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Kritik an Stark-Watzingers Reformpaket

Die vom Bundeskabinett beschlossene BAföG-Erhöhung sei nicht der versprochene große Wurf, sie reiche nicht einmal für den Inflationsausgleich, kritisieren Studierende und Opposition. Die Ministerin verspricht: Es kommt noch mehr.

DER GROSSE WURF war angekündigt.Teil 1 der im Ampel-Koalitionsvertrag versprochenen umfassenden BAföG-Reform reiche jedoch nicht einmal für den Inflationsausgleich, kritisierten unter anderem das Deutsche Studentenwerk (DSW) und der Studierendenverband fzs. Das war im Februar, als der erste Referentenentwurf durchgesickert war. Doch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) besserte trotzdem nicht mehr nach, verwies stattdessen auf den zweiten geplanten Reformschritt, der die Ausbildungsförderung auch strukturell stark verändern soll. Ihre Pläne erläutert sie hier im Interview. Gestern beschloss das Bundeskabinett dann den ersten Teil des Vorhabens.

 

Um fünf Prozent soll der Bedarfssatz für Studierende vom 1. August an steigen, konkret: von 427 auf 449 Euro. Immerhin: Die für den BAföG-Bezug maßgeblichen Elternfreibeträge will die Bundesregierung um 20 Prozent anheben, dazu die Altersgrenze für BAföG-Empfänger auf 45 heraufsetzen. BAföG-Empfänger, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, bekommen außerdem künftig 360 statt 325 Euro für die Miete.

 

"Wir fordern Ministerin Stark-Watzinger dazu auf, das Versprechen einer BAföG-Reform einzulösen und es nicht schon wieder bei einer kleinen Novelle zu belassen", sagte fzs-Vorstandsmitglied Daryoush Danaii. Die geplanten Veränderungen werden erneut "den Großteil der Studierenden nicht erreichen" und seien "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein". Zugleich kritisierte der Studierendenverband, dass die Bundesregierung den Heizkostenzuschuss wegen der gestiegenen Energiekosten für Studierende an die BAföG-Berechtigung geknüpft habe, so dass nur elf Prozent überhaupt Hilfen erhielten. "Die restlichen frieren angesichts der steigenden Energiekosten", sagte Lone Grotheer, ebenfalls fzs-Vorstandsmitglied.

 

"Die Inflation frisst die Erhöhung
gleich wieder auf"

 

DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl sprach von einem ersten "Schritt in Richtung einer strukturellen BAföG-Reform", nannte die Anhebung der Bedarfssätze um fünf Prozent aber "viel zu gering" und eine "eklatante Schwachstelle" der Novelle. "Die Inflation frisst diese Erhöhung gleich wieder auf. Sie lag bereits im März 2022 bei mehr als sieben Prozent." Die Bundesregierung dürfe den Studierenden keinen Kaufkraft-Verlust zumuten, daher müssten die Sätze um mindestens zehn Prozent erhöht werden. "Das BAföG muss wirklich zum Leben reichen."

 

Die Ampel-Regierungsfraktionen lobten den Beschluss dagegen. Das BAföG werde "endlich wieder zu einem zentralen Werkzeug zur Erfüllung des Aufstiegsversprechens", hieß es von der FDP. Die Grünen sagten, die Erhöhung der Freibeträge, des Bedarfssatzes und der Wohnkostenpauschale würden "im ersten Schritt der großen BAföG-Reform" erreichen, dass mehr finanzielle Unterstützung bei mehr Studierenden ankomme und die Preiserhöhungen für Energie und Lebensmittel abgefedert würden, die SPD verkündete: "Wir öffnen das BAföG so stark wie noch nie."

 

Die Linke bezeichnete es hingegen als "unverständlich, dass die Anhebung der BAföG-Sätze fern von den tatsächlichen Anforderungen" bleibe. Die Inflation galoppiere, doch BAföG-Satz und Wohngeld liefen weiter hinterher. Sehr positiv sei immerhin die Ausweitung der Altersgrenze und der Freibeträge.

 

Bundesministerin Stark-Watzinger sagte: "Wir wollen jetzt die Trendwende schaffen und die Zahl der BAföG-Empfänger endlich wieder erhöhen." Eine Formulierung, die allerdings ihre Vorgängerinnen auch immer wieder benutzt hatten, zuletzt Anja Karliczek (CDU), als zwischen August 2019 und August 2021 die Elternfreibeträge um kombiniert 17 Prozent angehoben wurden.Der Höchstfördersatz stieg damals in zwei Schritten um ebenfalls 17 Prozent und die Bedarfssätze um gut sieben Prozent. Die Zahl der BAföG-Empfänger war in der Folgezeit trotzdem weiter gesunken. 

 

Stark-Watzinger: Keine BAföG-Erhöhungen
mehr nach Kassenlage

 

Gefragt, was mit der im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition angekündigten "regelmäßigen" BAföG-Erhöhung konkret gemeint sei, antwortete die Ministerin: "Wir entscheiden nicht nach Kassenlage über die nächste Anhebung, sondern es wird einen regelmäßigen Prozess geben, einen sinnvollen Rhythmus."  Das Interview mit Stark-Watzinger erschien gestern zuerst im DSW Journal des Deutschen Studentenwerks.

 

Ihr gehe es darum, den ersten Reform-Schritt schnell umzusetzen. Weitere "Anpassungsnotwendigkeiten" ergäben sich schon dadurch, "dass wir in einem zweiten Schritt das BAföG elternunabhängiger machen wollen." Sobald das Bundesfamilienministerium die Kindergrundsicherung vorgelegt habe, wolle sie den Reformvorschlag ihres Hauses auf den Weg bringen. Er beinhalte, "dass die Kindergrundsicherung direkt an die Studierenden ausgezahlt wird. Dann haben sie einen Grundsockel der Studienfinanzierung, über den sie selbst verfügen können."

 

Der ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte BAföG-Notfallmechanismus sei schon in der Erarbeitung, sagt Stark-Watzinger weiter. Wenn das parlamentarische Verfahren so laufe, wie sie es sich wünsche, könne der Notfallmechanismus bereits zum kommenden Wintersemester 2022/2023 greifen. "Alles, was wir als Ministerium selbst machen können, gehen wir jetzt direkt an", sagte Bettina Stark-Watzinger.

 

Im gestrigen Kabinettsbeschluss war die Einführung eines Notfallmechanismus indes noch nicht enthalten.



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