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Marketinggeklapper

Springer Nature verkauft eine vertraglich vorgesehene DEAL-Verlängerungsoption als Erfolg. Die Hochschulrektorenkonferenz hielt sich ihrerseits mit der Kommentierung zunächst zurück – aus gutem Grund.

Website des Projekts DEAL. Der aktuellste Ertrag stammt von März 2021 (Screenshot). 

DAS ABKOMMEN ZWISCHEN dem Wissenschaftsverlag Springer Nature und dem deutschen Projekt DEAL wird um ein viertes Jahr verlängert – "aufgrund des Erfolgs der transformativen Vereinbarung", wie Springer Nature am Dienstag mitteilte. Auf der DEAL-Website waren zunächst keine Informationen zu der Übereinkunft zu finden, auch eine Pressemitteilung gab die bei DEAL federführende Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bis Mittwochmittag nicht heraus. Dafür ein DEAL-internes Rundschreiben.

 

Der Anfang 2020 unterzeichnete Vertrag umfasst laut Springer Nature 2.500 Zeitschriften, die 486 Institutionen und Einrichtungen in Deutschland zur Verfügung stünden. Und er besiegelte die Übereinkunft, pro Jahr mehr als 13.000 Artikel deutscher Wissenschaftler:innen per Open Access zu veröffentlichen. Darum auch die Bezeichnung "transformative Vereinbarung": Zu den Zielen des Projekts DEAL gehörte neben Kosteneinsparungen (was zuletzt kaum noch kommuniziert wurde) und nationaler Lizenzen von Anfang an vor allem der Umbau der Publikationskultur im Sinne der Prinzipien von Open Science und Open Access. 

 

Doch ist die Tatsache, dass das Springer-Abkommen jetzt um ein Jahr verlängert wird, tatsächlich der Erfolgsbeleg, als den Springer Nature ihn verkaufen will?

 

Auf Nachfrage verweist der Verlag selbst darauf, dass die Verlängerungsoption von Anfang an im Vertrag vorgesehen gewesen sei. Sie ist also nichts Besonderes – und die jubelnde Pressemitteilung nicht mehr als Marketinggeklapper. Eine echte Nachricht wäre gewesen, wenn DEAL den Vertrag hätte auslaufen lassen. 

 

Wie zufrieden die Vertragsparteien wirklich mit
der Vereinbarung waren, wird sich noch zeigen

 

"Zu diesem Zeitpunkt waren keine neuen Verhandlungen erforderlich", sagt Springer Nature. Was auch bedeutet: Wie zufrieden die Vertragsparteien wirklich mit der Vereinbarung sind, wird sich erst erweisen, wenn sie demnächst (laut Verlag "in den kommenden Monaten und im Jahr 2023") für die Zeit ab 2024 verhandeln. Zumindest das Ziel, Geld einzusparen, hat DEAL nach Meinung vieler Bibliothekare nämlich klar verfehlt.

 

DEAL-Sprecher Günter M. Ziegler teilte auf Anfrage mit, grundlegende Differenzen gebe es mit Springer Nature im laufenden Vertrag nicht. "Wie die nächste Vertragsgeneration aussehen wird, ist aber eine andere Frage." Wie bei allen Verträgen entstehe aus der Umsetzung "ein Erfahrungsbestand, der bei Prozessen und administrativen Details noch Verbesserungsmöglichkeiten zeigt". 

 

Was man so sagt, wenn man noch nicht viel sagen will oder kann.

 

Springer Nature für seinen Teil sieht den Erfolg der laufenden Vereinbarung dadurch belegt, dass 97 Prozent der Autor*innen von deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, ihre Artikel Open Access zu veröffentlichen, ohne dafür eine Gebühr zahlen zu müssen. Außerdem seien 2021 im Vergleich zum Vorjahr 13 Prozent mehr neue Forschungsartikel (insgesamt über 16.000) in reinen Open-Access- und in den Hybridzeitschriften von Springer Nature erschienen. Im selben Zeitraum seien die weltweiten Downloads von Inhalten deutscher Forscher:innen um 185 Prozent gestiegen. Und an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten seien 77 Prozent mehr Nicht-Open-Access mehr heruntergeladen worden, was auch den verbesserten Zugang über Open Access hinaus zeige. 

 

Wann kommt der Durchbruch
mit Elsevier?

 

Vor Springer Nature hatte DEAL bereits ein ähnliches Abkommen mit Wiley abgeschlossen, ebenfalls für drei Jahre – mit der ebenfalls (aber auch seitens des Verlags lautlos) gezogenen Option einer Verlängerung bis Ende 2022. Auch hier ist offen, wie es weitergeht, und hier wird die Zeit  allmählich schon knapp. 

 

Derweil befinden sich die meisten deutschen DEAL-Hochschulen und -Forschungsinstitute bereits seit Ende 2016 in einem vertragslosen Zustand mit dem weltgrößten Wissenschaftverlag Elsevier. Seit Juli 2018 sind die Verhandlungen zwischen DEAL. und Elsevier offiziell abgebrochen. Zwischenzeitlich versuchte DEAL, den Druck auf Elsevier mit Verweis auf die geschlossenen Abkommen mit Springer Nature und Wiley zu erhöhen. Bei denen jetzt aber schon wieder jeweils neue Vereinbarungen her müssen. 

 

In diesem Sommer immerhin schien Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zu kommen. DEAL-Sprecher Ziegler, im Hauptberuf Präsident der Freien Universität Berlin, verkündete im Juli: "Die HRK hat gegenüber ihren Mitgliedshochschulen signalisiert, dass aktuell Vorbereitungen für Gespräche mit Elsevier laufen, die bei günstigem Verlauf in einem Vertrag für das Lizenzjahr 2023 resultieren könnten."

 

Wird es denn drei Monate vor Ablauf des Jahres 2022 schon konkreter? Nun ja. Nach dem aktuellen Stand gefragt, teilte Ziegler am Mittwochnachmittag mit: "Mit Blick auf den andauernden vertragslosen Zustand bleibt es für die DEAL-Gruppe selbstverständlich ein wichtiges Ziel, möglichst für das Lizenzjahr 2023 einen Vertragsabschluss mit einem attraktiven Kosten- und Leistungsprofil herbeizuführen. Daran wird zurzeit weiter gearbeitet."


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