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Nachschlag fürs Bafög

Die Ampelfraktionen beschließen nochmals leicht erhöhte Fördersätze. Faktisch ist der Unterschied nicht groß, aber das Signal ist wichtig.

Bild: holivio.de.

GESTERN HABEN SICH die Ampelfraktionen darauf geeinigt, heute geht der Plan in den Bildungsausschuss, und morgen schon soll der Bundestag ihn beschließen: einen Nachschlag für die BAföG-Novelle. 

 

Die Freibeträge sollen laut Änderungsentwurf, der mir vorliegt, um 20,75 statt um 20 Prozent steigen, die Bedarfssätze und der Wohnzuschlag um 5,75 statt um fünf Prozent. Damit wollen SPD, Grüne und FDP verhindern, dass die bereits geplanten Erhöhungen zum 1. August wegen der unerwartet hohen Inflation verpuffen. Genau davor hatten unter anderem Studierendenverbände gewarnt.

 

Die bundesweite Teuerungsrate lag im Mai laut Statistischem Bundesamt bei 7,9 Prozent. Der gestern beschlossene Zuschuss kompensiert damit rechnerisch nicht einmal die zusätzliche Preissteigerung von zwei Monaten. Ob die tatsächliche Inflation aus Sicht der Bedürfnisse von Studierenden zurzeit höher oder niedriger liegt als dieser Durchschnittswert, ist unklar. In jedem Fall dürfte auch sie beträchtlich sein – und der Nachschlag mehr symbolischer Natur.

 

Insofern sollten die Parlamentarier sich auch nicht zu stark dafür feiern, und es mutet schon etwas eigenartig an, wenn die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ria Schröder, laut Business Insider die Erhöhung der Freibeträge "in dieser Höhe in der Geschichte des Bafög einmalig" nennt und verkündet, damit würden "wieder mehr Menschen in Ausbildung Zugang zu diesen wichtigen Unterstützungsleistungen" erhalten.

 

Ampelfraktionen verlangen
regelmäßige Erhöhung der Sätze

 

Das freilich wäre angesichts einer Quote von zuletzt elf Prozent aller Studierenden, die überhaupt noch die Ausbildungsförderung bezogen, nun wirklich keine Überraschung und noch keine besondere bildungspolitische Errungenschaft. Die Frage ist, wie stark und vor allem wie nachhaltig die Zahl der Bafög-Empfänger wachsen wird, und hier ist inzwischen selbst in der Ampel-Koalition der Optimismus überschaubar. 

 

Deshalb verlangen die Ampelfraktionen auch in einem Entschließungsantrag (der nicht Teil der Gesetzesnovelle ist), dass die Bafög-Sätze künftig regelmäßig steigen sollen. Dafür soll das Bundesbildungsministerium einen Mechanismus entwickeln, der dann Teil der nächsten Novelle werden soll. Zudem sollen die Freibeträge für Hinzuverdienste automatisch an die Entwicklung der Minijob-Grenze gekoppelt werden. "So kann verhindert werden, dass wieder jahrelang eine Erhöhung ausbleibt", sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Nina Stahr. Das sei besonders wichtig, "um mit der Lebensrealität der Studierenden Schritt zu halten".

 

Die Forderungen sind nicht neu, waren aber an vergangenen Bundesregierungen stets abgeprallt. Und auch die jetzige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach sich noch im April gegen einen Automatismus bei den Erhöhungen der Bafög-Zahlungen aus. Das höre sich immer so schön an, sagte sie im Interview, "hat aber auch den Nachteil, dass wir dann nicht mehr auf besondere Entwicklungen reagieren und auch mal mehr machen können, wenn es nötig ist".

 

Ein Argument, das auch bei Stark-Watzingers Vorgängerinnen immer ein wenig hohl klang und zudem dem Realitätstest nicht standhält: Seit 2015 gab es für Studierende vier Nullrunden, für Rentner maximal eine. Und während die Renten seit 2015 im Westen um 25,9 Prozent und im Osten um 34,6 Prozent zulegten, stieg das Bafög im selben Zeitraum um lediglich 21,2 Prozent – die für dieses Jahr geplanten Erhöhungen bereits jeweils eingerechnet.  

 

Immerhin hatte auch Stark-Watzinger "einen regelmäßigen Prozess" versprochen, einen "sinnvollen Rhythmus", es werde künftig nicht mehr "nach Kassenlage" über die nächste Bafög-Anhebung entschieden. Die Verhandlungen zwischen BMBF und Ampel-Koalition, was genau das bedeutet, dürften also spannend werden – vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltssituation (auch wenn die ja vermeintlich keine Rolle mehr spielen soll).

 

Ein Signal, das mehr wert ist
als leicht höhere Fördersätze

 

Insgesamt senden die Ampelfraktionen kurz vor Verabschiedung der Bafög-Novelle ein Signal, das mehr wert ist als die leichte Erhöhung der Fördersätze: Wir sehen, dass bei der Ausbildungsförderung noch mehr geschehen muss, und wir bleiben dran. 

 

Im BMBF dürfte man sich durch die Aktion indes ein wenig vorgeführt fühlen, auch wenn man dies offiziell sicher nicht so sagen wird. Denn plötzlich wirkt man im Ministerium gegenüber den Studierenden knausriger als im Parlament. Weil der 2022er Haushalt bereits umgesetzt ist, wird die weitere Erhöhung der Bafög-Sätze übrigens durch eine Umschichtung erreicht: Die bereits vorgesehene Erhöhung des anrechnungsfreien Schonvermögens auf 45.000 Euro wird nach Alter gestaffelt und soll erst ab 30 in voller Höhe gelten.

 

Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag eine grundsätzliche Bafög-Reform angekündigt. Im ersten Teil wird neben höheren Bafög-Sätzen zunächst unter anderem ein Notfall-Mechanismus umgesetzt, dazu das erwähnte höhere Schonvermögen und eine Altersgrenze von künftig 45. Im zweiten Schritt später in der Legislaturperiode soll dann unter anderem ein familienpolitisches Kernprojekt der neuen Ampel-Koalition Wirklichkeit werden: Der elternunabhängige Garantiebetrag der geplanten neuen Kindergrundsicherung soll künftig direkt an alle Volljährigen in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Was die Ausbildungsförderung deutlich elternunabhängiger machen würde.



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