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Vorbild Helmholtz?

Seit zwei Jahren müssen sich die Forschungszentren mit schmerzhaften Haushaltsauflagen herumschlagen. Sie tun es außerordentlich erfolgreich. Droht den Hochschulen deshalb bald ähnliches Ungemach?

ES IST EIN ERFOLG, doch Deutschlands größte Forschungsorganisation will sich nicht mit ihm rühmen. Im Gegenteil: Von sich aus, so scheint es, würde die Helmholtz-Gemeinschaft gar nicht über ihn reden.

 

Vor wenigen Tagen hat das Bundesfinanzministerium beim Haushaltsausschuss des Bundestages beantragt, die Haushaltssperren auch für die letzten fünf  betroffenen Helmholtz-Zentren aufzuheben. Es geht um über 100 Millionen Euro, die diese fünf Forschungseinrichtungen jetzt ausgeben dürfen. 

 

Sie dürfen es, weil auch sie die Auflage der Politik erfüllt haben: Wie schon im Vorjahr war im 2020er-Bundeshaushalt vorgesehen, dass 17 der 19 Zentren ein Viertel ihrer Betriebsmittel erst dann bewilligt bekommen sollten, wenn sie die ersten 75 Prozent nachweislich verbraucht haben. Ausgenommen waren lediglich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das sich im Zuständigkeitsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums befindet, und das erst zum 1. Januar 2019 in die Gemeinschaft aufgenommene Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (CISPA).

 

Die vom Haushaltsausschuss erstmals im Herbst 2018 verhängte Sperre der Betriebsmittel sollte die Zentren zwingen, ihre sogenannten Selbstbewirtschaftungsmittel abzubauen – also Geld auszugeben, das sie aus den Vorjahren noch im Budget stehen hatten. Der vor allem auf Berichte des Bundesrechnungshof basierende Vorwurf: Die Zentren hätten so viel Geld, dass sie mit dem Ausgeben nicht hinterherkämen und Steuermittel in dreistelliger Millionenhöhe vor sich herschöben.

 

Helmholtz: "Erhebliche
Fortschritte gemacht"

 

Die ersten vier Forschungseinrichtungen erhielten bereits im Sommer 2020 vom Haushaltsausschuss grünes Licht, im September folgten die nächsten acht. Jetzt sieht die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Bettina Hagedorn, die Auflagen auch bei den letzten fünf Zentren nachweislich erfüllt, weshalb sie, wie es in ihrem aktuellen Schreiben an den Haushaltsausschuss heißt, "beabsichtige, die Sperren der Ausgaben aufzuheben", und dafür um Einwilligung bitte. Insgesamt fließen jetzt über eine halbe Milliarde Euro zunächst zurückgehaltener Mittel an die 17 Helmholtz-Zentren.

 

Die Anträge aus dem Finanzministerium zeigen also: Helmholtz hat es geschafft. Was – obgleich erst auf Nachfrage – auch die Geschäftsführerin der Forschungsorganisation, Franziska Broer, bestätigt: "Der Haushaltsausschuss hat mit dem Sperrvermerk seinerzeit ein Signal an die Helmholtz-Gemeinschaft gesendet, die Selbstbewirtschaftungsmittel im Betriebstitel zurückzufahren. Seitdem haben unsere Zentren erhebliche Fortschritte gemacht und diese Selbstbewirtschaftungsmittel kontinuierlich abgebaut."

 

Allerdings um den Preis genau jener budgetären Freiheit und Flexibilität, wie sie das Ende 2012 in Kraft getretene Wissenschaftsfreiheitsgesetz eigentlich vorsieht – vor allem eben in Form von Selbstbewirtschaftungsmitteln und in der Möglichkeit für Forschungsorganisationen, nicht verausgabte Budgetanteile ins nächste Jahr mitnehmen zu können. Als Ende 2018 die Sperre erstmals drohte, hatte Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler gewarnt: Die Auflage würde  "bedeuten, dass wichtige Leuchtturmprojekte aus der Forschung nicht realisiert werden können."  Als Folgen befürchtete Wiestler "keine unmittelbare Kürzung der Mittel, jedoch einen Eingriff in deren Verwendungsmöglichkeiten".

 

Was erklärt, warum Helmholtz jetzt den Erfolg seiner Zentren nicht wirklich feiern möchte. Das war im Vorjahr nicht anders. Zumal der Erfolg dazu führt, dass die Haushaltspolitiker an dem Instrument gefallen gefunden haben und die Sperre im Jahr 2021 zum dritten Mal verhängen wollen. Den Beweis deshalb nicht realisierter Leuchtturmprojekte ist Helmholtz ihres Erachtens bislang schuldig geblieben.

