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WissZeitVG-Novelle: SPD mahnt BMBF

Der Referentenentwurf steckt seit Monaten in der Ressortabstimmung fest, doch keine Reform sei keine Option, sagt SPD-Forschungspolitiker Oliver Kaczmarek: "Das BMBF muss jetzt Kompromissvorschläge machen."

BUNDESFORSCHUNGSMINISTERIN Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte für Aufsehen gesorgt mit ihrer Ansage, möglicherweise erst Mitte nächsten Jahres zu sagen, wie es mit der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) weitergeht. "Bis Ende Juni 2024" werde dem Bundestag die entsprechende Auskunft zugehen, teilte sie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vor einigen Wochen mit. 

 

Dass der BMBF-Referentenentwurf seit Juni 2023 in der regierungsinternen Ressortabstimmung feststeckt, ist doppelt ärgerlich. Erstens, weil Stark-Watzingers Ministerium sich zuvor trotz monatelanger Berichterstatter-Gespräche inklusive Extra-Schleife in einem zentralen Punkt, der Postdoc-Höchstbefristung, mit den Regierungsfraktionen der SPD und der Grünen nicht einig geworden war, also das parlamentarische Beratungsverfahren nochmal viel Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Doch kann das überhaupt erst beginnen, wenn die Ressortabstimmung durch ist und das Bundeskabinett den Entwurf beschlossen hat. 

 

Hinzu kommt zweitens, dass nicht wirklich der Eindruck entsteht, dass das BMBF beim Finden einer Lösung vorankommt. Dazu müsste es vor allem einen wirksamen Kompromiss mit dem Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) erarbeiten, das einen sogenannten Leitungsvorbehalt eingelegt hat. Die Bedenken im BMAS beziehen sich dem Vernehmen nach vor allem auf die im Referentenentwurf ausbuchstabierten Regelungen zur Tarifsperre. Die soll zwar gelockert, aber im Kern erhalten bleiben, was weiter eine Ausnahme von der Tarifautonomie bedeuten würde. Mit dem Ergebnis, dass wissenschaftliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter keine alternativen Modelle etwa bei der Frage der Höchstbefristungsdauer vereinbaren dürften.

 

Offiziell halten sich sowohl BMAS als auch BMBF bedeckt. Aus dem BMAS heißt es, es sei guter demokratischer Usus, "dass wir regierungsinterne Gespräche nicht kommentieren. Dabei möchten wir es auch in diesem Fall belassen." Aus Koalitionskreisen ist indes zu hören, dass das BMBF dem BMAS bislang keinen Lösungsvorschlag vorgelegt habe. Eine Sprecherin des BMBF teilt lediglich mit, die Ressortabstimmung dauere noch an, "zur zeitlichen Planung werden wir uns daher nicht äußern."

 

Zumal jetzt bekannt wird, dass offenbar auch das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium einen Leitungsvorbehalt gegen den BMBF-Referentenentwurf eingelegt hat. Auch das BMWK bat auf Anfrage um Verständnis, "dass wir laufende Ressortabstimmungen nicht kommentieren können". 

 

 

Kompromissräume
zugemacht

 

Ungeduldig wird derweil nicht nur die CDU-/CSU-Fraktion, die per parlamentarischer Anfrage hatte wissen wollen, wie es mit dem WissZeitVG weitergeht, sondern auch das Lager der "#IchbinHanna"-Initiative. 

 

Zumal das BMBF zwar weiter nichts zum weiteren Zeitplan bis zum Kabinettsbeschluss sagt, dafür aber schon mal mögliche Kompromissräume mit den Regierungsfraktionen zumacht. Kurz nachdem bekannt geworden war, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine Befristungshöchstquote, als verfassungskonform eingestuft hatte, erteilte die Pressestelle des Ministeriums der Idee bereits im Research.Table eine Absage: Sie sei nicht "wissenschaftsadäquat" und "nicht umsetzbar". Eine Befristungshöchstquote könnte, so hoffen ihre Befürworter, den Konflikt um die Höchstbefristungsdauer entschärfen, weil sie Anteile befristeter und unbefristeter Stellen vorschreiben würde.

 

Amrei Bahr von "#IchbinHanna" kritisierte diese Argumente indes als fadenscheinig, offenbar fehle es dem BMBF am nötigen Vorstellungsvermögen und dem politischen Willen. "Die Diskussion um die Befristungshöchstquote lässt sich nicht mehr aufhalten, und das ist auch gut so", schrieb Bahr in ihrem Newsletter. "Nun wird es Zeit, die Energie in die Debatte über ihre Ausgestaltung zu stecken." 

 

"Gesetzliche Regelung oder
Freiräume für die Tarifparteien"

 

Auf den offensichtlichen Stillstand reagiert jetzt auch der Koalitionspartner SPD und erhöht den Druck auf Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger, denn offenbar fürchtet man auch dort ein Aussitzen. "Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht zu reformieren, ist keine Option", sagt der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek auf Anfrage. "Aber die Novelle muss strukturelle Verbesserungen beinhalten." In der öffentlichen Debatte sei klar geworden, dass die Postdoc-Phase der Knackpunkt sei. "Umso wichtiger ist aus meiner Sicht, jetzt die unterschiedlichen Positionen zu einem tragbaren Kompromiss zusammenzuführen. Dazu muss das BMBF Kompromissvorschläge machen."

 

Dass im Referentenentwurf eine Anschlusszusage enthalten sei, die den Übergang zu einer Dauerbeschäftigung ausbuchstabiert, sei bereits "ein echter Paradigmenwechsel". Aber sie müsse deutlich früher möglich sein als erst nach vier Jahren. "Hierfür braucht es entweder gesetzliche Regelungen oder Freiräume für die Tarifparteien." Fest stehe, so Kaczmarek: "Die Betroffenen warten auf die Novelle. Umso wichtiger ist, das Gesetzgebungsverfahren bald zu ermöglichen und sich in Regierung und Parlament aufeinander zuzubewegen."

 

Das mit dem Aufeinanderzubewegen in der Regierung kann man freilich auch als Ansage unter anderem in Richtung von Kaczmareks Parteifreund Hubertus Heil im BMAS deuten. Doch die Federführung hat das BMBF. Jetzt muss nur noch das mit der Führung kommen.



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