Zwischen Recht und Rechtsbruch
Gerichtsurteile ignorieren, Richter diskreditieren: Wohin ein solche Weg führt, zeigt der Blick über den Atlantik. Die deutsche Bundesregierung sollte nach dem Urteil zur Asyl-Zurückweisung sehr vorsichtig sein.
DER MILITÄR- UND SICHERHEITSEXPERTE Carlo Masala brachte es auf den Punkt. "Ich hab keine Ahnung, wie man das Berliner Urteil einordnen soll/muss. Ob die Bundesregierung Recht hat oder nicht", kommentierte er am Dienstag auf "Bluesky" die Eil-Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, die Zurückweisung von drei Somaliern ohne Dublin-Verfahren für rechtswidrig zu erklären. "Aber die Art, wie jetzt von vielen die Justiz oder einzelne Richter angegangen/delegitimiert werden, ist nicht weit von dem entfernt, was gerade in den USA passiert."
Über das, was in den USA passiert, über den Umgang der Trump-Regierung mit Gerichtsurteilen und die dramatische Beschädigung der Gewaltenteilung habe ich mehrfach hier im Blog geschrieben. Das sollte, das muss der schwarz-roten Koalition eine Mahnung sein: Auch wenn die Berliner Eil-Entscheidungen nur für die drei Betroffenen gilt, betonten die Richter, dass sie Zurückweisungen bei Grenzkontrollen ohne vorherige Klärung, welcher EU-Staat für den Asylantrag zuständig ist, allgemein für rechtswidrig halten.
Rechtsexperten haben von Anfang an ihre Bedenken geäußert angesichts der Asylpläne der schwarz-roten Regierung. Jetzt hat sie es richterlich Schwarz auf Weiß. Die einzig angemessene Reaktion wäre jetzt, die Zurückweisungen generell auszusetzen, bis die konkreten Fälle letztinstanzlich entschieden sind.
Welche Botschaft sendet es demgegenüber, wenn Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) weitermachen will wie bisher mit der Begründung, er sei überzeugt, dass die Zurückweisungen "in Einklang mit dem Recht“ stünden. Die Exekutive erklärt der Judikative die Rechtslage?
Wenn das System so sei, "dass es diese Klagemöglichkeiten gibt und es einen stört", schrieb Masala in seinem Post weiter, "dann kann man ja drüber nachdenken, das System zu ändern, anstatt diejenigen, die diese Möglichkeiten legitimerweise nutzen, zu diffamieren."
Man könnte auch sagen: Der politische Zweck heiligt nie die potenzielle Missachtung der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meinem kostenfreien Newsletter.
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