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"Die Annahme, die den Fragen zugrunde liegt, ist unzutreffend"

Wie das BMBF einen umfangreichen Fragenkatalog der Unions-Opposition zu seinen Sparmaßnahmen kontert – und gleichzeitig offen lässt, wohin das Ministerium forschungspolitisch steuert.

JETZT LIEGEN SIE VOR, die Antworten der Bundesregierung auf 71Fragen der Bundestagsopposition. Viele Sätze und Zahlen zu gekürzten, gestoppten oder nicht verlängerten BMBF-Forschungsprojekten, die in der Gesamtschau allerdings wenig Neues bringen. 

 

Eingereicht hatte den Fragenkatalog Mitte August die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion – unmittelbar nach einer Empörungswelle an Hochschulen und Forschungseinrichtungen um Sparmaßnahmen des Ministeriums von Bettina Stark-Watzinger (FDP). Erst hatte diese wochenlang offen gelassen, wo genau wieviel gespart und gestrichen werden sollte, um dann Ende Juli Klarheit zu schaffen. Zumindest für die meisten. Allerdings mischte sich in die Erleichterung derjenigen, deren Förderlinien und Projekte (obgleich in vielen Fällen verzögert und gekürzt) jetzt doch starten oder verlängern dürfen, der Frust der anderen, die leer ausgingen. Obwohl sie von den Gutachtern ebenfalls eine Förderempfehlung und vom Projektträger teilweise bereits mündliche Zusagen erhalten hatten. Hinzu kommt: Einige Projekte hängen bis heute in der Warteschleife.

 

Ideal für eine Oppositionsfraktion, hier nachzubohren – auch wenn das Ministerium, um das es geht, bis vor neun Monaten in der eigenen Hand war und Ministerin Stark-Watzinger und ihre Hausleitung nicht müde werden zu betonen, dass der aktuelle Spardruck auch Folge des Wirtschaftens ihrer Vorgängerin Anja Karliczek (CDU) sei.

 

Federführend für die Anfrage der Unionsfraktion war deren wissenschaftspolitischer Sprecher Thomas Jarzombek, in der Vorbemerkung zu den 71 Fragen hieß es: Ein halbes Jahr nach Amtsantritt der Bundesregierung verfestige sich der Eindruck, dass die Forschungs- und Innovationspolitik im BMBF unter der Leitung Stark-Watzingers "keine Priorität" habe. Diese Entwicklung gebe "allen Grund zur Sorge" und komme "zur Unzeit".

 

Das BMBF bleibt bei seiner
Argumentationsstrategie

 

Ein Eindruck, den die Bundesregierung in der Vorbemerkung zu ihren Antworten entschieden zurückweist. Unterzeichnet hat sie der parlamentarische BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP). Nach den Belastungen der Corona-Pandemie stellten der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen eine Zeitenwende dar und brächten "große Herausforderungen" inklusive einer in allen Bereichen schwierigen Haushaltslage. "Ungeachtet dessen" habe die neue BMBF-Leitung dafür gesorgt, dass dem Ministerium in kommenden Jahren wieder steigende Budgets zur Verfügung stünden – nachdem die alte Regierung etwa noch mit einem deutlichen Absinken für dieses Jahr geplant habe. In Wirklichkeit hätten also bei der Fortsetzung der Haushaltsplanung der alten CDU-Leitung dem Ministerium "massivste Einschnitte" gedroht. 

 

Und der Verweis auf die Hinterlassenschaften der Vorgänger geht noch weiter: Ein Großteil der BMBF-Haushaltsmittel sei durch Pakte mit garantiertem Aufwuchs bereits gebunden, was zugunsten der zuverlässigen Forschungsförderung sinnvoll sei, doch habe die Vorgängerregierung zusätzlich ihre eigenen Projekte nicht ausreichend gegen Kostensteigerungen abgesichert. Hinzu kämen jetzt die weiteren erheblichen Preissteigerungen bei Baukosten, Infrastruktur und Unterhalt, und bei manchen länderübergreifenden Forschungsprojekten müssten auch die weggefallenen russischen Beiträge kompensiert werden. Das Ergebnis: Eventuell könne "auch in Bereichen, die sogar eine Steigerung der Mittel erfahren haben", nicht alles so umgesetzt werden "wie bisher angenommen". 

 

Trotzdem, das betont das BMBF mehrfach und fast gebetsmühlenartig in seinen Antworten, habe es als zentrale Richtschnur gehabt, dass "bereits bewilligte Projekte weder gestrichen noch gekürzt werden". Auch seien keine aktuell laufenden Forschungsvorhaben aus Kostengründen abgebrochen worden. "Es gibt weder einen Bewilligungsstopp noch einen Förderstopp laufender Projekte."

