Wer die Wissenschaft schützen will, muss die AfD verbieten
Die Angriffe auf Universitäten in den USA sind ein Warnsignal. Während deutsche Forschungsorganisationen noch Solidaritätsbekundungen formulieren, bläst die AfD zu ihrem eigenen Feldzug gegen die freie Wissenschaft. Zeit zum Handeln. Ein Gastbeitrag von Andreas Fischer-Lescano.

Andreas Fischer-Lescano ist Rechtswissenschaftler, Professor für "Just Transitions" an der Universität Kassel und Richter am Bremischen Staatsgerichtshof. Foto: Matej Meza.
IN DER VERGANGENEN WOCHE hat das US-Heimatschutzministerium bekanntgegeben, der Harvard-Universität künftig die Genehmigung zur Aufnahme internationaler Studierender zu entziehen – ein weiterer Exzess der Wissenschaftsfeindlichkeit in den USA. Er führt der Welt die vom Rechtsextremismus ausgehende Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit vor Augen. Es ist höchste Zeit, dass sich deutsche Wissenschaftsinstitutionen nicht nur mit Solidaritätsbekundungen an die USA wenden, sondern sich auch gegen die wachsende Bedrohung für Wissenschaft und Demokratie in Deutschland positionieren.
Wissenschaftsfeindlichkeit
Nach der Streichung von Forschungsgeldern, den Angriffen auf Diversitätsprogramme und dem Versuch, harte Sanktionen gegen Gaza-kritische Proteste auf dem Campus durchzusetzen, ist der Stopp des internationalen Studierendenaustauschs durch die Trump-Regierung die jüngste Eskalation einer Politik der systematischen Untergrabung der Wissenschaftsfreiheit.
So skandalös diese Maßnahmen sind, überraschend kommen sie nicht: Der heutige US-Vizepräsident J.D. Vance gab schon 2021 zu Protokoll: "Die Professoren sind der Feind." Die Wissenschaft sei ein Hindernis, das es politisch zu bekämpfen gelte: "Wenn wir die Dinge tun wollen, die wir tun wollen, dann müssen wir die Universitäten in diesem Land offen und aggressiv attackieren." Auch Donald Trump hat aus seiner Wissenschaftsfeindlichkeit nie einen Hehl gemacht. Corona – eine Erfindung der Virologen. Der Klimawandel – geschichtlich nichts Besonderes. Der angebliche Genozid an Weißen in Südafrika – "belegt" durch Bilder aus dem Kongo. Ins Clowneske verzerrte Postfaktizität paart sich mit einer Ideologie der Ungleichheit, die intersektionale Diskriminierung leugnet.
Naiv, wer das für ein Problem jenseits des Atlantiks hält. Was Trump will, wollen europäische Rechtsextreme allemal. An Beispielen fehlt es nicht. Orbans Akademiegesetz, der zur "Trachten- und Brauchtumskunde" verkommene Wissenschaftsbegriff im geleakten Koalitions-Protokoll der gescheiterten Verhandlungen von FPÖ und ÖVP – immer ist es das gleiche, inversive Skript: Unter dem Deckmantel vermeintlicher De-Ideologisierung und De-Politisierung nimmt rechtsextreme Politik die Universitäten an die ideologisch-politische Kandare. Überpolitisierung im Namen der Depolitisierung ist das Programm, mit dem die Wissenschaft nach rechtsextremer Façon umgeformt wird.
Die Akteure machen dabei keinen Hehl aus ihren Vorstellungen. Für Deutschland genügt ein Blick ins AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025, um zu wissen, was auf die Wissenschaft zukommt, wenn die AfD im Bund und in den Ländern weiter an Macht gewinnt. Als unwissenschaftlich denunziert die AfD die sogenannten "Agendawissenschaften" (Wahlprogramm, S. 163), die sie auch in einem Bundestagsantrag aus der letzten Legislaturperiode ins Visier nahm und zu denen sie "die Postcolonial Studies, Disability Studies, Critical Whiteness Studies, Fat Studies, Queer Studies und vor allem auch die Gender Studies" zählt (BT-Drs. 20/7565, S. 6). "Wir schmeißen diese Professoren raus" – brüllt Alice Weidel, eine deutsche J.D. Vance, auf dem Parteitag in Riesa im Januar 2025, auf dem sie zur Kanzlerkandidatin gekürt wurde.
Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs der Politisierung der Wissenschaft. Die Suada der AfD gegen "ideologiegeleitete Wissenschaft" greift über die geisteswissenschaftlichen Fakultäten hinaus. Das Wahlprogramm fordert zuverlässigere Impfstoffüberprüfungen, in den Ländern ätzt die AfD gegen Nachhaltigkeitswissenschaften ("globalisierte Gleichschaltung") und gegen die Solarforschung am Fraunhofer-Institut ("Unseriösität"). Die unverhohlenen Drohungen der AfD richten sich damit nicht nur gegen die Universitäten, sondern schließen auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ein. So sieht sie politischen De-Politisierungsbedarf "beispielsweise bei den Fraunhofer- und Max-Planck-Instituten" (S. 164).
Die Inversionsbewegung der Politisierung im Namen der De-Politisierung ist leicht durchschaubar. Ja, es gibt aktivistische Exzesse in den von der AfD aufs Korn genommenen Wissenschaftsbereichen. Doch nicht Parteipolitik, sondern wissenschaftliche Selbstkontrolle, wissenschaftliche Methoden und wissenschaftliche Reputationsmechanismen sind die Mittel der wissenschaftlichen Qualitätssicherung. Wenn sich Parteipolitik anmaßt, diese Funktion zu übernehmen, usurpiert sie den wissenschaftlichen Raum – sie politisiert unter dem Banner der Depolitisierung.
