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Zeit fürs WissZeitVG?

Monatelang steckte die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in der Ressortabstimmung fest. Jetzt kommt Bewegung in die Verhandlungen.

Screenshot aus dem WissZeitVG-Erklärvideo des BMBF (von 2021).

WANN ENDET DER STILLSTAND? Acht Monate, nachdem Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) den Referentenentwurf zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) präsentiert hat, ist weiter unklar, wann die Novelle zum Beschluss im Bundeskabinett auftaucht. Erst danach könnte überhaupt die Debatte im Parlament über das BMBF-Reformkonzept beginnen. Immerhin kommt gerade Bewegung in die Sache. 

 

Seit Juni 2023 steckte der Referentenentwurf in der regierungsinternen Ressortabstimmung fest. Zuvor war sich das BMBF trotz monatelanger Berichterstatter-Gespräche inklusive Extra-Schleife in einem zentralen Punkt, der Postdoc-Höchstbefristung, mit den Regierungsfraktionen der SPD und der Grünen nicht einig geworden. In der Ressortabstimmung gelang dann abermals über Monate keine Verständigung mit dem Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) zu den im Referentenentwurf ausbuchstabierten Regelungen zur Tarifsperre. 

Die Tarifsperre soll zwar laut BMBF-Referentenentwurf gelockert, aber im Kern erhalten bleiben, was weiter eine Ausnahme von der Tarifautonomie bedeuten würde. Mit dem Ergebnis, dass wissenschaftliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter keine alternativen Modelle etwa bei der Frage der Höchstbefristungsdauer vereinbaren dürften.

 

Gleich zwei Ministerien hatten
einen Leitungsvorbehalt eingelegt

 

Und nicht nur das BMAS, auch das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) hatte einen sogenannten Leitungsvorbehalt eingelegt. Worum es dem BMWK genau ging, blieb allerdings nach außen unklar. Auf Anfrage teilte das Ministerium im Dezember lediglich mit, man bitte um Verständnis,"dass wir laufende Ressortabstimmungen nicht kommentieren können". 

 

In den Verhandlungen mit dem BMBF hatten die Grünen sich jedenfalls für ein Bund-Länder-Programm für moderne Governance- und Personalstrukturen stark gemacht. "Analog zur Verstetigung des Programms für Tenure-Track-Professuren brauchen wir ebenso einen längst überfälligen 'Tenure-Track-Mittelbau", forderte die für das WissZeitVG zuständige Berichterstatterin der grünen Bundestagsfraktion, Laura Kraft hier im Blog.

 

Genau ein solches Programm verlangte im Oktober 2023 dann – sogar mit den Stimmen aller Ampelfraktionen, auch der FDP – der einflussreiche Haushaltsausschuss des Bundestages in einem sogenannten Maßgabebeschluss. Stark-Watzingers Ministerium solle gemeinsam mit den Ländern ein "Konzept für ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur" vorlegen. Wohl angesichts der prekären Haushaltslage sind im BMBF bislang öffentlich keine Anstalten zu sehen, ein solches – bereits im Ampel-Koalitionsvertrag vorgesehenes – Programm in Angriff zu nehmen. Obwohl der Haushaltsausschuss vorgab, bis Ende September 2024 müsse das Ministerium "über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung" berichten. 

 

Jetzt gibt es aber offenbar gute Nachrichten: Aus dem BMWK ist zu hören, dass der Leitungsvorbehalt sich erledigt habe, der Ball liege jetzt beim BMAS. Und auch das BMAS scheint sich gemeinsam mit dem BMBF einer Lösung anzunähern, wie sie aus der Verhandlungssackgasse herauskommen – auch wenn diese Lösung angesichts des monatelangen Stillstandes erstaunlich trivial wirkt.

 

Der Plan: Man einigt sich, dass man sich nicht einig ist, und setzt – oh Wunder – auf das Parlament. Im sogenannten Zuleitungsschreiben, mit dem der Gesetzentwurf ins Kabinett geht, soll demzufolge stehen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Erweiterung der Tarifklausel im WissZeitVG in der Postdoc-Phase geprüft werden solle, und zwar um die Aspekte Höchstbefristungsdauer und Zeitpunkt der Anschlusszusage. Ziel dabei sei, hieße es weiter in dem Formulierungsvorschlag, eine frühere Perspektive auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu eröffnen.