 

All das hatte Forschungsministerin Stark-Watzinger seit Ende Juli bereits zu verschiedenen Gelegenheiten gesagt und zusätzlich darauf hingewiesen, dass etwaige mündliche Finanzierungszusagen durch Projektträger keine Zusagen im rechtlichen Sinne seien. Auch diese Bemerkung wiederholt das BMBF in seinen Antworten an die Unionsfraktion einmal mehr: "Eine verbindliche Förderzusage erfolgt erst mit einem entsprechenden schriftlichen Bescheid."

 

Wie war das jetzt mit
dem "schnellen Impact"?

 

Auch die Frage, nach welchen Kriterien das Ministerium entschieden habe, welche Projektanträge innerhalb einzelner Förderungen jetzt doch nicht gefördert werden sollten, beantwortet das BMBF wie in früheren Statements: auf der Grundlage der wissenschaftlichen Begutachtungen. So sei im Bereich "Rechtsextremismus und Rassismusforschung" die Förderung einer Nachwuchsgruppe, die als nur "eingeschränkt förderfähig" bewertet worden sei, nicht bewilligt worden, alle 24 uneingeschränkt zur Förderung empfohlenen Vorhaben würden dagegen berücksichtigt. 

 

Auf Fragen der CDU/CSU ob "die kürzungsbedingt freigesetzten Fördermittel" in den geplanten Aufbau der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) umgeschichtet würden, und wenn ja, auf welcher Basis, lautet die Antwort: "Die Annahme, die den Fragen zugrunde liegt, ist unzutreffend." Es würden ja keine laufenden Projekte aus Kostengründen abgebrochen, es gebe daher auch keine "auf diese Weise" eingesparten Mittel "und daher auch keine Maßnahmen, denen sie zugutekommen". 

 

Diesbezügliche Fragen der Unionsfraktion zielten unter anderem auf Schreiben ab, in denen von Projektträger-Seite  auf angeblich neue inhaltliche Schwerpunktsetzungen in der BMBF-Forschungsförderpolitik verwiesen worden war – als Grund für abgelehnte Anträge. In der Wissenschaftsszene hatte daraufhin der Hashtag "#SchnellerImpact" Karriere gemacht. Ministerin Stark-Watzinger hatte einen solchen Prioritätenwechsel stets bestritten, auch in den jetzigen Antworten der Bundesregierung wird er nicht bestätigt – im Gegenteil. "Eine neue Schwerpunktsetzung hat nicht stattgefunden", betont das BMBF etwa in Antwort auf Frage 13. Und auf Frage 31: "Grundlagenforschung ist ein zentraler Bestandteil der Förderung des BMBF. Das BMBF verfolgt keine Schwerpunktsetzung hin zu Forschungsaktivitäten mit einem schnellen Impact". 

 

Gleichzeitig kontert das Ministerium immer wieder Fragen nach von Kürzungen oder revidierten Förderentscheidungen betroffenen Projekten mit Formulierungen wie: "Da keine Förderentscheidungen revidiert wurden, gibt es auch keine betroffenen Projekte."

 

CDU: BMBF vertritt weiter
die alte Schutzbehauptung

 

Nach einzelnen Förderlinien und Projekten gefragt, spricht das BMBF von einer "Anzahl von Stellen im einstelligen Bereich", die etwa vom "Verzicht auf die Bewilligung von einzelnen Anschlussförderungen" im Themenbereich "Kulturelle Vielfalt, Kulturelles Erbe" betroffen gewesen seien. Bezogen auf das Verbundvorhaben "Parvenue" und die nicht bewilligte Anschlussförderung heißt es, auch zu diesem sei zuvor keine schriftliche Zustimmung des BMBF erfolgt. Und: "Die Möglichkeiten zur Finanzierung der Anschlussförderung wurden eingehend geprüft und sind nicht gegeben. Eine Revision der Entscheidung ist daher nicht möglich."

 

Die Entscheidung, das gesamte Programm "BioTip" vor der nächsten Förderphase zu beenden, will das Ministerium trotz entsprechender Forderungen von Projektteilnehmern ebenfalls nicht zurücknehmen. Und weil kein Förderstopp vorliege und Projekte wie beantragt beendet werden könnten, erwarte man auch keine negativen Folgen und langfristige Auswirkungen im Bereich der Forschung oder in der Zusammenarbeit mit Partnerländern etwa in Südamerika. 

