· 

Wie die SPD sich die DATI vorstellt

In einem bislang unveröffentlichten Positionspapier fordern die Sozialdemokraten Vorfahrt für die HAW, ein Aus für die im BMBF-Konzept vorgeschlagenen Regionalcoaches und eine strukturelle Mitbestimmung der Wissenschaft. Die geplante Kürzung der HAW-Forschungsförderung will die SPD verhindern.

SIE SOLL ENDE des Jahres gegründet werden, die von der Ampel-Koalition geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), und am Anfang schien auch alles im Zeitplan: Schon im März legte der damalige BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger Konzept-Eckpunkte vor, stieß damit aber sofort koalitionsintern auf Widerstände. In der Szene ebenso: Innovationsforscher Dietmar Harhoff sagte gerade erst im Interview, es werde "großer Anstrengungen" bedürfen", die Aufgabenbeschreibung für die DATI klarer zu formulieren und die Agentur "so aufzusetzen, dass sie mit hoher Effektivität arbeiten kann". Davon hänge ihre Existenzberechtigung ab. 

 

Wenige Tage bevor der FDP-Politiker Sattelberger im März seine Eckpunkte präsentierte, hatte das FDP-geführte Bundesfinanzministerium den Großteil der für dieses Jahr vorgesehenen DATI-Anschubmittel auf Eis gelegt – bis zur Vorlage eines "schlüssigen Konzepts". Das offenbar weder Finanzministerium noch Haushaltsausschuss in Sattelbergers Vorschlägen erkannten. Im Gegenteil: Die Bundestags-Haushälter verschärften in ihrer Bereinigungssitzung am 19. Mai die Sperre sogar noch, wiederum auch unter Mitwirkung von Sattelbergers FDP-Parteifreunden. 

 

Unmittelbar danach erklärte Sattelberger seinen Rücktritt. Drei Monate später sagte er, gefragt nach seinen Beweggründen: "Mich haben seit Februar zwei große gesundheitliche Herausforderungen in meinem allerengsten Umfeld extrem beaufschlagt, übrigens bis heute. Und dann haben politische Schmutzeleien das Fass zum Überlaufen gebracht."

 

Die Knackpunkte
der DATI-Debatte

 

Fest steht: Für die DATI war es der denkbar schlechteste Start. Sattelbergers Nachfolger Mario Brandenburg (FDP) führte zwar die versprochenen Stakeholder-Gespräche durch, aber wohin die Reise gehen wird mit der DATI, ist weiter unklar.

 

Die Ungeduld wächst inzwischen auch bei den Koalitionspartnern. Jetzt geht die SPD mit einem eigenen Positionspapier an die Öffentlichkeit, das sie bisher nur als interne Diskussionsgrundlage verstanden hatte. Offenbar der Versuch, das BMBF unter Handlungsdruck zu setzen. Doch auch inhaltlich ist das Papier spannend, denn beim entscheidenden Knackpunkt der DATI-Debatte positioniert sich die größte Koalitionsfraktion unmissverständlich.

 

o Die HAW im Fahrersitz: "Wir wollen sicherstellen, dass die Konsortialführerschaft bei Beantragung und Durchführung von Projekten im Zuge der DATI bei den HAW liegt", heißt es in dem von der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD-Fraktion beschlossenen Text. In vielen Fällen müssten dafür keine neuen Strukturen aufgebaut werden, sondern man könne an die bestehenden regionalen Partnerschaften anknüpfen. Zusätzlich zu den eigentlichen Fördergeldern will die SPD den Konsortialpartnern einen Overhead zahlen. "Darüber hinaus bietet es sich an, den Partnerschaftsbegriff so offen zu definieren, dass unter anderem auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und insbesondere größere Universitäten als Partner an Projekten der DATI mitwirken können."