 

Hätte man sich dann all die Verzögerungen um den BMAS-Ressortvorbehalt nicht von Anfang an sparen können? Denn das parlamentarische Beratungsverfahren seinerseits noch einmal dauern könnte, war allen Beteiligten spätestens seit dem Hin und Her um den Referentenentwurf klar – hatten SPD und Grüne doch angekündigt, ihre Forderungen erneut aufs Tapet zu bringen. Zugleich tickt die parlamentarische Uhr, wenn die Reform überhaupt noch kommen soll: Im nächsten Jahr beginnt bereits der Bundestagswahlkampf.

 

Im dritten Versuch müsste die Ampel

sich dann zusammenraufen

 

Insofern wundert nicht, dass die Ungeduld auch unter den Wissenschaftspolitikern der Ampel zuletzt deutlich zunahm, erst recht, nachdem Stark-Watzinger die Beantwortung einer Anfang Oktober eingereichten Großen Anfrage der CDU-CSU-Bundestagsopposition, wie die Bundesregierung in Sachen WissZeitVG vorgehen wolle, erst bis Ende Juni 2024 in Aussicht gestellt hatte. "Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht zu reformieren, ist keine Option", sagt etwa der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek hier im Blog. Die Betroffenen warteten auf die Novelle. "Umso wichtiger ist, das Gesetzgebungsverfahren bald zu ermöglichen und sich in Regierung und Parlament aufeinander zuzubewegen."

 

Kann es dann jetzt bald losgehen? Einen konkreten Termin für einen Kabinettsbeschluss gibt es jedenfalls noch nicht. Und aus dem BMBF heißt es lediglich, die Gespräche dauerten an, und es gebe noch keine finale Einigung.

 

Doch selbst wenn die bald verkündet und die parlamentarischen Beratungen beginnen könnten, ginge der Streit um die Postdoc-Befristungshöchstdauer nur in eine neue Runde, sollte nach den Berichterstatter-Gesprächen nun auch die Ressortabstimmung an der Stelle keinen Durchbruch bringen.

 

Beobachter meinen indes, genau ein solches Szenario würde die BMBF-Position weiter stärken – wenn es dem Ministerium gelänge, seinen Gesetzentwurf in dieser entscheidenden Frage unverändert ins Parlament einzubringen. Womöglich ein weiterer Grund, warum die Ressortabstimmung immer noch nicht zu Ende ist. Fest steht: Im dritten Versuch, im Parlament, müsste sich die Ampel auf eine gemeinsame Position einigen. Sonst wird es in dieser Legislaturperiode keine Reform des WissZeitVG mehr geben.



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Kommentare: 7
  • #1

    René Krempkow (Mittwoch, 14 Februar 2024 11:51)

    Danke, lieber Herr Wiarda, für diesen "Statusbericht". :-)
    Ebenfalls noch etwas Bewegung in die Sache bringen könnte evtl. auch ein Modell von Mathias Kuhnt, Peter Müßig und Tilman Reitz, das nun endgültig zur Veröffentlichung angenommen wurde und in Kürze auch online publiziert wird, in "Frontiers in Research Metrics and Analytics": https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/frma.2024.1301354/abstract.

    Dazu heißt es: "...we discuss alternative options in the form of model calculations. We propose a reform of employment structures and career paths that could improve not only personal working conditions but also ensure the quality of research and teaching in German academia. By quantitative comparison with the current employment situation, our model calculation demonstrates that plannable career decisions can be enabled at an early stage without changing budgets or teaching duties. We also show that the counter argument of a 'congestion' of positions is not substantiated, and that young scholars will still have the opportunity to start a career in the reformed system, while the total number of employees can be kept nearly constant."

  • #2

    Hanna (Mittwoch, 14 Februar 2024 16:11)

    Traurig, aber offenbar geben die politischen Verhältnisse gerade keine sinnvolle Lösung her? Die CDU bringt hier auch keinen Ausschlag, da sie das bisherige Gesetz ja geprägt hat. - Dann lieber keine Reform und den Punkt zum Wahlkampfthema machen?
    Mit meiner Stimme kann die FDP jedenfalls nicht rechnen.