 

CDU-Wissenschaftspolitiker Thomas Jarzombek kritisierte die BMBF-Antwort. "Die Ministerin hat leider eine weitere Chance vergeben, bei ihren Förderentscheidungen für Transparenz zu sorgen und ihre Strategie nachvollziehbar zu erklären." Weiter werde die Schutzbehauptung vertreten, es gebe keine Kürzungen oder Streichungen."Die scharfe Kritik aus der Wissenschaftsgemeinschaft und die vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich zu Wort gemeldet haben und von den Förderentscheidungen der Ministerin betroffen sind, sprechen jedoch Bände." Es sei inakzeptabel, dass die Wissenschaftsgemeinschaft weiter über die Ziele und die Strategie des BMBF bewusst im Dunkeln gelassen werde.

 

Im zweiten Teil der BMBF-Antwort geht es entsprechend der Unionsanfrage kleinteiliger zu. Es geht unter anderem um das Besserstellungsverbot, um KI-Professuren und Kompetenzzentren und die Bedeutung neuer Schlüsseltechnologien.

 

Nebliges zur geplanten
"Zukuntsstrategie"

 

Zur angekündigten "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation", von der sich viele Beobachter mehr Klarheit über den künftigen forschungspolitischen Kurs der Ampel-Regierung erhoffen, schreibt das BMBF lediglich: Ein Textentwurf zu diesen "großen Leitlinien der Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung" werde derzeit unter Federführung des BMBF zusammengeführt. Dieser werde dann Gegenstand der Ressortabstimmung und der Verbändebeteiligung, eine Veröffentlichung von Eckpunkten sei nicht vorgesehen. Nur so viel: "Der Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung liegt ein ganzheitliches Innovationsverständnis zugrunde, das eine große Bandbreite an Innovationen, wie zum Beispiel technologische und nicht-technologische Innovationen, neue Geschäftsmodelle und Soziale Innovationen, umfasst."

 

Ausführlich äußert sich die Bundesregierung unter anderem auf Fragen zur Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): Statt der gesetzlichen Vorgabe an die DFG aus dem Bundeshaushaltsgesetz, ein Prozent der Bundesmittel für die Förderung von Fachhochschulen auszugeben, seien es etwa 2021 nur 0,46 Prozent gewesen. Erwäge die Bundesregierung deshalb eine Mittel-Sperre? Die Antwort: "Zum gegenwärtigen Zeitpunk" seien keine über den Status Quo hinausgehenden Vorgaben seitens der Bundesregierung geplant. 

 

Auch nach Plänen und nach der Konstruktion der DATI und ihrem angedachten Verhältnis zur Grundlagen-Forschungsförderung der DFG befragte die Unionsopposition die Bundesregierung. Auch hier klingen die Antworten teilweise noch neblig. Eine trennende Abgrenzung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung im Sinne eines Gegensatzes halte man mit Verweis auf eine entsprechende Stellungnahme des Wissenschaftsrats nicht mehr für zeitgemäß. Ansonsten befinde man sich mitten im Prozess aus bereits stattgefunden Stakeholder-Dialogen, deren Ergebnisse in die Konzepterstellung einflössen, und weiteren geplanten Konsultationen – auch mit den Ländern "nach dem Grad ihrer Betroffenheit".  Den geforderten Zeitplan zum Aufbauprozess legte das BMBF nicht vor. 

 

Zur Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) teilt das Ministerium mit, die im Koalitionsvertrag verankerte Evaluation solle "zeitnah" ausgeschrieben werden, erste Ergebnisse sollten noch in dieser Legislaturperiode vorliegen. Und: "Die Bewertung der (erfolgreichen) Entwicklung von Sprunginnovationen bedarf einer Entwicklung über mehrere Jahre. Eingeräumte Freiheiten sollen im Zuge der Evaluation bewertet werden."

 

Schließlich äußert sich das BMBF auch zu den Energiesorgen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen ("die Bundesregierung ist sich der schwierigen Situation bewusst"), ein themenbezogener Rettungsschirm für besonders energieintensive Forschungsaktivitäten sei derzeit nicht geplant. 

 

CDU-Mann Jarzombek kommentiert: "Das Ministerium wird auf eine Weise geführt, die man eher in einem kommunalen Einwohnermeldeamt erwartet würde." Es werde "verwaltet, aber nicht gestaltet". Es gebe keine Person in der Spitze des Ministeriums, die eine Idee habe, wo man politisch hinwolle. 



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Kommentare: 1
  • #1

    Th. Klein (Donnerstag, 01 September 2022 10:18)

    Überraschend sind die Antworten aus dem BMBF nicht. Mehr war hier nicht zu erwarten. Auf eine aggressive Fragetechnik der Opposition kann kaum anders reagiert werden. Und wenn man einzelne Fragen nach strategischen Ziele etc. beantwortet hätte, dann wären eben diese im Nachgang kritisiert worden. Und somit - wie in der Vergangenheit - bleiben die Antworten neblig und das Ganze bloß ein politisches Spiel.