 

o Hauptfokus: Forschung und Innovation in der Region stärken. Dies geschehe durch die Stärkung regionaler Netzwerke, "bestehend aus zum Beispiel kleinen und mittleren Unternehmen, Kommunen, sozialen Verbänden/Trägern oder der Zivilgesellschaft". Die regional orientierte Förderung solle ergänzt werden durch thematische Förderlinien: "zum Beispiel in der Gesundheitswirtschaft, dem Anlagen- und Maschinenbau, der Werkstofftechnik, der chemischen Industrie, der Mobilität, der Bauwirtschaft oder der Sozialwirtschaft".

 

o Neben technologischen auch soziale und ökonomische Innovationen voranbringen. Um die Effektivität der DATI willen sollten verschiedene Transformationscluster definiert werden. "Dabei gilt es insbesondere zu klären: Welche Projekte im Bereich der anwendungsorientierten Forschung können zurzeit nicht oder nicht befriedigend durchgeführt werden, weil entsprechende Fördermittel fehlen?" 

 

o Die in den Sattelberger-Eckpunkten vorgesehenen Regionalcoaches durch wissenschaftsgeleitete Verfahren zu ersetzen. "Das Argument persönlicher Befangenheit ist einleuchtend", dasselbe gelte für Zweifel, wie sich die Regionalcoaches in eventuell bereits bestehende Strukturen einfügen könnten. Allerdings müssten auch die in der Wissenschaft üblichen Peer-Review-Verfahren auf die Erfordernisse von DATI angepasst werden. "Dazu schlagen wir vor, dass ein wissenschaftlicher Expertenkreis unter der Berücksichtigung der Erfahrung im internationalen Umfeld Leitlinien für die potentielle Begutachtung entwirft."

 

o Strukturelle Mitbestimmung der Wissenschaft in den DATI-Gremien: " Das betrifft insbesondere die Leitung und Aufsicht der DATI. Möglich wäre eine Drittelparität bestehend aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik."

 

o Perspektive: Die Integration weiterer Förderlinien der anwendungsorientierten Forschung, auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium, unter dem DATI-Dach. "Innovationsförderung gelingt dann am besten, wenn sie aus einem Guss gestaltet wird und an bestehende Stärken anknüpft."

 

SPD: HAW-Forschungsförderung
nicht kürzen

 

Die zentrale Rolle der HAW im SPD-Papier wird unter anderen den großen technischen Universitäten nicht gefallen, die einen gleichberechtigten Wettbewerb um die DATI-Fördermittel fordern – zumindest, falls diese wirklich Innovations- und nicht Regionalförderung betreiben solle. Die HAW wiederum fürchten für diesen Fall, dass sie am Ende nicht mit mehr, sondern weniger Fördergeldern da stehen könnten: Denn das BMBF hat brisanterweise den Fördertitel "Forschung an Fachhochschulen/HAW" ab kommendem Jahr in den DATI-Haushalt verschoben, noch dazu soll der Fördertitel um mehrere Millionen gekürzt werden. 

 

Auch hierzu positionieren sich die Sozialdemokraten in ihrem Papier eindeutig: Die DATI solle für die Beteiligung aller Hochschulen geöffnet werden. "Für die SPD-Bundestagsfraktion ist dabei jedoch entscheidend, dass Forschungsfördermittel, die in der Vergangenheit den HAW zur Verfügung gestanden haben, nicht gekürzt oder für andere Akteure geöffnet werden, um so die Breite der Forschungsförderlandschaft zu erhalten und auszubauen." 

 

Hinter den Kulissen laufen die Haushaltsverhandlungen auf Hochtouren. Auf die Frage, wie die SPD dabei vor allem die drohende Mittelkürzung für die HAW-Forschung verhindern wolle, antwortet der forschungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek: Die Verhandlungen liefen aktuell "mit der nötigen Sorgfalt und es ist gute Tradition, dass wir mit Respekt vor unserer Verhandlungsführerin dem Ergebnis nicht vorgreifen." Kaczmarek sagt aber auch, die Forschungsleistung der HAW sei in den vergangenen Jahren stetig angewachsen, die Mittel aus dem Förderprogramm seien "insbesondere auf Initiative der SPD" stetig gestiegen und auch abgerufen worden. "Das zeigt, der Bedarf ist da." 


></body></html>

Kommentar schreiben

Kommentare: 0