich von 2012 bis 2017 übrigens deutlich gesteigert (784,4 Mio. € zu 901,8 Mio. €). Weiterhin haben bspw. weder die TU noch die LMU München einen eigenen Cluster durchbekommen (war ja auch keine Voraussetzung für den Wettbewerb). Rankingtechnisch zählt das KIT zu den führenden deutschen Universitäten. Außerdem wurde ja hauptsächlich das Zukunftskonzept ausgezeichnet.