 

Rechnungshof fordert jetzt auch
Sperren für die Hochschulen

 

Auch der Rechnungshof, der mehrfach eine "Bugwelle" nicht verbrauchter Steuermittel angeprangert hatte, dürfte sich erneut bestätigt fühlen. Und genau an der Stelle sollten auch die Hochschulen aufhorchen. Denn auch ihnen hatte der Bundesrechnungshof erst vor wenigen Tagen vorgeworfen, Ausgabenreste aus dem Hochschulpakt zu bunkern. 

 

Für 2018 bezifferten die Prüfer die nicht ausgegebenen Pakt-Gelder auf knapp 3,7 Milliarden Euro. Und sie fügen hinzu: "Da die Angaben nicht alle Hochschulpakt-Mittel umfassten, dürfte die Ausgabenreste tatsächlich sogar noch höher sein." Zum Vergleich: Die Helmholtz-Zentren hatten Ende 2017 644 Millionen Euro vor sich hergeschoben – was dem Haushaltsausschuss bereits zum Handeln reichte.

 

Und wie bei Helmholtz, fordert der Rechnungshof, solle der Bundestag jetzt bei den Hochschulen verfahren – und wegen der vermeintlichen Fehlentwicklungen beim Hochschulpakt die Auszahlung weiterer Tranchen an die Länder schon vom kommenden Jahr an sperren. Denn angesichts von milliardenschweren Ausgabenresten erscheine eine zweckentsprechende Verwendung der Bundesmittel auch künftig unrealistisch. Im Gegenteil: Eine Vielzahl von Einzelprogrammen, verbunden mit der teilweisen Integration der Paktmittel in die Grundfinanzierung der Länder, habe dazu geführt, dass sich der Kern des Hochschulpakts – die Finanzierung zusätzlicher Studienanfängerplätze und die Ermöglichung eines hochwertigen Studiums – "bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst" habe. Weshalb der Rechnungshof schlussfolgert: "Weitere Bundesmittel könnten den Ländern nur dann zugewiesen werden, wenn sie notwendig sind und die Ausgabenplanungen den Zwecken des Hochschulpakts entsprechen."

 

Aus dem Haushaltsausschuss ist zu hören, dass die Abgeordneten im November Konsequenzen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes beraten wollen. Die Entwicklung bei Helmholtz seit den Haushaltssperren, heißt es in dem Zusammenhang, habe man mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Diethelm Feuerstein (Montag, 12 Oktober 2020 10:05)

    Die Verlockung, die an Hochschulen nicht ausgegebenen
    Mittel bei der Paktmitteln zu sparen, ist aus Sicht der
    Politik vielleicht verständlich. Ein genauerer Blick in die
    Bücher der Fakultäten dürfte aber zeigen, daß die "Ausgabereste" sehr oft einen banalen Grund haben, z.B.
    Mittel für Berufungen etc. etc.

  • #2

    HGH (Montag, 12 Oktober 2020 19:31)

    Vorsicht. Jetzt sind Vernunft und Sachverstand gefragt, Tugenden, die ich den Haushältern auf ihrem Feld zuschreibe. Sie sollten Gleiches auch für das Hochschulmanagement tun. Der Bericht bezieht sich auf das Jahr 2018. War es damals nicht höchst rational angesichts der vollkommen ungewissen Zukunft des HSP und seines degressiven Verlaufs ab 2021 Vorsorge zu treffen für Dämpfungsmassnahmen? Mindestens eine aktuelle Überprüfung der bedenkenswerten Thesen des Rechnungshofs unter Einbeziehung der bereits fest verplanten Rücklagen wäre käme vor haushaltspolitischen Schnellschüssen. Anders als bei Helmholtz, wo die Länder lediglich 5% zahlen, könnten sich bei einer Sperre auch die Länder berechtigt fühlen, ihren Anteil an den Mitteln des Zukunftsvertrages zurückzuhalten - und die Studierenden sind da, die Projektstellen sind endlich zu Dauerstellen geworden, die zusätzlichen dauerhaften Personalkosten müssen finanziert werden. In einer solchen Situation sich auch nur mit einer strafenden Haushaltsperre des Haushaltsauschusses intellektuell anzufreunden, wäre ein Spiel mit dem Feuer.