Resilienzverantwortung
Man ist leicht geneigt, die rechtsextreme Wissenschaftsfeindlichkeit in ihrer Gefährlichkeit zu unterschätzen. Die entsetzliche Dummheit, die aus den inhaltlichen Forderungen spricht; die sich ständig selbst entlarvende Lächerlichkeit; die durch ewiggestrigen Staub bedeckte Gedankenarmut dieser Programme – das alles ist wissenschaftlich nicht satisfaktionsfähig.
Doch ehe wir uns versehen, werden die deutschen Wissenschaftsinstitutionen in die gleichen Kämpfe wie Harvard verwickelt sein. Wie dort ist auch hier den Rechtsextremen nicht nur die universitäre Ausrichtung, sondern besonders die Internationalität von Wissenschaft und Studierendenschaft ein Dorn im Auge. So forderte die AfD in Sachsen etwa zur Landtagswahl 2024 wie auch im Bund "angemessene" Studiengebühren für Studierende aus dem Ausland. Als Lehr- und Wissenschaftssprache müsse Deutsch bewahrt werden (Landtagswahlprogramm 2024, S. 24) – in manchen Bereichen eine Garantie zur wissenschaftlichen Selbstverzwergung durch internationalen Anschlussverlust.
Wer auch nur einen Zweifel hat, dass die Rechtsextremen ernst machen werden, schaue nach Harvard und mache sich bewusst: Die Angriffe auf die Wissenschaft fügen sich ein in ein rechtsextremes Gesamtprojekt, das demokratisch-rechtsstaatliche Grundprinzipien schleift. Rechtsextreme Kräfte zielen auf die Abschaffung menschenwürdebasierter Gleichheit, auf die Abschaffung von Demokratie, Rechtsstaat und unabhängiger Wissenschaft. Sie wollen eine gleichgeschaltete Medienlandschaft, setzen auf menschenrechtswidrige Ausgrenzungspolitiken, auf Gewalt gegen Minderheiten, auf Manipulation und Korruption.
Spätestens seitdem der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextrem" eingestuft hat, ist ein Punkt erreicht, an dem auch die deutsche Wissenschaft aufgerufen ist, sich ihre Verwundbarkeit einzugestehen und daraus die nötigen Schlüsse zu ziehen. Wehrhaftigkeit und Resilienz von Wissenschaft und Demokratie sind in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr.
Erstens wird es darum gehen, das Binnenrecht der Institutionen so zu konkretisieren, dass – wie beispielsweise an der TU Cottbus – klare Handlungskonzepte für den Umgang mit Rechtsextremen geschaffen werden. Die Institutionen werden sich dafür rüsten müssen, ihren Schutzpflichten gegenüber Personen in vulnerablen Konstellationen nachkommen zu können. Alle zwölf Minuten kommt es in Deutschland zu einer rechtsextremen Straftat. Wissenschaft muss diese Gewalt, die über Bedrohungsnetzwerke in alle gesellschaftlichen Kapillaren und damit auch an die Universitäten ausstrahlt, benennen und sich vor die Betroffenen stellen.
Zweitens ist es darum zu tun, die Mechanismen zu identifizieren, die der Rechtsextremismus für seine Attacken auf die Wissenschaft nutzt – das Finanzrecht, das Hausrecht, das Recht des öffentlichen Dienstes, aber auch die Regelungen zur Besetzung zentraler Positionen in Hochschulräten und dem Wissenschaftsrat. In Bund und Ländern gilt es, Maßnahmen zur Sicherung der Resilienz der Universitäten zu ergreifen.
Drittens ist die Zeit reif, dass sich die Institutionen der Wissenschaft ihrer Verantwortung für den Schutz der Demokratie als solcher vergewissern. Die HRK hat in ihrer Empfehlung zur Hochschulkommunikation als strategischer Aufgabe 2022 festgestellt, dass die Wissenschaft "aufgrund ihres öffentlichen Auftrags der Gesellschaft und ihrer demokratischen Verfasstheit verpflichtet" ist. Daraus folge, dass sich Wissenschaft "an ihrer Verantwortung gegenüber der demokratischen Gesellschaft" orientieren müsse. Damit formuliert die HRK zu Recht eine sich aus der Verfassung ergebende Verantwortung für die Demokratie als solche. Dem steht – das Deutsche Institut für Menschenrechte hat die Verfassungsrechtslage in einer Publikation aus dem Jahr 2019 zutreffend herausgearbeitet – auch kein Neutralitätsgebot entgegen. Denn wenn Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde in Gefahr sind, sind öffentliche Institutionen zur Verteidigung verpflichtet. Das ist ihre verfassungsrechtliche Resilienzverantwortung.
Konzertierte Aktion
Wissenschaft darf daher zum grassierenden Rechtsextremismus nicht schweigen. Sie muss die menschen-, demokratie-, rechtsstaats- und wissenschaftsverachtende Politik des Rechtsextremismus beim Namen nennen. Sie muss sich in die Debatte um das dringend gebotene AfD-Verbotsverfahren einmischen; ja, sie sollte sich an die Spitze einer konzertierten gesellschaftlichen Aktion zum Schutz der Demokratie setzen – eines Bündnisses, das Schulen und Hochschulen, Gewerkschaften, Betriebe und Kirchen sowie all die anderen gesellschaftlichen Institutionen umfasst, die die AfD mit ihren sogenannten metapolitischen Strategien trojanischer Institutioneninfiltration in Angst und Schrecken versetzt.
Die Politik allein wird den Rechtsextremismus nicht wegregieren können, und sie allein wird auch das Verbotsverfahren nicht zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Das wird nur mit gesellschaftlicher – und vor allem wissenschaftlicher – Unterstützung gelingen.
Wissenschaft: Sapere aude, incipe!
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