  • #3

    Bemerkung (Donnerstag, 15 Februar 2024 20:45)

    @Rene Krempkow

    Kleiner Hinweis: die online publishing Plattform 'Frontiers' steht auf Beall's Predatory publishers/journals list. Das spezielle Journal 'Frontiers in Research Metrisch ...' hat ca 450 Editoren(!), die zum überwiegenden Teil aus eher zweifelhaften Institutionen stammen. Sarcasm on: Wenn man als Wissenschaftler sich selbst in Misskredit bringen möchte, tut man genau so was: bei einem open access Verleger publizieren, der im Verdacht steht, unsauber zu arbeiten, aber sauber abzukassieren.

  • #4

    René Krempkow (Freitag, 16 Februar 2024 09:49)

    @Bemerkung:

    Vielen Dank für diesen Hinweis. Ich weiß nicht, ob den Autoren diese Vorwürfe bewusst und ob diese berechtigt sind, zumal die pauschale Einstufung aller entspr. Zeitschriften durch Jeffrey Beall durchaus umstritten ist (https://www.nature.com/articles/526613f).

    Ich kann zur Zeitschrift nur als Fakten beisteuern, dass der verantwortliche Herausgeber für den entspr. Beitrag von der Universität Hamburg kommt, also einer der forschungsintensiveren deutschen Unis (s. auch https://www.jmwiarda.de/2024/02/12/das-ist-teil-des-berufsrisikos/); und dass das Begutachtungsverfahren (Open Peer Review, daher kann ich dies sagen) durchaus kritisch ablief und einige Überarbeitungen zur Folge hatte.

    Den Beitrag mit für die deutsche Wissenschaft sehr interessanten Modellüberlegungen, die ja von Autoren aus renommierten deutschen Universitäten (Dresden, Jena) und dem DZHW stammen, bereits vor Lektüre abzutun, hielte ich daher gelinde ausgedrückt zumindest für deutlich verfrüht. Dies bringt dem/der Bemerkenden m.E. auch nicht unbedingt credits. ;-)

  • #5

    Bemerkung (Freitag, 16 Februar 2024 15:54)

    @Rene Krempkow

    Das steht Ihnen natürlich frei, das anders zu sehen. Ich bin selbst im Editorial board zweier (seriöser) Journals und denke, bereits der Prozess, wie man Mitglied des EB bei einem der frontiers Journals werden kann, ist hanebüchen (Join the board) Da wird jeder genommen, der irgendeine Art PhD vorweisen kann. Das Problem hier im Blog ist oft, dass Leute, die nicht wiss. tätig sind, die Diskussionen bestimmen.

  • #6

    Bemerkung (Freitag, 16 Februar 2024 16:20)

    @Rene Krempkow

    Auf der Webseite von frontier findet man außerdem, dass der report eines reviewers nach 7(!) Tagen vorliegen soll.
    Das ist völlig unseriös. Reports werden außerdem per Formular erstellt. Dieser Publisher steht zu Recht auf Beall's Liste und ich würde als Editor jeden Autor, der auf dort publizierte Beiträge referenziert, darauf hinweisen, dass solche Referenzen eher zweifelhafter Natur sind.

  • #7

    Gegenbemerkung (Samstag, 17 Februar 2024 22:14)

    @bemerkung: Ich wäre mit solchen Einschätzungen ja vorsichtig. Frontiers hat meines Wissens nach Quatsch-Journale, aber auch gute; das hier genannte kenne ich nicht. Sieben Tage für ein Reiview ist sportlich, aber BMC gibt z.B. per Default auch nur 14 Tage. Ich finde das sinnvoll - wer keine Zeit hat, muss halt schnell ablehnen. Für die Autoren ist ein schneller Rücklauf super. Review per Formular ist vollkommen normal, da ich mal davon ausgehe, dass das Formular auch Freitextfelder enthält.

    Predatory Journals sind eine schlimme Entwicklung, aber die Klasse ist nicht scharf definiert und ich denke, man sollte mit solchen Anschuldigungen vorsichtig sein. Klare Kriterien wären für mich Acceptance ohne reviews (oder mit 2-Zeilern).